Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Annette Maas

Kaiser-Wilhelm I.-Denkmal Metz (1892–1918)

Esplanade, Metz

Baugeschichte

Unmittelbar nach dem Tod Wilhelms I. ergriff die altdeutsche Führungselite der Stadt die Initiative, dem Reichsgründer und Sieger der Augustschlachten von 1870 ein Denkmal zu setzen. Der Grundstein konnte bereits am 23. August 1889 gelegt werden. Die feierliche Einweihung fand am 11. September 1892 statt. Bei diesem deutschen Nationaldenkmal handelte es sich um eines der sehr frühen, wenn auch einfacher gehaltenen Reiterstandbilder für Wilhelm I. im Deutschen Reich. Zugleich kam ihm für den Bezirk Lothringen mit seiner Hauptstadt Metz die Bedeutung eines Provinzialdenkmals zu. Das von dem bekannten Münchner Bildhauer und Erzgießer Ferdinand von Miller jun. geschaffene 5 m hohe Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. in Generalsuniform, die rechte Hand wie zum Gruß nach der Moselebene ausgestreckt, war nicht zur Stadt hin, sondern zu den Höhen von Gravelotte ausgerichtet. Vorne am Postament hielten Engel das in Bronze ausgeführte Reichswappen. Die Inschrift lautete „Von seinem dankbaren Volke errichtet“. Die beiden Reliefdarstellungen auf den Längsseiten des Denkmalsockels erinnerten eindrucksvoll an den Sieg von Metz und die Folgen. Ein Relief zeigte König Wilhelm, umgeben von Bismarck und Moltke, während des Empfanges des als Sieger einreitenden Prinzen Friedrich Karl auf dem Schlachtfeld von Vionville, das andere Relief den von der Metzer Bevölkerung 1886 bejubelten Einzug des Kronprinzen Friedrich in die Stadt.

Nach dem Waffenstillstand 1918 wurde in der Nacht vom 17./18. November Wilhelm I. vom Sockel gestürzt. Im Straßenstaub liegend symbolisierte er eindrucksvoll den französischen Sieg und das Ende der deutschen Herrschaft. Das Bronzematerial ging in den Besitz der Stadt Metz über und wurde zum Guß neuer, französischer Denkmäler und Kriegserinnerungsmünzen verwendet. Auf dem deutschen Denkmalsockel erhob sich von 1919 bis 1920 ein Poilu-Standbild aus Gips, Vorläufer der beeindruckenden Poilu-Libérateur-Darstellung von 1922. Der deutsche Denkmalsockel wurde 1922 endgültig geschleift.

Regionalgeschichtlicher Kontext

Mit Bedacht war der Aufstellungsort, die im Herzen der Stadt gelegene Esplanade, gewählt worden. Von ihr eröffnet sich ein herrlicher Blick über die Mosel hin bis zu den Höhen der Schlachtfelder von 1870. So konnten die ruhmreichen Schlachten, die Inbesitznahme der Stadt Metz und die Annexion von Elsaß-Lothringen mit dem Denkmal in unmittelbaren Bezug gesetzt und der deutsche Herrschaftsanspruch anschaulich unterstrichen werden. Gleichzeitig entsprach der Aufstellungsort den zeitgenössischen Vorstellungen eines angemessenen Platzes für ein deutsches Provinzialdenkmal in landschaftlich reizvoller und zugleich national-symbolträchtiger Umgebung.

Die eingewanderten Altdeutschen initiierten dieses Nationaldenkmal zu einem Zeitpunkt, als sich die zahlenmäßige Überlegenheit im Verhältnis zur annektierten, einheimisch-französischsprachigen Bevölkerung abzuzeichnen begann. Ziel war es nun, der Stadt Metz und Lothringen deutsches Gepräge zu geben, um so die Zugehörigkeit zum Deutschen Reich zu manifestieren – und um sich selbst in der Rolle als Deutsche auf annektiertem Gebiet zu bestätigen und die Annexion Elsaß-Lothringens auf Dauer zu legitimieren.

Mit dem Nationaldenkmal, einem der ersten ausgeführten größeren Erinnerungszeichen an den Reichsgründer, sollte der Beginn des „deutschen“ Metz markiert werden. Doch obwohl an der neuen westlichen Staatsgrenze auf lange Sicht deutsche Identität gestiftet werden sollte, wurde keine übermächtige, trutzige „Moselwacht“ errichtet, sondern die schlichtere Variante eines Reiterstandbildes ohne aufwendige Postamentfiguren, sozusagen ein durchschnittliches Normaldenkmal. Auch wurde in der Rezeption des Denkmals, besonders bei der Einweihung, nicht der militärische Aspekt hervorgehoben, sondern Wilhelm I. als ein gütiger und friedensstiftender Herrscher, der den segensreichen Weg des Reichslandes Elsaß-Lothringen aufzeigt, gedeutet. Doch diese Trennung von Kriegs- und Friedenszeit konnte nicht überzeugen, zu eng war das Schicksal der Stadt mit den Kriegsereignissen von 1870/1871 verknüpft. Und die Inschrift am Denkmal „Von seinem dankbaren Volke errichtet“ wurde von der annektierten Bevölkerung als Ausgrenzung wahrgenommen. Sie hatte mit dem nur wenige Schritte entfernt gelegenen, dem Wilhelm I.-Denkmal den Rücken zuwendenden Maréchal-Ney-Denkmal ihren eigenen französischen Erinnerungsort. Eine Woche nach dem Waffenstillstand wurde der ehemalige Mittelpunkt des deutschen Nationalbewußtseins 1918 in einer eindeutig profranzösischen und antideutschen Manifestation von der alteingesessenen Bevölkerung gestürzt. Das deutsche Nationaldenkmal lag außerhalb der eigenen Probleme und Interessenskonflikte mit Innerfrankreich. In dieser demonstrativen Distanz lag die Chance, problemloser mit der deutschen Vergangenheit abzurechnen, ohne selbst in den Strudel der Rechtfertigungen gerissen zu werden. Im Bildersturm der deutschen Nationaldenkmäler (betroffen waren u.a. auch die Denkmäler von Friedrich III. und von Prinz Friedrich Karl) sollte in einem unbestritten profranzösischen Akt ein konsequenter und öffentlich sichtbarer, unblutiger Schlußstrich unter 48 Jahre deutsche Herrschaft gezogen werden. Gleichzeitig bedeutete dies eine Opfergabe an Frankreich, ein Treuebeweis, um moralisch unbelastet einer Rückkehr und einem Neuanfang den Weg zu ebnen. Sichtbar wurde dies auch in der symbolischen Neubelegung des ehemaligen deutschen Denkmalsortes mit dem französischen Poilu-Denkmal, das bis heute an einem für Metz so wichtigen Platz auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken kann.

Quellen und weiterführende Literatur

Maas, Annette, Zeitenwende in Elsaß-Lothringen. Denkmalstürze und Umdeutung der nationalen Erinnerungslandschaft in Metz (November 1918–1922), in: Speitkamp, Winfried (Hg.), Denkmalsturz. Zur Konfliktgeschichte politischer Symbolik, Göttingen 1997, S. 79–108.

Dies., Denkmäler des Krieges 1870/71 in Elsaß und Lothringen 1871–1940 (Dissertationsprojekt).

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.