Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Rolf Wittenbrock

Deutsch-Französisches Gymnasium Saarbrücken

Halbergstraße 112, Saarbrücken

Das Deutsch-Französische Gymnasium wurde 1949 auf dem Gelände der ehemaligen Ulanen-Kaserne zwischen Halbergstraße und Mainzerstraße errichtet. Bis 1961 waren die Gebäude und zugehörigen Anlagen das Domizil des französischen „Lycée Maréchal Ney“. Im Auftrag der französischen Militärregierung schuf der aus Marseille stammende Architekt Pierre Lefèvre die Pläne zu dem Schulneubau. Lefèvre gehörte zu der Architektengruppe um Georges-Henri Pingusson, die seit 1946 im Auftrag des französischen Gouverneurs maßgeblich am Wiederaufbau der zerstörten Städte im Saarland beteiligt war. Sowohl der bereits 1949 errichtete langgestreckte Neubau entlang der Halbergstraße als auch der 1953/1954 erbaute vierstöckige Quertrakt wurden von Lefèvre konzipiert. Ferner entstanden 1954 auf dem Schulgelände eine große Turnhalle, ein Internat sowie ein Wohnhaus für das Verwaltungspersonal.

Der in fünf Jahren vollendete Schulneubau ist in seiner architektonischen Ausbildung ein Beispiel für die klassisch-rationale Architektur der Moderne, wie sie in Frankreich vor allem von Le Corbusier propagiert wurde. Zwischen den beiden unterschiedlich hohen, rhythmisch gegliederten Gebäudetrakten entlang der Halbergstraße liegt im Eingangsbereich der Schule ein Mitteltrakt für die Verwaltung. Der später entstandene östliche Querbau mit vier Stockwerken bildet in seinem Bauvolumen einen Kontrapunkt zu den älteren Bauteilen, die nur zwei- bzw. dreistöckig sind. Allerdings sind alle Bauteile durch eine homogene Fassadengestaltung und die Flachdachkonstruktion zu einer Einheit verschmolzen. Charakteristisch für das Gestaltungskonzept sind die großen Fensterflächen der nach Süden, Osten und Westen exponierten Klassensäle, die – in zur Entstehungszeit bahnbrechender Weise – den Zutritt von Licht und Luft ermöglichten und damit den Maximen der architektonischen Moderne Rechnung trugen. Dementsprechend sind die übrigen Bauteile der Fassaden, die Rippen, Riegel und Stützen, sehr schlank ausgebildet. Die einerseits strenge geometrische Symmetrie, die andererseits Klarheit und Leichtigkeit ausstrahlende Fassadenausbildung wurde dadurch ermöglicht, daß die gesamte Fassade 1949 vor Ort gegossen wurde. In den Jahren 1988–1989 wurden die Gebäude grundlegend saniert. Mehr als die Hälfte des gesamten Schulareals wurde dem benachbarten Innenministerium übereignet. Mehrere Teilgebäude wurden abgerissen, darunter zwei schuleigene Hallen und Räume für den Sportunterricht. Die Bauschäden an den Fassaden wurden beseitigt, und die Innenräume erhielten einen veränderten Zuschnitt. Im Schuljahr 1952/1953 gab es im Lycée Maréchal Ney etwa 1800 Schüler, davon ca. 1000 Saarländer. Zeitweise wohnten über 300 Schüler in dem auf dem Gelände befindlichen Internat. Im Schuljahr 2000/2001 besuchen etwa 1000 Schülerinnen und Schüler das DFG. Hinzu kommen 350 jüngere Schüler, die in die im Gebäude untergebrachte französische Grundschule mit angeschlossenem Kindergarten gehen. Ein großer Teil des Untergeschosses im Quertrakt wird fremdgenutzt: er dient dem Staatlichen Konservatoramt als Depot. Infolge dieser Fremdnutzung fehlt der Schule eine dringend benötigte Aula. Das Deutsch-Französische Gymnasium war nicht nur der erste saarländische Neubau einer Schule nach dem Krieg, sondern auch einer der ersten Stahlbetonbauten im Land. Aus der Sicht des Denkmalschutzes gilt das Gebäude als „Inkunabel französischer Baukunst aus den 40er Jahren“ und Paradebeispiel funktionalistischer Sachlichkeit auf saarländischem Boden. Schon seit einigen Jahren gehört es zu den Kulturdenkmälern unseres Landes.

Quellen und weiterführende Literatur

Wittenbrock, Rolf, Vom Collège Maréchal Ney zum Deutsch-Französischen Gymnasium, in: Deutsch-Französisches Gymnasium (Hg.), Deutsch-Französisches Gymnasium 1961–1986, Saarbrücken 1986, S. 17–29.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.