Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Ölmühle Bischmisheim

Gartenstraße 15a, Bischmisheim/Saarbrücken

Strukturwandel von lokaler Versorgung zu Handelsmühlen

Speiseöl aus Bucheckern, Walnüssen, Mohn oder Raps stellten Tausende von Mühlen in Europa zwischen dem 12. und dem 19. Jahrhundert her. Die Ölfrüchte wurden in Wärmöfen erhitzt, um das enthaltene Wasser zu verdampfen und das Öl in den Pflanzenzellen zu verflüssigen. Dann wurde gemahlen und anschließend das Mahlgut in hölzernen Pressen ausgepreßt. Mit dem Beginn der industriellen Ölherstellung durch große Handelsmühlen im 19. Jahrhundert waren die kleinen Mühlen, die nur für den jeweiligen lokalen Bedarf arbeiteten, wegen Unrentabilität zum Aussterben verurteilt. Dieser wirtschaftliche Strukturwandel spielte sich in ganz Europa ab und läßt sich auch in der Großregion Saar-Lor-Lux verfolgen. Zwar erhöhte sich im Saarrevier zwischenzeitlich bis 1846 die Zahl der Ölmühlen, doch war dies bedingt durch die schwache Konjunktur nach den Befreiungskriegen, die zwischen 1815 und der Errichtung des deutschen Zollvereins (1834) zu vermehrter Frauen- und Kinderarbeit führte, ob als niedrig bezahlte Industriearbeit oder unbezahlte Arbeit des Sammelns von Ölfrüchten. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schlossen auch die letzten dieser Mühlen; die meisten wurden nach der Stillegung abgerissen.

Baugeschichte

Die Bischmisheimer Ölmühle wurde zwischen 1912 und 1945 als Mühle für bäuerliche Direktkunden betrieben. Als Antrieb diente ein Elektromotor, der über Transmission den Kollergang (mit der eigentlichen Ölmühle), die Holzpresse zum Pressen der Ölmaische, eine eiserne Walzenmühle (um 1900, eingebaut 1912) sowie eine außerhalb der Mühle stehende Säge in Gang setzte. Das Mahlwerk der Ölmühle ist wesentlich älter und stammt aus einer stillgelegten lothringischen Mühle; insofern zeugt es von Kleinhandelscharakter zwischen Saarrevier und Lothringen in der Reichslandzeit. Der Wärmofen ist nicht mehr vorhanden. Außer dem Motor, der Walzenmühle und natürlich dem sandsteinernen Mühlstein sind alle technischen Teile aus Holz gefertigt und entsprechen damit noch weitgehend dem Stand der traditionellen Mühlentechnik seit dem Mittelalter. Die denkmalgeschützte Bischmisheimer Mühle ist eines der letzten Beispiele vorindustrieller Technik- und Betriebsformen in der Großregion.

Auffallend ist am Bischmisheimer Beispiel, daß die Mühle erst 1912, nach dem Einsetzen des Strukturwandels, eröffnet und bis 1945 betrieben werden konnte. Dies verweist auf Ungleichzeitigkeiten im Strukturwandel der Großregion und auf das Vorhandensein ökonomischer Räume am Rand des inneren Saar-Industriereviers, wo die Armut besonders groß und eine flächendeckende Versorgung durch Handelsmühlen noch nicht gegeben war. Vermutlich kamen viele Kunden dieser Mühle aus dem nahen Bliesgau, einem bis heute dünn besiedelten Agrargebiet.

Quellen und weiterführende Literatur

Schmitt, Armin, Denkmäler saarländischer Industriekultur. Wegweiser zur Industriestraße Saar-Lor-Lux, 2. Auflage, Saarbrücken 1995, S. 86–87.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 139.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.