Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Roger Seimetz

Kirchberg-Plateau, Luxemburg

Baugeschichte

Städtebauliche Erschließung des Stadtteils Kirchberg: Architektonisch-urbanistische Detailgestaltung mit Verdeutlichung der institutionellen Funktion. Angestrebte Wirkung: Ein klares Profil zeichnet sich ab unter bauherrlicher Planung und Gestaltung des Fonds d’urbanisation et d’aménagement du Plateau du Kirchberg (Établissement public – öffentlich-rechtliche Institution seit dem 7. August 1961).

Baugestalt

Ideelle Gestaltung als zufahrts- und anbaufreier Platz 360 ha im Nordosten der Stadt. Auftakt im Nordosten: Kreiselverkehrspunkt mit zeichensetzendem, die Industrie als dem Land Luxemburg förderlichem Merkmal des amerikanischen Bildhauers Richard Serra (Außenskulptur Exchange, 20,20 m, sieben Cor-Ten-Stahlplatten zu je 37,5 t); im Südwesten: Pont Grande-Duchesse Charlotte (Rout Bréck – Rote Brücke). Weitere Kunstwerke (als permanent präsenter Dialog zwischen Architektur und Skulptur): Jeannot Bewing, Jean Dubuffet, Liliane Heidelberger, Hubert Hermann & François Valentiny (Architekten Österreich-Luxemburg), Bertrand Ney, Marta Pan, A. R. Penck, Carl F. Reuterswärd, Ulrich Rückriem, Frank Stella, Lucien Wercollier.

Architektur: Pont Grande-Duchesse Charlotte, Bâtiment Tour (Héichhaus bzw. Hochhaus), Bâtiment Robert Schuman, Hémicycle. Die Gestaltung einer funktionalistischen Stadt ist kybernetisch zu sehen, d.h. unter Beachtung aller Zusammenhänge und in vergleichender Betrachtung der Städtebaugesetzmäßigkeiten im Ablauf von Steuerungen und Vorgängen in architektonischer, urbanistischer und soziologischer Gestaltung. Viel Grün verbessert die ruhige Wohnlichkeit. Das Verdrängen des Durchgangsverkehrs aus dem Ensemble der Institutionen ist schlecht möglich, die Geräuschbelästigung ist allerdings durch Schallschutzzonen reduzierbar und wird im Wohngebiet erreicht durch Verringerung der Geschwindigkeit, durchgrünte Einfriedung, Schleifenstraßen, Materialwechsel bei Fahrbahnen, Profilverengung, fahrdynamische Hindernisse, Aufpflasterung und Tempo-Limit-Semiotik. Angestrebte Wirkungen sozio-anthropologischer Grundlagen werden über Komplexe stadtbildprägender Prozesse analysiert und in die architektonisch-urbanistische Realität umgesetzt (Beweglichkeit/Bereitschaft zur Ortsveränderung; Besetzen/massive bauliche Verdichtung durch steigende Parzellierung; Aufrichten/Segregation des Europäischen Stadtteils in abgesondertem Areal, Bauwerke als Träger der Europa-Identität, darunter in besonderer Position das Bankwesen). Die Standortwahl ist für den Erfolg einer geplanten Maßnahme von entscheidender Bedeutung; Fehlentscheidungen müssen mit viel Geld nachgebessert werden.

Bauliche Veränderung

Der erste Durchbruch der europäischen Idee in den fünfziger Jahren brachte ein zukunftsbezogenes, europaorientiertes Renommierbedürfnis mit sich, verwirklichte die anfängliche Städteplanung allerdings ohne Berücksichtigung eventuell eintretender Verdichtung des Siedlungskörpers, welche im Laufe des zunehmenden Verstädterungsprozesses eine starke Ausdehnung der „europäischen Siedlung“ zur Folge hatte. Erste Erschließung abgeschlossen 1975; Neuorientierung der urbanistischen Planung 1982 – beratende Teams: 1991 Christian Bauer, Jochen Jourdan und Bernhard Müller; Peter Latz und Kaspar König; Robert Joly (Gesamtplan der Stadt Luxemburg); Instandsetzung Quartier Kiem, Quartier Grünewald, Quartier européen sud, Quartier du Parc, Quarier européen nord. Architekten: Georges Reuter, Bohdan Paczowski, Paul Fritsch, Claude Schmitz, Perry Weber, Marc Ewen, Jos Dell, Gottfried Böhm, Richard Meier, Wilhelm Kücker, Ballini – Pitt & Partners, Atelier 5, Théo Worré, Conny Lentz, Jo Schiltz, F. Fabeck, P. Schumacher, Latz & Partner, Pierre Bohler, Jim Clemes, Jacques Wirtz, Paul Müller, Bellon & Sobotta, Gubbini & Linster, Jean-Paul Conzemius, Jean Herr, Gilbert Huyberechts, Flammang & Linster, Groupe Tetra, incopa, atelier a + u, Architektbyran, Isabelle van Driessche, Denys Lasdun, Architecture et Environnement, Witry & Witry, Roger Taillibert, Paul Bretz, Carlo Kerg, Martin Ewen, Paul Noël, Kuhlmann-Biro-Biro-Wieland, De Architecten Cie, PBPartners, Architecture, Van den Valentyn – Pionierbauten im peripheren, polyzentrischen Stadbereich. Zusätzliche Planungen der Kirchberg-Verstädterung: Ricardo Bofill, Jochen Jourdan, Saskia Sassen, Hans Hollein, Karin Billy, Paul Katzberger, Klaus Kada, Michael Loudon, Zaha Hadid, Jean Petit, Herr & Huyberechts, Rem Koolhaas, Claude Vasconi, Hermann & Valentiny, Paczowski & Fritsch, Dominique Perrault, Léon Krier; Einbeziehung in die Planungsarbeit des BTB (Bus Tram Bunn/Bahn)-Projekt, kulturelle Synergie rund um das Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean (Ieoh Ming Pei) und das Haus der Philharmonie (Chr. de Portzamparc). Ziel: Symbiose von Landschaft und Architektur.

Historischer Zusammenhang

Die syntagmatische Beziehung von Stadtzentrum und Peripherie im Spiegel des Stadtbildungsprozesses als Standort einiger europäischer Institutionen und Bankinstitute (Nachfrage von Verwaltungs- und Dienstleistungsflächen drängt ab 1958 zu Neuorientierung) öffnet in- und ausländischen Investoren, Promotoren und Architekten ein Maßstabfenster für neue Architekturparameter (einschließlich ihrer europolitischen und -finanziellen Zielsetzung).

Quellen und weiterführende Literatur

Berger, Rolf und Eva, Bauwerke betrachten, erfassen, beurteilen, Augsburg 1999.

Neufert, Peter, Bauentwurfslehre, Braunschweig/Wiesbaden 1992.

Nottrot, Ina, Von der grünen Wiese zur Stadt (Fonds d’Urbanisation et d’Aménagement du Plateau du Kirchberg), Luxemburg 1998.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.