Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Roger Seimetz

Adolph-Brücke (Pont Adolphe)

Verbindung von Boulevard Royal und Avenue de la Liberté, Luxemburg

Baugeschichte

Bereits in den 1870er Jahren war auf Initiative des Eisenbahningenieurs Ferron eine 200 Jahre alte Idee der Talüberbrückung (in der Verlängerung der Philippestraße) wiederaufgetaucht. Ein Vorprojekt von 1887 verlegte die Brücke in die Verlängerung des Königsrings. Das Projekt wurde ausgearbeitet von einem französischen Ingenieur aus Orléans, Paul Séjourné, Unternehmer war die Spezialfirma Fougerolles Frères aus Paris, und von Luxemburger Seite waren beteiligt Oberingenieur Albert Rodange und Baukonduktor V. Fonck (behördliche Bauaufsicht; die Stadt Luxemburg war nicht am Projekt beteiligt). Am 14. Juli 1900 legte Großherzog Adolphe den Grundstein der „Neuen Brücke“ (Nei Bréck). Drei Jahre später, am 24. Juli 1903, wurde die Brücke um 13 Uhr von Staatsminister Eyschen und Generaldirektor Rischard ihrer Bestimmung übergeben.

Baugestalt

Mit ihrem zuletzt 84,65 m Spannweite betragenden Hauptbogen übertraf die 153 m lange und 42 m hohe Nei Bréck die bis dahin größte steinerne Brücke (Hausteine) um 17 m. In geteilter Ausführung (zwei Parallelbogen) war das Quaderwerk die größte Steinbrücke ihrer Zeit und brachte Séjourné Weltruhm ein. Die beiden großen Mittelbogen bestehen aus 2850 m3 Gilsdorfer Sandstein von 1400 kg/cm² Druckfestigkeit. Scheitelhöhe 46 m, Breite 16 m (Ingenieur Sivering veranlaßte die Erweiterung von 12 auf 16 m). Zu beiden Seiten je ein Bogen von 21,60 m Öffnung, ebenfalls geteilt. Diese Ausführung ermöglichte eine breitere Fahrbahn.

Nutzung und Umnutzung

Die Schmalspurbahn „Charly“ (nach dem Generaldirektor/Minister für Öffentliche Bauten Rischard benannt) unternahm am 26. April 1904 ihre erste Fahrt über die Adolph-Brücke nach Echternach, an der deutschen Grenze. Die Adolph-Brücke ist heute nur noch für Automobilverkehr geöffnet. Am 20./21. Oktober 1933 führte Professor Ros von der Technischen Hochschule Zürich im Beisein des 90jährigen Paul Séjourné eine Reihe Untersuchungen der Standfestigkeit nach neuesten Methoden an der Brücke durch. Renovierungen ungefähr alle 50 Jahre.

Historischer Zusammenhang

Infolge der Neutralitätserklärung von 1867 (Londoner Vertrag, von den Großmächten unterzeichnet und garantiert) wurde die Bundesfestung Luxemburg geschleift und die Öffnung der Stadt setzte ein Gelände von 177 ha frei (das Areal der Altstadt betrug nur 22 ha). Ein gewaltiger Urbanisierungsprozeß, im Zuge politischer und sozialökonomischer Entwicklung, setzte auf dem südlich der Altstadt gelegenen Plateau Bourbon ein. Seine Erschließung sowie die Erweiterung der Alt- und Oberstadt erforderten die Überbrückung des Petrußtales, ein Überspringen der Zentren „Festungsstadt“ (Alt- und Oberstadt) und Plateau Bourbon („Bahnhofsneustadt“) über das Felsental sowie eine Überschreitung des Talraumes durch eine Brücke. Oberingenieur Albert Rodange der Travaux Publics nahm sich der Baufrage an (1897/1898). Der Hauptbogen sollte 77 m Spannweite haben (Ferron schlug den Bau einer eisernen Brücke vor, kam aber zur Schlußfolgerung, daß eine steinerne Brücke eher der Natur entspräche, und plädierte zu deren Gunsten). Des deutschen Baurats Stübben klassizistische Stadtplanung, auf Haussmannschem Vorbild fußend, empfahl Licht, Luft und Sauberkeit durch großzügige, überschaubare Achsen. Luxemburg, das Gibraltar des Nordens (seit 1815 Mitglied des Deutschen Bundes und dessen vorgeschobener Eckstein, seit 1842 Mitglied des Zollvereins), wußte, daß es Kontakte mit den Nachbarländern auf- beziehungsweise ausbauen mußte, wofür Kommunikation und Industrietransporte ein ausgedehntes Eisenbahnnetz verlangten. Ein Bahnhof war anfangs in Alt- und Oberstadt geplant, ihn allerdings außerhalb der abgetragenen, aber immer noch geistig präsenten Festungsmauern und jenseits des fast 50 m tiefen Alzettetals ansiedeln, hieß eine jahrhundertelang von mehreren Fremden besetzte Stadt freigeben und öffnen. Kommunikation mit der Fremde aber war angestrebt. Alte Festungsgräben wurden zugeschüttet, Zugbrücken und Garnisonsbauten eliminiert. Luxemburg legte sich ein städtebaulich neues Gewand an. Die Adolph-Brücke sollte Kulturträger sein, Dominante der politischen, gesellschaftlichen und technischen Wandlungen, und den Straßenverkehr gewährleisten, nicht neue Ästhetik, sondern eine Brücke von der Gefühlswelt des Künstlers mit seinen idealistischen Vorbildern Renaissance und Historismus zur Gedankenwelt des Denkers mit seinem wissenschaftlichen und technischen Pragmatismus, den Streit des 19. Jahrhunderts zwischen Ponts-et-Chaussées und Kunstarchitekten – also zwischen der polytechnischen Konstruktion und den architektonischen Beaux-Arts, in anderen Worten zwischen Ingenieur und Architekt symbolisierend. Historistisch gesehen: Function follows form.

Quellen und weiterführende Literatur

Koltz, Jean-Pierre, Baugeschichte der Stadt und Festung Luxemburg, 3 Bde., Luxemburg 1944–1951.

Neufert, Peter, Bauentwurfslehre, Braunschweig/Wiesbaden 1992.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.