Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Ehemalige Nationalsozialistische Volkswohnungen, St. Arnual

Lucas-Cranach-Straße 1–29 (ungerade Nummern), 2–12 (gerade Nummern), Grünewaldstraße 2–14 (gerade Nummern), St. Arnual/Saarbrücken

Baugeschichte

Der Saarbrücker Stadtbaumeister Hermann Stolpe entwarf vermutlich die insgesamt 28 Wohnhäuser an der Lucas-Cranach-Straße und Grünewaldstraße, die am 28. Juni 1938 von der Saarbrücker Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft unter der Bezeichnung „Volkswohnungsbau am Wackenberg“ beantragt und in fünf Baugruppen errichtet wurden. Die Gestaltung der Reihenhäuser wurde bewußt gleichförmig gehalten und trug im inneren Aufbau bereits der Kriegsvorbereitung Rechnung: Jedes der schlichten, dreiachsigen Häuser hat im Keller einen Schutzraum, der über eine Schleuse erreichbar ist. Alle Häuser sind zweigeschossig mit zwei Wohnungen pro Geschoß und einer Wohnung im ausgebauten Dach. Die Wohnhäuser stehen heute als Ensemble unter Denkmalschutz.

Regionalhistorischer Kontext

Der Entwurf zur Siedlung auf dem Wackenberg entstammt dem Formenrepertoire der Stuttgarter Architekturschule (1920er und 1930er Jahre), die von den Auffassungen der Architekten Paul Bonatz und Paul Schmitthenner geprägt war. Vertreter der Stuttgarter Schule übten im Saarland 1935–1945 und im annektierten Lothringen 1940–1944 entscheidenden Einfluß auf die Verwirklichung der nationalsozialistischen Baupolitik aus. Schon vor der nationalsozialistischen Zeit gab es in Saarbrücken einige Bauten im Stil der Stuttgarter Schule, deren Gestaltung sich mit dem Gestus eines baupolitischem Konservatismus gegen den aufkommenden Stil des Modernen Bauens wandte: Die Wohnhäuser Robert-Koch-Straße 2 (1923) sowie Behringstraße 8 und 10 (1934–1935) in St. Arnual, errichtet im Auftrag des Glasfabrikanten Leo Wentzel. Vergleicht man die traditionellen Formen und Materialien der Häuser der Siedlung auf dem Wackenberg mit den Wohnungsbauten, welche die Regierungskommission des Völkerbundes in den späten 1920er Jahren in Saarbrücken hatte errichten lassen, so fällt der starke stilistische Gegensatz zu den Häusern in der Riegelsbergerstraße (Malstatt) sowie dem Baukomplex in der Hellwig-, Großherzog-Friedrich-, Halberg- und Lessingstraße (Ostviertel/St. Johann) auf: Bei den Auftragsbauten in St. Johann und Malstatt ist der neue Formenkanon des Modernen Bauens unverkennbar, während auf dem Wackenberg das Repertoire der Stuttgarter Schule vorherrscht. „Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird diese Architekturschule stilbildend für den normalen Wohnungsbau. Ganz im ideologischen Sinne der Machthaber werden deutschtümelnde Formen wieder aufgegriffen, während der internationale Formenapparat der Moderne negiert wird“ (Denkmalliste des Saarlandes 1996, S. 299). Traditionelle Bauformen im Stil der Stuttgarter Schule wurden beispielsweise auch bei den nationalsozialistischen Wohnsiedlungen in Dudweiler, „Dorf im Warndt“ und Sitterswald benutzt.

Quellen und weiterführende Literatur

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 298–299.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.