Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Ehemalige Katholische Schule Frankenholz

Höcherbergstraße 39, Frankenholz/Bexbach

Baugeschichte

Das Bergmannsdorf Frankenholz erhielt 1902–1904 ein neues Schulhaus für seine katholische Bevölkerungsmehrheit. Die ehemalige Schule steht unter Denkmalschutz und wird heute zu Wohnzwecken genutzt.

Regionalhistorischer Kontext

Frankenholz und seine Schule stehen hier stellvertretend für viele Orte im Saarland, in denen es im März 1937 zu schulpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und überzeugten Nationalsozialisten kam. In Frankenholz entluden sich die Aggressionen der mehrheitlich katholischen Bevölkerung wesentlich deutlicher als anderswo im Saarland, besonders vor und während des Frankenholzer Schulstreiks (8.–21. Februar 1937). Der Streik illustriert die Konflikte der frühen nationalsozialistischen Herrschaft an der Saar. Die regionale nationalsozialistische Verwaltung brach täglich ihre früheren Versprechungen, daher war die Anfangsbegeisterung der Saarbevölkerung nach der Saarabstimmung (1935) einer tiefen Ernüchterung gewichen: „Deutsch ist die Saar, wär’ sie nur wieder, was sie war“, sang man in Abwandlung des bekannten Saarliedes. Die Frustrationen drückten sich 1936 und 1937 überall im Saarland in kleineren und größeren aggressiven Verhaltensweisen aus: individuell durch Schimpfreden in Gasthäusern (die nach dem Heimtückegesetz hart bestraft wurden), im dörflichen Rahmen als Schulverweigerung und im Rahmen der Arbeit als wilder Streik von 6000 Grenzgängern im Warndt. Der Frankenholzer Schulstreik erschien der verunsicherten nationalsozialistischen Administration in dieser Situation wie der Auftakt zu einem organisierten politischen Widerstandskampf. Entsprechend hart fielen die Sanktionen aus. Äußerer Anlaß des Schulstreiks war eine Entscheidung des Homburger Schulrates vom 23. Januar 1937, in jedem Klassenzimmer ein Hitler-Bild ins Blickfeld der Kinder hängen zu lassen. Lehrer Philipp Klein, NSDAP-Ortsgruppenleiter und kommissarischer Schulleiter von Frankenholz, setzte die Entscheidung um, indem er montags (25. Januar) dem Lehrerkollegium mitteilte, das Hitler-Bild werde künftig an der Stirnwand der Klassenzimmer und das christliche Kreuz über der Tür hängen. Alle Lehrer folgten dieser Anweisung – mit Ausnahme der Lehrerin Paula Betz. Um so mehr erregte der Platztausch zwischen Hitlerbild und Kreuz die Gemüter der Gemeinde: Während der folgenden Woche forderten Eltern den Pastor zum Eingreifen auf. Nachdem er in der Sonntagspredigt seine Mißbilligung der Anordnung geäußert hatte, hängten die Kinder am folgenden Montag (1. Februar 1937) die Kreuze wieder zurück an die Stirnwand und die Hitler-Bilder wieder über die Tür der Klassenzimmer. Gegen den Bruch des Brauchtums regten sich Aggressionen, die zum Teil aktuelle und lokale Gründe hatten. Klein war ortsfremd (er stammte aus Speyer), nur kommissarischer Schulleiter (der reguläre Schulleiter war 1936 wegen Erkrankung vorzeitig pensioniert worden) und suchte außerdem seit Monaten die Konfrontation mit dem katholischen Ortsgeistlichen, Pastor Layes. Klein hatte vergeblich versucht, seinen nationalsozialistisch geführten Turnverein gegen den von Layes geführten katholischen Sportverein (eine Ortsgruppe der DJK, Deutsche Jugendkraft) durchzusetzen, und dabei Layes mehrfach provoziert. Als Schulleiter glaubte sich Klein nun in einer optimalen Position. Die Stimmung im Dorf wurde weiter angeheizt, als dienstags (2. Februar) der NSDAP-Kreisleiter und der Schulrat in einem Auto am Pfarrerhaus vorfuhren, um den Streit zu schlichten. Eine Menschenmenge kam zusammen, um den Pfarrer gegen die befürchtete Verhaftung zu schützen. Die Aufregung hielt die ganze Woche an. Nach dem sonntäglichen Gottesdienst beschloß man, montags (8. Februar) eine Elterndelegation nach Saarbrücken zum Ministerium zu schicken. Am Montag ließen viele Eltern ihre Kinder aus Protest nicht zur Schule gehen. Schulleiter Klein reagierte darauf, indem er die Eltern abends zu einer Versammlung ins Schulhaus zitierte. Die Versammlung verlief tumultartig und mußte ergebnislos abgebrochen werden. Auch am nächsten Tag erschienen die katholischen Schüler nicht zum Unterricht. Am Mittwoch (10. Februar) gab es vorzeitige Schulferien für Frankenholz, angeordnet vom Leiter der Schulabteilung beim Reichskommissariat für das Saarland in Saarbrücken. Die Unruhe wurde zur Angst, als die Gestapo in stundenlangen Verhören von 60 Personen nach „Rädelsführern“ suchte. Die Lehrerin Betz wurde in einen Ort des Kreises St. Wendel versetzt, wo die örtliche NSDAP-Leitung sie öffentlich mit Spott- und Schmährufen empfing. Aus Protest gegen diese Vorgänge senkte die Belegschaft der Frankenholzer Grube am 11. Februar spürbar die Kohleförderung. Am 12. Februar wurden 14 Bergleute fristlos entlassen. Fünf Frankenholzer, darunter der Sprecher der Elterndelegation und einer der Entlassenen, wurden verhaftet und am 17. Februar nach Saarbrücken ins Polizeigefängnis gebracht. Diese Ereignisse trafen zeitlich zusammen mit dem Grenzgängerstreik der Warndtbergleute, die gegen das neue Reichsdevisengesetz protestierten und dafür mit Massenentlassungen, Verhaftungen und Gestapo-Verhören bestraft wurden. Die Autorität von Staat und NSDAP war im Saarland partiell ins Wanken gekommen. Die Frankenholzer Eltern, offensichtlich erschrocken über die politische Tragweite, die man ihren Handlungen in diesem Zusammenhang zumaß, erkannten die politische Chance nicht, die der Augenblick bot. Sie distanzierten sich am 20. Februar in einer schriftlichen Erklärung an den Gauleiter von eventuellen politischen Motiven, beugten sich der staatlichen und der Parteigewalt und schickten ihre Kinder montags (22. Februar) wieder zur Schule. Erst seit diesem Wochenende berichteten die nationalsozialistischen Zeitungen von dem Vorfall und verglichen Pastor Layes mit den katholischen Pfarrern, die während des Kulturkampfes im 19. Jahrhundert als politische Agitatoren gegen den Staat tätig gewesen waren. In einer Stellungnahme der Schulbehörde hieß es dagegen, die Unruhe in Frankenholz sei das Werk kommunistischer Provokateure. Das Dorf hielt weiterhin den Atem an. Gauleiter Bürckel ordnete am 19. März an, die Geldstrafen für Schulverweigerung aufzuheben, die Verhafteten zu entlassen und den Platztausch zwischen Hitlerbild und christlichem Kreuz zu annullieren. Für den 20. März beraumte er eine allgemeine Schulabstimmung an, in der alle saarländischen und pfälzischen Eltern sich entscheiden mußten, ob sie die alten Konfessionsschulen oder die „christliche Gemeinschaftsschule“ wollten. Mit den gleichen Methoden der Erpressung und des Gewissensdrucks wie schon im Abstimmungskampf (1933–1935) erreichte man ein 97%-Ergebnis zugunsten der nationalsozialistischen Gemeinschaftsschule. Der Sieg wurde demonstrativ am 23. März 1937 mit einer großen regionalen Feierstunde in Frankenholz zelebriert, in Anwesenheit der Parteiprominenz des gesamten NSDAP-Gaues. Bürckels Vorgehen im Frankenholzer Schulstreik war aus Sicht der nationalsozialistischen Politik noch das bestmögliche: Bürckel löste die angstgeladene Spannung im Dorf und machte das unwichtige Zugeständnis der „unverrückbaren Kreuze“. Das extrem wichtige Zugeständnis der großen Bevölkerungsmehrheit zur Gemeinschaftsschule bekam er durch die Abstimmung über die Schulform.

Quellen und weiterführende Literatur

Paul, Gerhard, Christuskreuz oder Hakenkreuz? Der Frankenholzer Schulstreik 1937, in: Mallmann, Klaus-Michael/Paul, Gerhard u.a. (Hg.), Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815–1955, Bonn, 2. Auflage 1988, S. 183–186.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 10.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.