Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Königin Luise von Preußen in Saarbrücken

Luisenbrücke und Luisenviertel, Luisenbrunnen, Altneugasse 24–28, sowie Wettersäule, Ludwigsplatz, Saarbrücken

Baugeschichte

Der Grundstein zur Luisenbrücke, benannt nach der preußischen Königin Luise, wurde 1863 gelegt. Erbaut wurde sie 1865–1866 als eiserne Brücke mit südlichem Zollhaus für den Brückenzoll. Sie war die zweite Fuß- und Fahrbrücke zwischen den Saarstädten Saarbrücken und St. Johann und erfüllte in der Stadtentwicklung zur Großstadt Saarbrücken eine zentrale Funktion: Als Verbindung der heutigen Eisenbahnstraße (damals Bahnhofstraße) mit dem neuen Bahnhof verkürzte sie den Weg der Bevölkerung aus Saarbrücken zum Verkehrszentrum in St. Johann. Bis zum Bau der Kaiser-Friedrich-Brücke wurde die Luisenbrücke einfach nur Neue Brücke genannt. Auch die heutige Ursulinenstraße in der Saarbrücker Vorstadt hieß anfangs Luisenstraße. Am linken Saarufer schloß sich seit 1876 an die Luisenbrücke ein öffentlicher Park an, Luisenanlage oder Luisengarten genannt. Bereits um 1900 entstand zwischen Stengelstraße und Saarufer angrenzend an den Park das Luisenviertel. In der Luisenanlage wurde 1912 der Luisenbrunnen aufgestellt, eine neobarocke Brunnenanlage des Bildhauers August Kuhn mit der Inschrift: „Dem Andenken Preußens edler Königin“. Der Saarbrücker Verschönerungsverein unter Vorsitz des Apothekers Beck widmete Luise den Brunnen zum 100jährigen Jubiläum ihrer Intervention bei Napoleon und vollendete damit das Gedenk-Ensemble. Ab 1918 wurden die Namen von Brücke und Park in Louisenbrücke bzw. Louisenanlage geändert und diese französische Schreibweise bis 1935 beibehalten. Die Luisenbrücke wurde 1945 kurz vor Kriegsende von den deutschen Truppen gesprengt, 1948 in Stahl und Beton in veränderter Form wieder aufgebaut sowie 1962 wegen des Autobahnbaues weiter verändert. Nur ihr Name ist geblieben. Die historische Bausubstanz des Luisenviertels wurde größtenteils im Zweiten Weltkrieg zerstört. Nur der Name des Viertels ist noch erhalten, wird aber immer weniger benutzt. Sein Ursprung in der Benennung der früheren Parkanlage gerät mittlerweile selbst in Saarbrücken allmählich in Vergessenheit. Die Luisenanlage wurde durch den Autobahnbau 1962/1963 restlos zerstört. Eine Wettersäule, die ebenfalls als Schmuck im Park gestanden hatte, fand am Rand des Ludwigsplatzes einen neuen Standort; ihr früherer baulicher Zusammenhang mit der Luisenanlage ist heute weitgehend unbekannt. Der Luisenbrunnen wurde 1986/1987 in der Altneugasse anstelle abgerissener Häuser des barocken Saarbrücken aufgestellt. Er ist das letzte materiell erhaltene Stück der nach Luise benannten baulichen Elemente in der erweiterten Saarbrücker Altstadt.

Regionalhistorischer Kontext

Die preußische Königin Luise (1776–1810), 34jährig verstorben bei der Geburt ihres zehnten Kindes, wurde in Preußen nationalistisch verklärt. Man verehrte sie als Mutter der Nation und Vorbild für die deutsche Einheit, seit sie sich 1807 in Tilsit durch einen Besuch bei Napoleon I. erfolglos gedemütigt hatte, um im Rahmen der Friedensverhandlungen zwischen Preußen und Frankreich um einen erträglichen Frieden für Preußen zu bitten. Die Entstehung des Gedenk-Ensembles erklärt sich aus den Ergebnissen des 1. und besonders des 2. Pariser Friedens (1814 bzw. 1815), in dessen Gefolge das westliche Saarland und heutige Saarbrücken an Preußen, das östliche Saarland an Bayern gefallen waren. Die zunächst kleine preußentreue Gruppe innerhalb der Bürgerschicht Saarbrückens und St. Johanns wurde wesentlich größer nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871, der in den bürgerlichen Kreisen der Saarstädte einen nationalen Identitätsschub auslöste. Neben den vielen als Helden verehrten Männern im Pantheon der wilhelminischen Gesellschaft eignete sich die – zeitgenössischen Berichten zufolge sehr schöne – Königin und Mutter des Kaisers Wilhelm I. als nationale Identifikationsfigur für Frauen. In der Zeit des Nationalsozialismus versuchte man die preußische Tradition des Gedenkens an Luise auch für die eigene Heldenverehrung zu nutzen. Die Ursulinenschule, damals einziges Mädchengymnasium Saarbrückens, wurde 1938 in Königin-Luise-Schule umbenannt. Wie seinerzeit in Preußen ließ sich der Mythos Luise in der Mischung von Demut, Mutterschaft, Opferbereitschaft und Schönheit als vermeintlich typisch weibliche Heldin in die nationalsozialistische Selbstdarstellung einfügen.

Quellen und weiterführende Literatur

Bauer, Ruth/Maaß, Karin (Hg.), Frauenwege in Saarbrücken, Historische Stadtrundgänge, Saarbrücken 1999ff.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 128, 285.

Wittenbrock, Rolf, Die drei Saarstädte in der Zeit des beschleunigten Städtewachstums (1860–1908), in: Ders. (Hg.), Geschichte der Stadt Saarbrücken, Bd. 2, Saarbrücken 1999, S. 11–130, dort S. 28–33.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.