Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Verdun als National- und Friedenssymbol

Welch komplexem Wechselspiel politisch-militärischer Sinnstiftung ein Ort des kollektiven Gedenkens im Verlauf von nur 80 Jahren unterworfen werden kann, illustriert das Beispiel von Verdun als weltweitem Symbol des Massensterbens im Krieg und Mahnmal für den Frieden.

Nach 1918 wurden die Schlachtfelder um Verdun vor allem durch deutsche Kriegsgefangene geräumt. Sie bargen aus der sogenannten „Roten Zone“ die Überreste von Gefallenen sowie liegengebliebene Waffen und Kriegsmaterial aller Art. Die wichtigsten Aufräumungsarbeiten dauerten über zehn Jahre. Der karge Boden der Maas-Höhen rund um die Stadt war so verseucht durch Leichen und Gas, daß viele Bauern ihre Arbeit nicht mehr aufnehmen konnten. Insgesamt neun völlig zerstörte Orte wurden nicht wiederaufgebaut, sondern zu Villages détruits (Zerstörte Dörfer) erklärt: Beaumont, Bezonvaux, Cumières, Douaumont, Fleury-devant-Douaumont, Haumont près Samogneux, Louvemont, Ornes und Vaux-devant-Damloup. Hinweisschilder, Denkmale, Gedenkstätten, Ruinen und wiederhergestellte Grundrisse markieren ihre früheren Standorte. Zu den bekanntesten Orten zählen das Beinhaus von Douaumont sowie das Museum und die Gedenkstätte Fleury-devant-Douaumont.

Ursprünglich sollte das Beinhaus von Douaumont nur den nicht identifizierbaren Überresten französischer Soldaten vorbehalten bleiben, während die Gebeine deutscher Soldaten getrennt davon in Massengräbern bestattet wurden. Doch war das angesichts des Zustandes der Leichen und Leichenteile bei der Bergung nicht realisierbar: “...die furchtbare Wirklichkeit von Verdun sah anders aus. Die von Granaten beider Seiten oft mehrfach zerrissenen und immer wieder empor geschleuderten deutschen und französischen Soldaten waren deshalb auch nach ihrer Verwesung nicht mehr auseinanderzuhalten“ (Rohde/Ostrovsky, S. 53).

Unmittelbar nach dem Ende der ersten Aufräumungsarbeiten in und um Verdun begann ein ständiger, massenhafter Schlachtfeldtourismus, verstärkt nach dem Friedensvertrag von Versailles 1919, der in französischen Augen die Schmach der Niederlage von 1871 und der Reichsgründung im Spiegelsaal von Versailles ausglich. Die Begegnungen zwischen ehemaligen Frontkämpfern in Verdun wurden allmählich auch zu Symbolen der Aussöhnung. Am 12.–13. April 1936 besuchte eine deutsche Abordnung von Verdun-Kämpfern die internationale Feier zum 20. Jahrestag der Schlacht, wo sie in Zivil, aber mit Hakenkreuzfahne und Hitlergruß bei der Kranzniederlegung beim Denkmal der Toten am Platz der Nation auftraten. Am Abend zuvor hatten Kriegsteilnehmer aus Frankreich, Deutschland und den Staaten der Alliierten den Friedensschwur von Douaumont „Pour la paix du monde“ gesprochen.

Im Zweiten Weltkrieg wurde Verdun am 15. Juni 1940, einen Tag nach Paris, von deutschen Truppen eingenommen. Danach wurde das ehemalige Schlachtfeld von deutscher Seite als militärisches Sperrgebiet und Truppenübungsplatz genutzt. Ein Teil der noch vorhandenen Panzerkuppeln der Befestigungen wurde entfernt und zur Verstärkung des Atlantikwalls in dortige Festungswerke eingebaut.

Einer der deutschen Besatzungsoffiziere in Verdun, der 1917 am Toten Mann gekämpft hatte, rettete das Denkmal für die jüdischen Gefallenen bei Thiaumont vor dem von der nationalsozialistischen Verwaltung beschlossenen Abriß, indem er es mit Brettern verkleiden und so unkenntlich machen ließ.

Daß die Schlacht von Stalingrad bald als „Verdun des Zweiten Weltkrieges“ bezeichnet wurde, belegt einmal mehr, welch tiefen Eindruck die Schlacht um Verdun auf die Zeitgenossen gemacht hatte: Verdun galt im gesamten 20. Jahrhundert und gilt bis heute als eine Art symbolischer Maßstab für das Grauen des industrialisierten Massenvernichtungskrieges.

Im Dezember 1944 fand ein französischer Eisenbahnbediensteter am Weg vom Tavannes-Tunnel zur Straße nach Fort Vaux ein notdürftig zugeschüttetes Massengrab von 16 durch Kopfschüsse hingerichteten Toten. Es handelte sich um die letzten Insassen des Gestapo-Gefängnisses von Verdun, die beim Herannahen der Alliierten erschossen worden waren. An der Stelle des Massengrabes wurde wenig später ein Denkmal errichtet.

Auch die Vielschichtigkeit französischer Politik im 20. Jahrhundert verkörpert Verdun – in der Person des Generals, Marschalls und Staatschefs Henri Pétain. Im Ersten Weltkrieg als „Retter von 1916“ gefeiert – obwohl er an der eigentlichen Schlacht von Verdun gar nicht teilgenommen hatte –, wurde er gerade aufgrund dieses Prestiges 1940 erneut als Retter des Vaterlandes zum Staatschef gewählt. Sein Regime verkörperte dann aber sowohl die autoritären Traditionen französischer Geschichte als auch die Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht. 1945 von einem französischen Gericht zum Tode verurteilt und dann begnadigt, starb Pétain 1951 in der Haft. Er hatte sich eine Bestattung in Verdun gewünscht. Der Platz dafür war bereits vorgesehen, und zahlreiche Veteranen des Ersten Weltkrieges setzten sich dafür ein ; eine Umbettung ist jedoch bis heute nicht erfolgt.

In der Umgebung von Verdun befinden sich heute insgesamt 78 Kriegsgräberstätten, 42 französische, 34 deutsche und zwei amerikanische.

Die Feier zum 50. Jahrestag der Schlacht von Verdun wurde 1966 auf Veranlassung von Staatspräsident Charles de Gaulle mit großem Aufwand gestaltet, jedoch unter Ausschluß nicht nur der Deutschen, sondern auch der Amerikaner begangen.

Am 22. September 1984 wurde in der Begegnung von Staatspräsident Mitterand und Bundeskanzler Kohl und ihrem Händedruck über den Gräbern von Douaumont das ehemalige Schlachtfeld von Verdun zum symbolischen Ort der endgültigen deutsch-französischen Aussöhnung und der Bestätigung der deutsch-französischen Freundschaft – 68 Jahre nach der Schlacht von Verdun und 39 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Seit den 1990er Jahren wird der ehemalige Bischofspalast in der Oberstadt von Verdun zu einem Weltzentrum für den Frieden, die Freiheit und die Menschenrechte ausgebaut. Seither werden hier internationale Treffen, Konferenzen und Empfänge abgehalten, die dazu beitragen können, den auf so traurige Weise berühmt gewordenen Namen Verdun in positiver Weise weltweit neu zu definieren.

Quellen und weiterführende Literatur

Rohde, Horst/Ostrovsky, Robert, Militärgeschichtlicher Reiseführer Verdun, Herford/Bonn 1992.

 

François Roth

Fleury-devant-Douaumont : Ossuaire de Douaumont

Monument construit à l’initiative de Mgr. Charles Ginisty, évêque de Verdun (1914–1946) qui se propose de rassembler dans un ossuaire les restes des combattants anonymes retrouvés sur les champs de bataille de Verdun. Il fonde en 1920 un Comité de l’Ossuaire dont il devient le président et lance une souscription nationale grâce à laquelle il réunit les fonds nécessaires à la construction du monument.

Architectes : Azéma, Erdei, Hardy.

Inauguration : 1932.

Monument de 137 m en forme de voûte. L’essentiel est un cloître de 18 alvéoles, comportant chacune deux tombeaux où ont été déposés les restes des combattants retrouvés sur le champ de bataille. La chapelle catholique s’ouvre par un portail de bronze sur lequel a été gravé le mot « Pax ».

Jusqu’à la récente disparition du dernier chapelain, l’abbé Pierre Homant (1953–1996), la tonalité chrétienne des manifestations a été une donnée essentielle du culte du souvenir. Devant l’Ossuaire, s’étend un cimetière regroupant environ 15000 tombes.

Fleury-devant-Douaumont : Mémorial de Verdun

Projet de l’association « Ceux de Verdun » et de son président Marcel Bidot. Décision de construction prise au congrès de Bordeaux en 1959.

Architecte : Charles Legrand.

Construction : 1963–1967. Bâtiment de pierre construit à l’emplacement de l’arrivée du chemin de fer à voie étroite.

Musée Reconstitution du champ de bataille uniformes, coiffures, objets de la vie quotidienne, armes, munitions, principalement de l’artillerie.

Centre de documentation qui a reçu de nombreux dons : photographies, journaux de soldats, témoignages et documents divers.

Verdun : Centre mondial de la Paix, des Libertés et des Droits de l’Homme

Installé dans la ville-haute près de la Cathédrale dans l’ancien palais épiscopal des évêques de Verdun.

Architecte : Robert de Cotte et son fils.

Travaux : 1725 à 1780. Construit en calcaire blanc ; résidence des évêques de Verdun jusqu’à la Révolution.

Bien national.

Retour des évêques de Verdun (1823–1906).

Confisqué à la suite de la séparation de l’église et de l’État (1905), le palais, très touché par les bombardements de la Grande Guerre, accueille un musée et une bibliothèque. En 1935 Mgr. Ginisty, évêque de Verdun, réoccupe les lieux comme « locataire de la ville ».

À la suite d’un accord avec l’évêque, le palais épiscopal est racheté puis restauré par la Région lorraine. Il devient le Centre mondial de la Paix, des Libertés et des Droits de l’Homme qui réalise des expositions, des réunions, des débats, des colloques et des activités pédagogiques sur le thème de la paix.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.