Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Annette Maas

Bismarcksäule St. Quentin

Rue du Fort, Longeville-lès-Metz

Baugeschichte

Planungen der altdeutschen Bevölkerung in Metz, Bismarck ein Denkmal zu errichten, begannen in dessen Todesjahr 1898 und entsprachen einer zeitgenössisch intensiven Verehrung für den ehemaligen Reichskanzler. Der Grundstein wurde am 1. April 1901, dem Bismarcktag, gelegt. Ein Jahr später konnte am 1. April 1902 die unterhalb der Kuppe des St. Quentin gelegene etwa 14 m hohe Säule mit einer Feuerschale auf dem oberen Abschluß eingeweiht werden. Ein Metzer Architekt hatte das Mauerwerk aus Bruchstein und Zementmörtel mit Hausteinen aus ortsüblichem und kostengünstigem Jaumont-Sandstein verkleidet. In der oberen Hälfte des Schaftes zeigt ein zur Stadt ausgerichtetes Sandsteinmedaillon Bismarck im Porträt, barhäuptig und in Uniform in Anlehnung an den Frankreichfeldzug 1870/1871. Es verweist auf die Augustschlachten um Metz, bei denen Bismarck zugegen war. Der Zugang zur Bedienung der Feuerungseinrichtung erfolgte über eine Wendeltreppe im Innern der Säule. Es handelt sich bei diesem Bismarckdenkmal um die Replik des prämierten Entwurfes „Götterdämmerung“ (1899) von Wilhelm Kreis für die mächtige Bismarcksäule bei Eisenach, die zum Vorbild für ein reichseinheitliches und weit verbreitetes Erinnerungszeichen an Bismarck wurde. Aus militärstrategischen Gründen konnte die Säule nicht unmittelbar auf dem St. Quentin errichtet werden, so daß kein Ausblick auf die nahegelegenen Höhen von Gravelotte mit den Schlachtfeldern vom August 1870 möglich war. Mit dieser Einschränkung ließ sich dennoch von der am Fuße der Säule großzügig angelegten Aussichtsterrasse, flankiert von zwei halbrunden Treppen, ein herrlicher Blick auf die Stadt Metz und das Moseltal genießen. Wie damals im Deutschen Reich üblich, wurde jedes Jahr an Bismarcks Gedenktag in den Abendstunden ein weit sichtbares Dankesfeuer auf der Säule entfacht und am Fuße des Erinnerungszeichens ein Lorbeerkranz niedergelegt.

Nach 1918 wurde die Feuerschale entfernt, die Säule jedoch nicht gestürzt.

Heute ist das Sandsteinmedaillon mit dem Bismarckporträt fast unkenntlich gemacht, vermutlich durch Einschüsse und willkürliche Rasuren. Auch die Säule hat aufgrund der üppigen und hohen Vegetation ihre Funktion als Aussichtspunkt eingebüßt.

Regionalgeschichtlicher Kontext

Die Metzer Bismarcksäule weist mit Blick auf den historischen Kontext der Annexion Elsaß-Lothringens, der herausragenden militärischen Bedeutung der Stadt und ihre Lage in unmittelbarer Grenznähe zu Frankreich einige Besonderheiten auf:

Aus militärstrategischen Sicherheitsbedenken, bedingt durch die Fortanlagen um Metz, konnte die Säule nicht unmittelbar auf die nahegelegene Grenze ausgerichtet werden, sondern zur Stadt Metz hin. Von ihrer geographischen Lage und der Intention der Stifter her handelt es nicht vorrangig um einen dezidierten deutschen Grenzstein. Es wurde in Lothringen kein monumentales, trutziges Bismarck-Bollwerk gegen Frankreich gebaut, wie man es – etwa analog zu dem mächtigen Bismarck-Nationaldenkmal auf dem ebenfalls in Grenznähe und nicht weit von den Schlachtfeldern gelegenen Knivsberg bei Apenrade/Nordschleswig – hätte erwarten können. Die Kosten für die Metzer Bismarcksäule bewegten sich im Vergleich zu anderen deutschen Städten auf einem niedrigen Niveau, die Säule wurde in einer einfacheren Variante ausgeführt, der Stifterkreis beschränkte sich auf die altdeutsche städtische Bevölkerung. Mit der Initiative für eine Bismarcksäule sollte der annektierten Stadt ein zunehmend „deutsches“ Gepräge gegeben werden, man kopierte sozusagen national angemessenes Verhalten. Es zeigt sich deutlich das Bemühen, altdeutsche Kräfte zu sammeln, die mit unterschiedlichen Denkmalsinitiativen wie etwa für Wilhelm I., Friedrich III. und Bismarck sich in einem als fremd empfundenen Umfeld ihrer eigenen Identität versichern wollten. Doch im Gegensatz zur ideologischen und emotionalen Überfrachtung der geradezu mythisch überhöhten „Grenzfeste Metz“ im nationalpolitischen zeitgenössischen Diskurs ist die Bismarcksäule als weiterer Beleg für eine grundsätzlich verhaltene nationale Formensprache auf altdeutscher Seite zu sehen. Generell ist Bismarck nur sehr vereinzelt in der deutschen Denkmalslandschaft in Elsaß-Lothringen vertreten, stieß er doch auf wenig Gegenliebe bei den Annektierten, da er landläufig als Verfechter der Annexion gesehen wurde und persönlich in das Kriegsgeschehen 1870/1871 eingebunden war. Erinnerungszeichen beschränkten sich meist auf Darstellungen des historischen Bismarcks wie etwas in der Gedenkhalle von Gravelotte, am Bismarckdenkmal im lothringischen Hargarten oder als Wappenmedaillon am Kaiserpalast in Straßburg. 1898 wurde seine Bronzebüste im Kollegiengebäude der Straßburger Universität, 1901 die für Elsaß-Lothringen erste Bismarcksäule in der Garnison Morhange (Mörchingen) eingeweiht. 1911 war in Forbach ein Bismarckturm für 1915 projektiert worden.

Quellen und weiterführende Literatur

Maas, Annette, Zeitenwende in Elsaß-Lothringen. Denkmalstürze und Umdeutung der nationalen Erinnerungslandschaft in Metz (November 1918–1922), in: Speitkamp, Winfried (Hg.), Denkmalsturz. Zur Konfliktgeschichte politischer Symbolik, Göttingen 1997, S. 79–108.

Plagemann, Volker, Bismarck-Denkmäler, in: Mittig, Hans-Ernst/Ders. (Hg.), Denkmäler im 19. Jahrhundert. Deutung und Kritik, München 1972, S. 217–253.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.