Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Bisttallinie (Bous–Teterchen)

Bahnhofsgebäude Differten, Mittelwiesenstraße, Differten/Wadgassen

Baugeschichte

Die Bahnlinie Bous–Teterchen schloß das östliche Lothringen im Bereich von Bolchen (Boulay-en-Moselle) verkehrstechnisch an das Saarrevier an und verband zugleich das Saartal auf einer zweiten Trasse mit Metz. Der Bau der Strecke wurde durch den Ingenieur Gustav Franke (Saarlouis) angeregt, der sie erstmals im November 1871 in einer Denkschrift als günstigste Alternative für eine verbesserte Anbindung zwischen Trier und Metz propagierte. Die Planungen durch den Metzer Ingenieur Albert Niers begannen am 1. September 1874, verzögerten sich aber aufgrund differierender Prognosen zur Wirtschaftlichkeit und verschiedener Vorschläge für die Einmündungsstelle im Saartal. Die Bauarbeiten begannen im Herbst 1877 mit dem Tunnelbau zwischen Teterchen und Hargarten (Hargarten-aux-Mines). Das Bauunternehmen Robert aus Diedenhofen (Thionville) führte die Arbeiten bis Bous weiter. Im Herbst 1879 waren die Arbeiten inklusive einer Brücke über die Saar fertiggestellt, eröffnet wurde die zunächst eingleisige Bahnlinie am 1. April 1880. 1881 ging der bis dahin privat betriebene Streckenabschnitt Teterchen–Bolchen (Boulay-en-Moselle)–Kurzel (Courcelles-Chaussy) durch Ankauf in Reichsbesitz über. Das Bahnhofsgebäude in Differten wurde 1879–1880 errichtet. Der denkmalgeschützte Bau befindet sich heute in Privatbesitz und wird als Wohnhaus genutzt. Er hat holzverkleidete Obergeschosse, weit vorragende Dächer, reich profilierte Portale und verschiedene Fensterformen. Die Eisenbahnbrücke der Strecke über die Saar bei Bous wurde gegen Ende des Zweiten Weltkrieges von den deutschen Truppen gesprengt und nicht wieder aufgebaut, daher verlief nach dem Krieg die Strecke über Hostenbach nach Völklingen. Mit dem radikalen wirtschaftlichen Strukturwandel der Grenzregion entfiel auf deutscher Seite auch die Bedeutung der Bahnlinie für den Transport von Massengütern, so daß die Bisttallinie Anfang der 1990er Jahre geschlossen wurde.

Regionalgeschichtlicher Kontext

Die vorgeschlagene Strecke auf dem sehr flach ansteigenden Terrain des Bisttales war nicht nur geographisch, bau- und betriebstechnisch sowie militärisch die preiswertere und dauerhaft bessere Wahl gegenüber einer möglichen Trasse über Konz und Diedenhofen (Thionville). Im Einzugsbereich lagen zur Bauzeit auch zahlreiche Industriebetriebe, deren Transportzeiten und -kosten durch diese Strecke verkürzt bzw. gesenkt wurden. Dies betraf besonders die Lieferungen von Kohle aus den Saargruben zu den lothringischen Eisenwerken und die Lieferungen von Minette-Erzen aus Lothringen ins Saarrevier. Ingenieur Franke hatte in seiner Denkschrift außerdem die traditionelle Orientierung des ostlothringischen Raums auf Saarlouis hin betont, die durch eine solche Eisenbahn passend verstärkt werden könne. Die Interessenlagen des lothringischen Bezirkspräsidenten, des Landrates (Kreis Saarlouis), des Stadtrates von Saarlouis, der regionalen Bergwerksdirektion Saarbrücken, der Eisenbahndirektion Saarbrücken und des Militärs trafen befürwortend zusammen mit den Interessen einer privaten lothringischen Eisenbahngesellschaft, die bereits eine Strecke zwischen Kurzel (Courcelles-Chaussy), Bolchen (Boulay-en-Moselle) und Teterchen betrieb und die Konzession für eine Weiterführung bis Merzig anstrebte. Auch im Hinterland des Saarreviers bis hin nach St. Wendel erregte der Plan großes Interesse, da zeitweise diskutiert wurde, eine viel größere Strecke zu bauen, die in Türkismühle oder Birkenfeld auf die Nahe-Bahn treffen sollte. Schließlich kam es jedoch zur Ausführung in der ursprünglichen Form zwischen Teterchen und dem Saartal. Das Projekt wäre jedoch trotzdem gescheitert, wenn das Militär nicht massiv sein Interesse an der Trasse von Bous durch das Bisttal betont hätte.

Bestand ursprünglich wenig Aussicht auf eine Verzinsung des Baukapitals, so gewann die Strecke durch die Entdeckung des Thomas-Stahl-Verfahrens noch während des Baues ungeahnte Bedeutung, weil nun Unmengen von Minette-Erzen zur Stahlerzeugung ins Saarrevier befördert wurden: „Um die Jahrhundertwende wurde die Strecke als gewinnbringendste Bahn Deutschlands bezeichnet. Mengenmäßig gesehen gingen vor dem letzten Kriege mehr als 90% des gesamten Güteraustausches zwischen Deutschland und Frankreich über den Grenzübergangspunkt Überherrn“ (Hoppstädter, S. 150f).

Quellen und weiterführende Literatur

Hoppstädter, Kurt, Die Entstehung der saarländischen Eisenbahnen, Saarbrücken 1961 (Veröffentlichungen des Instituts für Landeskunde, Bd. 2).

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 252.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.