Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Roger Seimetz

Hôtel du Grand Chef

29, Avenue des Bains, Mondorf-les-Bains

Baugeschichte

Sehr komfortables Hotel „Relais du Silence“ (Beherbergung mit Zimmern und Suiten, Naßzelle, Fluren, Etagenservice; Bewirtung für interne und externe Gäste, Bankettbereich). Herrschaftliches Bürgerhaus, Beginn der Bauarbeiten 1849 (Einweihung: 1852); Bauherr war der lothringische Landedelmann Hippolyte Trotyanne de Mairesse, Besitzer der Schlösser von Richemont und Pépinville; Architekt: der spätere Staatsarchitekt Charles Arendt; Konstrukteur: Ingenieur Hartmann; Unternehmer: Étienne Schleck-Wigreux (dessen Familie das Hotel von 1851–1898 führte); Trotyanne benannte das feudale Haus nach dem gallo-fränkischen Chef, dessen Grab man während der Bauarbeiten auf dem Gelände des heutigen Kurparks aufgefunden hatte.

Baugestalt

In einer Parkanlage mit Gingko-Biloba-Bäumen gelegen. Viergeschossiger neun- zu dreiachsiger Bau mit dreiachsigen Eckrisaliten. Neugotische Portalrahmung, mit der die Konsolen des darüber liegenden Balkons zu einer Einheit verschmelzen. Die mittlere der fünf verzierten Konsolen weist einen Wappenschild mit den Initialien HT und der Jahreszahl 1852 auf. Die Steinvase mit Masken im Privatpark (1710) stammt aus dem Schloß von Bettingen/Mess. Von innen beleuchtete Farbfenster von Charles-Laurent Maréchal aus Metz. Im Innern: Saal mit Täfelung, Kassettendecke mit neugotischen Verzierungen, neugotische Kaminplatten, mit Ranken, Früchten und Musikinstrumenten dekorierte Stuckdecke. Portraits großer Persönlichkeiten: Peter Ernest von Mansfeld, Peter von Aspelt. Truhen, Gemälde, wertvolle Möbel, Skulpturenschmuck des Atelier Greef (18. Jahrhundert), Standuhr, Kopfuhr.

Büste des Bauherrn von dem Bildhauer Pierre Federspiel.

Bauliche Veränderung

Der frontseitige Eingangs-Vorbau wurde modernisiert, der rückwärtige Anbau entstand 1956; durch die Anbauten ging der füllige, herrenhausartige Charakter des Baus weitgehend verloren, da sie das Massige und das Vertikalisierende abschwächen.

Historischer Zusammenhang

Nationale und internationale Besucher: Der Luxemburger Dichter, Theaterschriftsteller und Operettenkomponist Dicks schrieb hier während seines Aufenthaltes im Jahre 1858 bekannte Operettenstücke; der Schriftsteller Batty Weber. Während der beiden Weltkriege waren im Hôtel du Grand-Chef Offiziere und Generale einquartiert (General von Pritzelwitz mit einer „Exzellenztafel“ für seine Stabsoffiziere, 1914/Nazigrößen); 1934 Gründung der Société des Écrivains de Langue Française von Marcel Noppeney; in den zwanziger Jahren Treffpunkt der nationalen Geisteswelt; andere Gäste: Peter Townsend, Yehudi Menuhin, Jean Monnet, Tito. 1880 wurde im Grand-Chef der Vater von Henri Koch-Kent geboren; die Geschichte seiner Familie und seine Jugenderlebnisse decken sich mit der zeitgenössischen Geschichte des Grand-Chef, er selbst war bereits in den dreißiger Jahren vehementer Nazi-Gegner, Spanien-Kämpfer, Widerstandskämpfer und Fährmann, der Flüchtlinge während der Kriegswirren 1940 bis 1945 über die Grenze brachte. Noch nach dem Krieg versuchte er, die allzu nachlässige und rechtsgerichtete Haltung der luxemburgischen Exilregierung aufzudecken (zahlreiche historisch wichtige Publikationen).

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.