Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Historischer Hugenotten-Wanderweg
(Sentier des Huguenots)

Hugenottengemeinden Courcelles-Chaussy, Creutzwald, Villers-la-Croix und Ludweiler/Völklingen; Château d’Urville, Avenue d’Urville, Courcelles-Chaussy; Place du Temple, Courcelles-Chaussy; Château de Landonvillers, Courcelles-Chaussy; Hugenottenkirche, Völklinger Straße 90, Ludweiler/Völklingen; Warndt-Gedenkstein, Freyming-Merlebach

Regionalhistorischer Kontext: Religion und regionale Wirtschaft im 16.–20. Jahrhundert

Die Fluchtbewegung der frankophonen Hugenotten brachte seit dem 16. Jahrhundert soziale, sprachliche und wirtschaftliche Veränderungen in den lothringisch-saarländischen Grenzraum, die bis heute nachwirken. Die hugenottischen Ansiedlungen im Warndt lösten dabei die nachhaltigste Wirkung aus; intensive grenzüberschreitende soziale Beziehungen existieren seit dem 17. Jahrhundert bis heute in diesem Abschnitt der Grenze. Die Hugenotten brachten die Glasindustrie an die Saar, die ihrerseits weitere regionale Wirtschaftsimpulse auslöste. Zusammen mit den frühen Eisenhütten an der Saar wurde die Glasindustrie zur Schrittmacherin des systematischen Abbaus von Saarkohle im 18. und 19. Jahrhundert. Die Glasindustrie blieb bis ins 20. Jahrhundert einer der wichtigsten regionalen Wirtschaftszweige. Die Standortwahl der ersten hugenottischen Glasmacherfamilien für eine neue Ansiedlung in Creutzwald ging über eine rein wirtschaftliche Entscheidung, wie sie im Wandergewerbe der Glasmacher üblich war, weit hinaus. Die freien Handwerker mit ausgeprägtem Standesbewußtsein, deren reichste Vertreter nicht umsonst „gentilhommes verriers“ (Glasedelleute) genannt wurden und zum niederen Adel zählten, wanderten aus einem Territorium ab, sobald das Holz knapp war und die Glashütten geschlossen werden mußten, oder die Landesherren ihnen nicht genug Privilegien boten. Sie zogen stets einen Stamm von Facharbeitern mit sich. Zu dieser Wanderexistenz gehörte es, eine oder mehrere Glashütten am Rande eines Territoriums und bald darauf hinter der Grenze im nächsten Territorium zu gründen, so wie es beispielsweise die Glasmacherfamilie Raspiller tat. Das Buntsandstein-Waldgebiet des Warndt, das am Ostrand des Herzogtums Lothringen begann, bot den reformierten Familien neben einer günstigen Rohstoffsituation für ihr Gewerbe noch einen weiteren wichtigen Vorteil: Von diesem Punkt aus konnte man bei einer eventuellen Verschärfung der lothringischen Konfessionspolitik mühelos in das benachbarte Territorium der protestantischen Grafen von Nassau-Saarbrücken ausweichen. Für den Grafen Ludwig boten die neuen Bürger in Ludweiler ebenfalls Vorteile. Ihr Gewerbe paßte in die (schon unter Graf Philipp III. begonnene) staatlich geförderte Wirtschaftsentwicklung des Warndt. Auch nach der Ansiedlung der Eisenschmelze von Geislautern (1585) sicherte Graf Ludwig 1605 den dortigen calvinistischen Arbeitern religiöse Freizügigkeit zu. Die Untertanenzahl zu erhöhen und wirtschaftlich produktive Menschen ins Land zu holen entsprach der zeitgenössischen merkantilistischen Wirtschaftspolitik. Mit der Ansiedlung von Glasmachern wurde die wirtschaftliche Bandbreite der eisenverarbeitenden Betriebe im Warndt um Flach- und Hohlglasproduktion erweitert. Ludweiler behielt für anderthalb Jahrhunderte die Rolle eines religiösen Zentrums für alle im Warndt beiderseits der Grenze lebenden frankophonen Reformierten.

„Résistez!“ Spuren einer Religionsflucht des 16. und 17. Jahrhunderts

Seit Mitte des 16. Jahrhunderts hatten Familien aus allen Schichten der lothringischen Gesellschaft das Herzogtum verlassen, einige wanderten in Richtung Nassau-Saarbrücken und siedelten sich hier in sogenannten „welschen Dörfern“ des Krummen Elsaß an. Der Weg der Hugenotten von Frankreich nach dem heutigen Saarland läßt sich im Rossel- und Bisttal, d.h. im Warndt diesseits und jenseits der heutigen Grenze, besonders eindrucksvoll verfolgen. In diesem Landstrich ließen sich seit 1601 viele Menschen französischer Sprache und reformierter Konfession nieder, die ihres calvinistischen Glaubens wegen ihre Heimatorte in Frankreich und dem Herzogtum Lothringen verlassen mußten. Mit einer Verschärfung der Situation war jederzeit zu rechnen, da die lothringischen Herzöge eine noch rigidere Religionspolitik verfolgten als die französischen Könige – das Toleranzedikt von Nantes galt weder in Lothringen noch im damals mit ihm vereinigten Herzogtum Bar. Dagegen übten die Grafen von Nassau-Saarbrücken eine relativ liberale Religionspolitik aus. Nach dem Separatfrieden Lothringens mit Frankreich (1659) wurden die lothringischen Hugenotten zunehmend unter Druck gesetzt, ihre Lage verschärfte sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts stetig. Das Revokationsedikt von Fontainebleau (Oktober 1685) hob das Toleranzedikt von Nantes (1598) auf, untersagte ihnen endgültig die öffentliche Religionsausübung, befahl die Zerstörung ihrer Kirchen und die Auswanderung ihrer Pfarrer, verbot zugleich den übrigen Gemeindemitgliedern unter Androhung schwerer Strafen die Auswanderung. Der Besitz von schon Geflüchteten wurde konfisziert, es sei denn, sie kehrten innerhalb von vier Wochen zurück. Die Hugenotten, deren Motto „Résistez!“ (Widersteht!) ihre soziale Gruppe innerhalb der feindlich gesonnenen Umwelt stets zusammengehalten hatte, entschlossen sich zur Massenflucht. Als die Hugenotten aus Metz und Umgebung in der Nacht vom 21./22. Oktober 1685 aufbrachen, um über Deutschland nach Holland zu fliehen (Luxemburg und Belgien gehörten zu den Spanischen Niederlanden), siedelten sich einige aus Courcelles kommende Familien in Ludweiler an. Die Hugenottenverfolgung betraf inzwischen jedoch auch die Grafschaft Saarbrücken, die während der Reunionskriege von Frankreich okkupiert worden war (1680). Ab 1686 wurde in der Saarprovinz diese repressive Konfessionspolitik aber nicht mit der gleichen Brutalität umgesetzt wie im restlichen Frankreich und in Lothringen. 1687 erließ der französische Intendant der Saarprovinz ein Edikt, das den Hugenotten Religionsfreiheit für die nächsten zehn Jahre zusicherte. 1697 fiel Nassau-Saarbrücken im Frieden von Rijswijk wieder an das deutsche Kaiserreich. Für die französischen Hugenotten entspannte sich die Lage ab den 1730er Jahren; dem entsprach das Toleranzedikt von Versailles (1787). Erst die französische Revolution verschaffte den Hugenotten völlige Bewegungsfreiheit.

Baugeschichte: Historischer ökumenischer Wanderweg

Der Wanderweg folgt dem 50 km langen Fußweg, welchen die Einwohner von Courcelles in der Zeit zwischen 1685 und 1787 jedes Jahr im September heimlich zurücklegten, um wenigstens einmal im Jahr in Ludweiler einen öffentlichen Gottesdienst mit Abendmahl besuchen zu können sowie Trauungen und Taufen durchführen zu lassen. Der ausgeschilderte Weg, teilweise identisch mit der einstigen Römerstraße zwischen Metz und Saarbrücken, beginnt an der Kaiserkirche von Courcelles-Chaussy und endet an der evangelischen Kirche in Ludweiler. Er führt über Vadoncourt, Bannay (Bizingen), Brouck (Bruch), Narbéfontaine (Memersbronn), Boucheporn (Buschborn), Kleindal, Moulin de l’Ambach (Ambacher Mühle), zum Warndtweiher und nach Ludweiler. Der Conseil Protestant de la Région Messine hat diese Wanderung erstmals 1986 unter der Bezeichnung „Marche Marie Dubois – Wanderung Marie Dubois“ durchgeführt und seither als ständige ökumenische Einrichtung beibehalten.

Courcelles-Chaussy

Chaussy war seit dem 13. Jahrhundert eine eigene Pfarrei im Metzer Bistum. Nach der Übergabe von Metz an Frankreich (1552) wurde es zum Zentrum der Hugenotten in Lothringen und zur kulturellen Hochburg. 1560 ließ sich der hugenottische Baron de Clervant als Grundherr in Chaussy nieder, der später in den Hugenottenkriegen fiel. Der erste Treffpunkt der Hugenotten in Chaussy war das Herrenhaus „Le château“ (Rue Maréchal Leclerc); heute ist ein Altenheim darin untergebracht. Der Weiler Pont-à-Chaussy, das Schloßgut Urville und der Hof Mesnils wurden im Jahr 1812 mit der an der Französischen Nied gelegenen Gemeinde Courcelles vereinigt. Im frühen 19. Jahrhundert wurde ein hugenottischer Tempel errichtet, der am Ortsrand nahe dem heutigen Altenheim stand. Er wurde 1895 durch die von Kaiser Wilhelm II. finanzierte Kaiserkirche ersetzt. Zusätzlich ließ das Kaiserpaar in dem damals Kurzel oder auch Kaiserkurzel genannten Ort ein „Wilhelm-Viktoria-Stift“ als Altersheim errichten. Das alte Schloß in Kurzel wurde auf Veranlassung des Kaiserpaares umgebaut und erweitert, um unter der Bezeichnung „Auguste-Viktoria-Stift“ als Erziehungsanstalt für evangelische Mädchen zu dienen. Ein protestantisches Pfarrhaus gegenüber der Kirche wurde mit Zuschüssen des Kaisers, des Reiches und des im nahen Landonvillers ansässigen deutschen Großindustriellen Dr. John von Haniel finanziert. Der Bau aus dem Jahr 1905 wurde 1992 renoviert.

Schloß Urville bei Courcelles-Chaussy

Das von einem großen Park umgebene Schloß Urville, 15 km von Metz entfernt, gehörte ursprünglich den Herren von Urville, später zu Rollingen und danach zu Kriechingen (Créhange). Der dreigeschossige Bau aus dem 16. Jahrhundert mit Walmdach und vier vorspringenden Ecktürmen war Anfang des 19. Jahrhunderts durch eine neoklassizistische Vorderfront und an der Gartenfront durch einen dreiseitigen Vorbau ergänzt worden. 1890 bot der damalige Besitzer es zusammen mit den Pachthöfen Mesnils und Pont-à-Chaussy zum Verkauf an, um nach Frankreich auszuwandern und sich dort dauerhaft niederzulassen; die Gebäude gingen am 15. Juli 1890 in kaiserlichen Besitz über. Das Schloß wurde von Wilhelm II. baulich verändert: Die Ecktürme wurden um jeweils ein halbes Geschoß erhöht, um dem Bau mehr Wirkung zu verleihen, und an der Front brachte man das kaiserliche Wappen an. Die Innenräume wurden neu geschnitten und vorwiegend mit Möbeln aus lothringischer Produktion eingerichtet. In Abwesenheit der kaiserlichen Familie konnte das Schloß besichtigt werden. Für den Hofstaat und die Dienerschaft wurden zusätzliche Gebäude erstellt: Das Schweizerhaus als Wohnhaus der Prinzen und der Kabinettschefs, das Familienhaus für die Dienerschaft. Im Familienhaus waren auch eine Post- und Telegraphenstation untergebracht. 1918 wurde das Schloß enteignet. Aus dem im Kaiserreich angelegten landwirtschaftlichen Musterbetrieb ging eine regionale Landwirtschaftsschule (Lycée agricole d’État) hervor, die in ganz Lothringen bekannt und im Schloß untergebracht ist.

 

Laurent Commaille

Le temple de Courcelles-Chaussy

Le temple de Courcelles-Chaussy est un monument dont l’importance dépasse celle d’un simple édifice cultuel de village. Il matérialise en effet le lien existant entre l’histoire du protestantisme mosellan, l’histoire religieuse de l’Allemagne et des Hohenzollern et l’intégration du Reichsland dans le nouvel Empire. Sa localisation n’est pas le fruit du hasard ; Courcelles-Chaussy est une enclave protestante du Pays messin. Après la Révocation de l’Édit de Nantes, c’est souvent là que se regroupèrent clandestinement les réformés messins qui voulaient gagner les terres protestantes de l’Empire, en passant par Ludweiler. En s’implantant à Courcelles-Chaussy, en 1890, par l’achat de la terre et du château d’Urville (achetés au prix fort), Guillaume II marque ainsi son attachement à la Terre d’Empire mais aussi à l’histoire des huguenots messins dont près de 4000 furent accueillis à Berlin à la fin du XVIIe siècle, favorisant le décollage de la ville et renforçant la dynastie calviniste dans un environnement majoritairement luthérien. Courcelles-Chaussy possédait déjà un temple, achevé en 1839, de facture classique, très dépouillé. Le nouveau temple, dont la construction est décidée (et financée) par l’Empereur en 1894, est implanté près du lieu-dit « Trou des Huguenots ». Il est officiellement inauguré à la date symbolique du 17 octobre 1895. Construit par l’architecte Tornow, qui a édifié le nouveau portail de la cathédrale de Metz (avec statue de Guillaume II sous les traits du prophète Daniel), il est de style néogothique. Son plan centré et ses galeries en font, comme celui de Rombas, un des temples contemporains les plus proches de l’esprit du culte réformé. L’Empereur pouvait accéder directement à sa place réservée, dans une alvéole aux carreaux de faïence décorés d’aigles (fabriqués par Villeroy et Boch à Mettlach) par sa propre entrée, près du chœur. Le décor, très simple, met en valeur le travail du bois de la chaire, des galeries et des bancs.

 

Gerhild Krebs

Schloß Landonvillers

Unmittelbar bei Courcelles-Chaussy liegt das ehemalige Schloß und Gutshof von Landonvillers, ein Châtelet aus dem späten 18. Jahrhundert. Der westfälische Großindustrielle Dr. John von Haniel aus Moers/Niederrhein erwarb 1891 das Anwesen und baute das Schloß 1903 durch Anfügen eines Flügels im Stil der Neorenaissance um. Zwischen 1904 und 1906 ließ Haniel von Bodo Ebhardt, dem Architekten der Hohkönigsburg und Burgenforscher, einen weiteren Anbau für 300000 Mark in Form eines quadratischen neoromanischen Wohnturms errichten, der „nach Art der Bergfriede deutscher Burgen“ gestaltet und stilistisch „den künstlerischen Idealen der deutschen Architektur des Mittelalters und der Renaissance“ (Ebhardt zitiert nach Wilcken, S. 331) entsprach. Der 35 m hohe Bergfried aus rötlichem westfälischem und Eifel-Sandstein (aus Büren bzw. Kyllburg) mit zwei Kellergeschossen, vier Hauptgeschossen, einer zinnengekrönten Aussichtsplattform und steinernen Dachpyramide beherrscht seine Umgebung und bietet ungehinderte Aussicht, u.a. bis nach Urville. Die massive Bauart des Turmes nach Art authentischer Burgen schuf rund drei Meter tiefe Fensternischen, wie sie in mittelalterlichen Wohntürmen existiert hatten; die Bibliothek war einer mittelalterlichen Tradition gemäß im obersten Stockwerk eingerichtet. Das Schloß war mit einem weitläufigen Park umgeben, zu dem der Gutsbetrieb gehörte. Der Besitz wurde 1918 enteignet.

Creutzwald und Villers-la-Croix

Im Jahre 1601 kaufte der reformierte Glashüttenbesitzer Louis de Condé am westlichen Rand des Warndt ein Waldstück und errichtete hier mehrere Glashütten, aus denen sich ab 1618 die Siedlungskerne der heutigen Dörfer Creutzwald und Villers-la-Croix entwickelten. Im heutigen Creutzwalder Ortsteil Wilhelmsbronn wurde eine reformierte Kirche errichtet. Sie wurde 1685 von französischen Truppen niedergebrannt, obwohl das Revokationsedikt im Herzogtum Lothringen formell nicht galt. Von Creutzwald aus verhandelte die Sippe de Condé mit der Kanzlei der Grafen von Nassau-Saarbrücken um günstige Ansiedlungsbedingungen auf deren Gebiet, die zwischen Frühjahr und Mitte 1604 gewährt wurden. Daraufhin zogen insgesamt zwölf Familien, unter ihnen zwei Familien de Condé, in das Gebiet des späteren Ludweiler. Der einflußreiche Hüttenbesitzer Karl von Wendel gab Creutzwald durch die Errichtung einer Eisenhütte im 19. Jahrhundert ein anderes Gesicht. Die industrielle Prägung des Ortes wurde durch eine Kohlengrube noch verstärkt. Hier waren auch viele saarländische Bergleute tätig.

Ludweiler

Ludweiler wurde von zwölf reformierten Familien aus Creutzwald um Daniel und Osias de Condé gegründet (zwischen 3. April und 8. Juni 1604). Es ist die älteste hugenottische Neugründung auf linkshreinischem deutschem Gebiet und einzige Gründung einer französisch-reformierten Pfarrgemeinde im Saarland. Die Ansiedler in Lud(wigs)weiler waren rechtlich besser gestellt als die meisten alteingesessenen Einwohner der Grafschaft Saarbrücken. Die Zuwanderer blieben zunächst in der Glashütte von Creutzwald tätig. Sie durften laut Niederlassungsprivileg des Grafen Ludwig von Nassau-Saarbrücken ihre Religion frei ausüben und eine Kirche mit Pfarrhaus errichten. Ein reformierter französischsprachiger Pfarrer wurde ihnen zugestanden, der vom Landesherren angestellt wurde. 1605 wurde Barthelmy du Cloux aus Metz als Pfarrer in dem neuen Dorf tätig. 1616 errichtete der Glashüttenbesitzer Jean Jacques de Thiétry (aus der Gegend von Darney, Südlothringen) die erste Glashütte in Ludweiler, zugleich die erste in der Grafschaft Nassau-Saarbrücken. Der Glasverkauf wurde durch die Brüder Johann und Peter Asslinger (Asselain) von St. Avold im südlichen Warndt aus über Holland organisiert.

Die Entwicklung des 350–400 Einwohner starken Dorfes wurde 1635 durch den 30jährigen Krieg gewaltsam unterbrochen, als im Grenzraum französische und schwedische Verbände gegen kaiserliche und lothringische kämpften. Die Ludweiler flohen wie ihre Landesherren zeitweise nach Metz; viele kehrten nie zurück. Nach 1660 lebten in Ludweiler vorwiegend frankophone reformierte Neubürger aus Metz und seinem Umland sowie schweizerische Reformierte aus dem Berner Oberland. Die neuen Bürger waren nicht mehr nur Glasmacher, sondern übten eine breite Palette von Berufen aus. Das Edikt von Fontainebleau (1685) galt formell an der Saar zwar nicht, weil das Edikt von Nantes (1598) hier auch nicht gegolten hatte, dennoch wurde die reformierte Kirche in Ludweiler wie die im nahen Wilhelmsbronn von französischen Truppen niedergebrannt und der Ludweiler Pfarrer zur Auswanderung gezwungen (November 1685). Einen eigenen Pfarrer erhielt Ludweiler erst wieder ab 1720 mit Jean Pierre Guiffardière, dem Schwiegersohn eines deutschen reformierten Pfarrers aus der Pfalz; ihm folgten später deutschsprachige Pfarrer. Nach den 1730er Jahren kamen aus Frankreich oder dem Herzogtum Lothringen keine Glaubensflüchtlinge mehr nach Ludweiler. Aufgrund der französischen Sprache und der reformierten Konfessionszugehörigkeit blieb Ludweiler religiös fast homogen, nur wenige Lutheraner und Katholiken lebten im Dorf. Ludweiler war das religiöse Zentrum für das gesamte Ostlothringen und Saarlouis, von wo reformierte schweizerische Söldner der französischen Garnison zum Gottesdienst kamen. Darüber hinaus war es bis zur Gründung der reformierten Saarbrücker Pfarrgemeinde (1747) und der Fertigstellung der dortigen Friedenskirche (1751) auch religiöses Zentrum für Saarbrücken und St. Johann. Die zunächst französischsprachigen Gottesdienste wurden in Ludweiler bereits Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend um Gottesdienste in Deutsch ergänzt, da sich die Ludweiler Bevölkerung sprachlich zu assimilieren begann und die Reformierten aus Saarbrücken, Geislautern, Naßweiler wie auch die schweizerischen Soldaten aus Saarlouis kein Französisch verstanden. Während der 1794 beginnenden Amtszeit von Pfarrer Zimmermann (gestorben 1840) wurde Deutsch allmählich einzige Predigtsprache. Die französische Sprache der einstigen Zuwanderer, zuletzt ein rudimentäres Patois (ungrammatisches bzw. dialektal gefärbtes Französisch), war Mitte des 19. Jahrhunderts bereits weitgehend verschwunden, da Ludweiler seit 1815 zu Preußen gehörte und die Unterrichtssprache seither Deutsch war. Ende des 19. Jahrhunderts arbeiteten die meisten Männer aus Ludweiler in den Kohlengruben von Geislautern und Kleinrosseln (Petite-Rosselle). Die reformierten Traditionen hatten sich in einem Assimilierungsprozeß an die lutherischen Traditionen und deren Bekenntnis ebenfalls aufgelöst, einzig das Abendmahl mit ungesäuertem Brot und Rotwein hat sich in Ludweiler bis heute gehalten. Durch den historisch interessierten Pfarrer Friedrich Mohns (Amtszeit 1936–1974), selbst hugenottischer Herkunft, wurde das Geschichtsbewußtsein der heutigen Pfarrgemeinde Ludweiler wiederbelebt. Im Jahr 2000 wurde am Ortsrand von Freyming-Merlebach, wenige Meter von der saarländischen Grenze, in Anwesenheit von saarländischen und lothringischen Politikern ein Gedenkstein zur Erinnerung an die grenzüberschreitende 1000jährige Geschichte des Warndt enthüllt.

Hugenottenkirche Ludweiler

Die im Jahre 1786 neu errichtete Kirche nach Plänen von Balthasar Wilhelm Stengel war der vierte reformierte Kirchenbau an derselben Stelle in Ludweiler. Die schlichte, heute denkmalgeschützte Saalkirche mit drei Fensterachsen auf den Längsseiten und zwei auf den Schmalseiten wurde giebelständig mit Glockentürmchen zur Straße erbaut. 1876/1877 wurde ein großer Glockenturm vor den Giebel gesetzt und damit der ursprünglich schlichte, streng calvinistische Ausdruck der Kirche gemildert.

Quellen und weiterführende Literatur

Choux, Jacques, Dictionnaire des châteaux de France – Lorraine, Paris 1979.

Herrmann, Hans-Walter, Die Hugenottengemeinde Ludweiler, Bad Karlshafen 1998 (Geschichtsblätter der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft e.V., Bd. 30).

Ders., Lothringen, Geschichte eines Grenzlandes, Saarbrücken 1983.

Mallmann, Klaus-Michael, „Maria hilf, vernichte unsere Feinde“. Die Marienerscheinung von Marpingen 1876, in: Mallmann, Klaus-Michael/Paul, Gerhard u.a. (Hg.), Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815–1955, 2. Auflage, Bonn 1988, S. 48–50.

Weinen, Alexander (Red.), Heimatkundlicher Verein Warndt e.V. (Hg.), Der Hugenottenweg/Sentier des Huguenots 1598–1685, Warndt 1994.

Wilcken, Niels, Architektur und Stadtplanung im Grenzraum – Das öffentliche Bauwesen in Elsaß-Lothringen im Kaiserreich (1871–1918), Bd. 2, Kiel 1998, S. 326–328. Die Verfasserin dankt an dieser Stelle Herrn Dr. Wilcken für seine Unterstützung.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.