Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
    Druckversion (PDF)    
   

Anne Hahn

Altstadt Saarlouis

In diesem Teil der Stadt nahe dem Zentrum ist das alte französisch-bürgerliche Saarlouis mit seiner quadratischen Straßenanordnung noch deutlich erkennbar. Sie hebt sich insofern von der französischen Militärarchitektur Vaubans ab, als hier viel kleinwinkeliger geplant wurde als bei der Anlage um den Großen Markt mit Kommandantur und Ludwigskirche. Exemplarisch sind hier vor allem die Silberherz-, Weißkreuz- und Alte-Brauerei-Straße, in denen teilweise noch die ursprüngliche Pflasterung und die besonderen Haustypen neben neuen Bauten des 19. Jahrhunderts zu finden sind. Diese älteren Gebäude weisen die gleiche Struktur auf: eine schmale zweigeschossige Häuserfront mit Mansardendach und Gauben und hohe Sprossenfenster mit Lamellenklappläden; sie haben mit der schmalen Haustür und einem zusätzlichen Zugang vom Bürgersteig zum Keller zwei Zugänge und besitzen einen kleinen Hof. Dagegen heben sich die großen Villen und Repräsentativgebäude der sog. Neustadt aus dem 19. Jahrhundert an den Ringstraßen deutlich ab. Sie wurden im Stil des Historismus erbaut, unter Verwendung von Elementen aus Renaissance, Barock und Gotik. Eine weitere Sehenswürdigkeit der Altstadt stellt ein Kasernenbau dar. Die Stadt besaß in französischer Zeit acht Kasernen, die von der preußischen Militärverwaltung übernommen wurden. Diese ließ die französische Kaserne VI zwischen 1866 und 1869 durch ein neues Gebäude ersetzen, ebenfalls zweigeschossig. Seine ungewöhnliche Länge von 185 m zeigt die Bedeutung, die die Festung auch unter der preußischen Regierung als Garnisonsstadt hatte. Bis 1918 diente sie als Kaserne des Infanterieregimentes Graf Werder. Aber schon 1926/1927 zogen Stadtbibliothek und Städtisches Museum ein, die nach einer umfassenden Renovierung in den siebziger Jahren heute dort wieder zu finden sind.

In der Altstadt wurden in unmittelbarer Nähe auch zwei Persönlichkeiten geboren: Marschall Ney und General Paul von Lettow-Vorbeck, welche die enge Verschmelzung der Entwicklung der Stadt sowohl mit französischer als auch mit deutscher Geschichte widerspiegeln. Michel Ney kämpfte als Berufssoldat während der Revolutionskriege und wurde durch Napoleon 1804 zum Maréchal de France ernannt. Nach dem mißglückten Rückkehrversuch Bonapartes und Neys Parteinahme für seinen ehemaligen Kaiser wurde Ney 1815 standrechtlich erschossen. Von Lettow-Vorbeck wurde 1870 in der Silberherzstraße geboren und diente im Ersten Weltkrieg als Kommandeur der „Schutztruppe“ im heutigen Tansania. Für viele wurde er zum Symbol deutscher Kolonialherrschaft in Afrika. 1954 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt ernannt, bevor er 1964 verstarb. Für beide Saarlouiser Persönlichkeiten sind jeweils in der Muttersprache Gedenktafeln an den Geburtshäusern angebracht. Die Silberherzstraße stellt auch eine Verbindung zwischen der Alt- und der Neustadt des 19. Jahrhunderts dar. Mit ersten aufkommenden Entfestigungsplänen wurde über einen Durchbruch dieser Straße diskutiert. Ihre Verlängerung war eine der ersten Maßnahmen, welche die Stadt wegen des wachsenden Bevölkerungsdrucks ergriff. Die im Zweiten Weltkrieg zu großen Teilen zerstörte und anschließend wieder aufgebaute Altstadt repräsentiert somit einerseits den ursprünglichen Festungsbau des 17. Jahrhunderts, sie steht andererseits durch das Projekt Silberherzstraße für den modernen Städtebau des 19. Jahrhunderts.

Quellen und weiterführende Literatur

Bonnaire, Heiner, 300 Jahre Gymnasium am Stadtgarten Saarlouis, Saarlouis 1991.

Hahn, Anne, Die Entfestigung der Stadt Saarlouis, St. Ingbert 2000.

Huber, Traudel, Saarlouis: Beispiel einer barocken Festungsstadt im Vergleich mit Longwy, Landau und Neubreisach, Saarbrücken 1980.

Klitscher, Ernst, Michel Ney, Soldat der Revolution – Marschall des Kaisers, Saarbrücken 1993.

Kretschmer, Rudolf, Die Geschichte der Kreisstadt Saarlouis, Saarlouis 1982.

 

>> zurück zum Seitenanfang

   
   
   
Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.