Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Autobahn- und Straßenbau in der Großregion

Eines der ehrgeizigsten infrastrukturellen Projekte des nationalsozialistischen Staates für das gesamte Reich und das Land westlich des Rheins waren die Planung und der beginnende Bau einer Reichsautobahn von Mannheim über Kaiserslautern, Saarbrücken und Metz nach Paris und die Verlängerung der begonnenen Autobahn zwischen Koblenz und Trier bis Saarbrücken. Planungen der späten Weimarer Republik wurden so dem nationalsozialistischen Regime dienstbar gemacht. Der Bau geschah nicht in kontinuierlichen Abschnitten, sondern wurde wegen höherer propagandistischer Wirkung an verschiedenen Stellen begonnen, so z.B. 1936 im Lauterbachtal bei Kaiserslautern. Die Autobahnen, die auf Reichsgebiet ab 1933 errichtet wurden, sollten im geplanten Krieg einerseits alle Truppentransporte wesentlich erleichtern, zugleich sollten sie nach dem gewonnenen Krieg die Einbindung der Landschaft und der Verkehrsplanung in die Blut- und Boden-Ideologie leisten, z.B. durch Trassenführung entlang historisch bedeutsamer Gebäude, Gestaltung der Brücken und Raststättenbauten in wechselnden regionalen Baustilen etc.; als Nebeneffekt schuf man den propagandistischen Mythos, der Autobahnbau komme dem ganzen Volk zugute – u.a. durch die vielen bei ihrem Bau benötigten Arbeitskräfte. Die Teilstrecke Kaiserslautern – Saarbrücken – Trier wurde noch 1938 als besonders dringlich eingestuft, es kam auch zur Trassenplanung, zum Ankauf von Grundstücken und Bau einzelner Brücken und Streckenabschnitte, aber nur auf pfälzischem Gebiet. So wurde z.B. der Abschnitt zwischen Landstuhl und Glanmünchweiler fertiggestellt. Der Kriegsbeginn unterbrach die Arbeiten, so daß für den Bereich des Saarlandes und später auch Lothringens nur vereinzelte Planungsunterlagen aus der Zeit bis 1942 erhalten sind. Sie sahen ein „Kleeblatt-Autobahnkreuz“ zweier Autobahnen (Mannheim – Paris und Trier – Straßburg) bei Güdingen vor und für die westöstliche Strecke eine Trassenführung durch den Warndt über Klarenthal und Ludweiler. Die West-Ost-Verbindung sollte nördlich von Metz verlaufen, dabei die Festungsanlagen umgehen und weiter bis Paris führen. Der Kriegsverlauf veranlaßte 1944 die Wehrmacht, die schon errichteten Brückenbauten im Bereich der Pfalz zu sprengen, um den Alliierten das Vorrücken zu erschweren. Nach dem Krieg hatte das Saarland bis Anfang der 1960er Jahre keine Autobahn. Die alte nationalsozialistische Trasse führte 1958 (nun als A 6) von Mannheim erst bis Kaiserslautern. Sie wurde 1962–1963 bis zum Dreieck Saarbrücken verlängert. Zur gleichen Zeit begannen erste grenzüberschreitende Planungen in der heutigen Großregion: Seit 1963 arbeitete die noch informelle Regierungskommission Saar-Lor-Lux-Rheinland-Pfalz, die 1969 institutionalisiert wurde. Die dort angesiedelte Arbeitsgruppe Straßenverbindungen befaßt sich (in den 1960er Jahren noch mit dem Hauptziel der Vernetzung des Montanraumes) seither mit der Schaffung eines einheitlichen überregionalen Straßennetzes. Die konkrete Umsetzung der Planungen wurde jeweils in bilateralen Verhandlungen vereinbart. Folgende Hauptverkehrsachsen wurden ab 1976 geplant und seither auch sukzessive umgesetzt: eine Nord-Süd-Achse Luxemburg–Thionville–Metz–Nancy (mit Verlängerungen nach Brüssel, Lüttich und Aachen im Norden und nach Dijon im Süden, letztere seit 1984), eine Ost-West-Achse Kaiserslautern–Saarbrücken–Metz, eine Verbindung Saarbrücken–Trier (A 1, Anschluß über Moseltaldreieck an A 48 nach Koblenz). Die letzte geplante Verbindung, Saarbrücken–Luxemburg (Verlängerung der A 620), wird derzeit erst fertiggestellt. Weitere geplante Querverbindungen von Autobahnen wie St. Avold–Saarlouis (mit Grenzübergang bei Überherrn) bzw. Thionville–Saarlouis wurden bislang noch nicht realisiert. Die A 6 schließt am Grenzübergang Goldene Bremm bei Forbach an das französische Autobahnnetz an, von wo westlich die Strecken nach Metz und Paris sowie südöstlich nach Straßburg (A 34, erreichbar auch über B 51/N 62 bei Sarreguemines) und in Richtung Schweiz abzweigen. In den 1960er Jahren wurde die Autobahn A 1 von Saarbrücken nach Trier auf dem Teilstück bis zur Hunsrückhöhenstraße errichtet und in den späten 1970er Jahren mit dem Anschluß des Autobahndreiecks Moseltal an die A 48 (Trier–Koblenz–Gießen, sogenannte Mosel-Lahn-Achse) fertiggestellt. Die A 48 Trier–Koblenz wurde 1975 auf ganzer Länge befahrbar. Von Trier aus wurde zunächst eine Stadtumgehung (April 1981) und später ein Anschlußstück bis zur luxemburgischen Grenze geschaffen, das auf der Grenzbrücke von Mesenich das Sauer-Tal quert und seit Ende der 1980er Jahre nach Luxemburg Stadt weiterführt. Die Trassenführung der A 620 (Verbindungsstrecke im Saartal von A 6 zu A 8), welche die Stadt Saarbrücken zerschneidet, erweist sich heute als Fehlplanung, zumal ihre Kapazität längst ausgeschöpft ist; auch wird die Strecke mindestens einmal jährlich bei Hochwasser überflutet. Wegen der engen Kurven im Stadtbereich kommt es täglich zu Staus in beiden Richtungen. Die A 620/A 8 entlang des Saartals reicht bislang noch lediglich von Saarbrücken über Merzig (Anschluß an A 8 in Saarlouis) bis kurz vor die Grenze in Richtung Luxemburg. Der dazu benötigte Autobahntunnel am Pellinger Berg ist bereits seit 1997 fertiggestellt. Von Luxemburg aus wird derzeit (2001) auf die Anbindung der Südsammelschiene (Collectrice du Sud) in deren östlichem Teil ab Bettembourg bis zum geplanten Moselübergang südlich von Wintringen hingearbeitet. Die benötigte Brücke ist bereits im Bau. Eine Querverbindung (A 8) zwischen A 620, A 1 und A 6 wurde zwischen Saarlouis und Homburg in den frühen 1980er Jahren errichtet, sie ist allerdings bislang schwach befahren, während die Strecken der A 1, A 6, A 620 und A 623 (Friedrichsthal–Saarbrücken) täglich von Tausenden von Pendlern genutzt werden. Der weitere geplante Ausbau der A 8 (Saarbrücken–Pirmasens–Karlsruhe) ist infolge der innerpfälzischen Probleme bei der Trassenführung ins Stocken gekommen und bleibt in der Schwebe, weil hier viele Ortsumgehungen notwendig sind. Der weitere Ausbau der nördlichen A 1 zwischen Trier und Köln durch die Eifel ist vorgesehen, bleibt aber ebenfalls weiter in der Schwebe. Diese Verbindung mit dem Raum Köln/Düsseldorf/Ruhrgebiet hat aus Sicht der Verkehrsplaner der Großregion hohe Bedeutung, für die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, durch deren Gebiet die letzten 35 km verlaufen würden, jedoch nicht – sie hat die A 1 lediglich bis Blankenheim ausgebaut, so daß kleinräumige Pendlerströme zwischen der Eifel und Köln verbessert wurden. Ähnlich wie für die Autobahnen wird durch die Arbeitsgruppe Straßenverbindungen der Regierungskommission Saar-Lor-Lux-Rheinland-Pfalz seit den 1960er Jahren auch der Ausbau der Bundes- bzw. Nationalstraßen im großregionalen Verbund betrieben, „in Form von großzügig ausgebauten Straßenverbindungen, die vorwiegend kreuzungsfrei oder teilkreuzungsfrei“ sein sollen. Im Zuge dieser Pläne wurden z.B. in den 1990er Jahren die Ortsumgehung Kleinblittersdorf (B 51) und die Stadtumgehung (RN 91) geschaffen.

Politiker, Wirtschafts- und Verkehrsexperten der Großregion erhofften und erhoffen sich seit den 1960er Jahren vom immer weiteren Ausbau der Straßen wirtschaftliche Vorteile für die Großregion. Dieser Ausbau hat jedoch gravierende ökologische Schattenseiten, die angesichts der rapide nachlassenden Wirtschaftskraft des Montanbereichs, der Umstrukturierung und der teilweisen Umorientierung der Großregion hin zum Sanften Tourismus bedacht werden müssen: „Der Flächenverbrauch durch das Straßennetz ist erheblich. Weitere Straßenneuplanungen für das regionale Straßennetz bzw. Fernstraßennetz sind kaum noch möglich, wenn man umweltpolitische Gesichtspunkt beachtet“ (Schweig, S. 66).

Quellen und weiterführende Literatur

IRI (Institut für regionalpolitische Zusammenarbeit in innergemeinschaftlichen Grenzräumen asbl/Institut pour la coopération régionale dans les régions frontalières intracommuniautaires asbl) (Hg.), Straßen und Autobahnen der Großregion Saar-Lor-Lux-Westpfalz-Trier, Stand und Entwicklungsaussichten. Der Ausbau der Autobahn A 8 Karlsruhe–Luxemburg/Les routes et autoroutes dans la Grande Région Saar-Lor-Lux-Palatinat Occidental-Trèves. État et perspectives de développement. La promotion de l’autoroute A 8 Karlsruhe–Luxembourg, Luxemburg 1983 (Dokumente und Schriften des IRI asbl 8/1983).

Schweig, Karl-Heinz, Wechselwirkungen zwischen einem optimierten regionalen Verkehrssystem und der Kooperation der Universitäten (Projekt „ERASMUS“), in: IRI (Hg.), Optimierung der Verkehrssysteme in der Großregion Saar-Lor-Lux-Rheinland-Pfalz, Kolloquium des IRI vom 18. November 1988, Pont-à-Mousson, Luxemburg/Optimalisation des systèmes de transport dans la Grande Région Saar-Lor-Lux-Rhénanie-Palatinat, Colloque d’IRI le 18 novembre 1988, Pont-à-Mousson, Luxemburg 1989 (Dokumente und Schriften des IRI asbl 30/1989).

Landesarchiv Saarbrücken, Bestand Landeskulturverwaltung, Nummer 482.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.