Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Saarländischer Rundfunk

Funkhaus Halberg, Franz-Mai-Straße, Saarbrücken

Baugeschichte

Ein eigener Sender existierte im Saarland ab 1935. Nach den Anfängen im ersten Stock des Café Kiefer (Reichsstraße) zog der Reichssender Saarbrücken in ein eigenes Funkhaus um, eine Villa auf St. Johanner Seite im Saarbrücker Villenviertel (Am Eichhornstaden 11). Das Haus in der heutigen Straße Am Staden, in dem damals auf kleinstem Raum produziert werden mußte, existiert nicht mehr. Mit der feierlichen Eröffnung am 4. Dezember 1935 im großen Festsaal der Wartburg, damals der größte Festsaal des Landes, endete die Aufbauphase. Das Rundfunkorchester erhielt angemietete Räume in dem beschlagnahmten Haus der Arbeiterwohlfahrt (Hohenzollernstraße 45). Proben und Orchesteraufnahmen fanden ab März 1936 im dortigen ehemaligen Kinosaal statt. Als Studio für Hörspiele und Sendesaal für das Tanzorchester wurde im Mai 1937 der ehemalige Brausaal der Gastwirtschaft Zum Stiefel (St. Johanner Markt) angemietet. Die Redaktion Wirtschaft und die Intendanz siedelten sich im August bzw. Dezember 1937 im ehemaligen Bankhaus G. F. Grohe-Henrich & Co. an (Wilhelm-Heinrich-Straße 33–35). Seit 1936 war ein eigenes Funkhaus auf dem Wackenberg bzw. auf dem Kaninchenberg geplant, um die Platznot des Senders und seine Verteilung auf mehrere Häuser zu beenden. Der Westwallbau führte jedoch zur Verschiebung aller Baupläne für das Funkhaus. Am 28. Juli 1939 kaufte die Reichsrundfunkgesellschaft dem Landkreis Saarbrücken das Grundstück Halberg mit rund einer Million Quadratmeter ab, inklusive des Schlosses Halberg. Grundstück und Schloß hatten zuvor der Familie Stumm gehört. Der geplante Neubau an dieser Stelle wurde jedoch durch den Kriegsbeginn verhindert, denn das Gelände wurde von der Wehrmacht beschlagnahmt. Das Personal des Senders und das Orchester wurden bei Kriegsbeginn auf andere Sender verteilt, teilweise auch an die neu gebildeten Sender Danzig und Prag geschickt. Die technische Ausstattung wurde im Zuge der Evakuierung (2./3. September 1939) demontiert und nach Danzig bzw. Prag geschafft. Die Archivbestände aus den ersten Jahren des Senders ließ man jedoch zurück, sie gingen während des Krieges verloren. Nach dem Frankreich-Feldzug – ein Flak-Kommandostab hatte nun auf Schloß Halberg seinen Sitz – arbeitete man ab 15. September 1940 mit einer provisorischen technischen Ausrüstung aus Berlin wieder in den vier Häusern des Senders. Nach einem Bombenschaden im Verwaltungsgebäude bezog ein Teil der Verwaltung im Spätsommer 1942 einige Räume im Schloß Halberg. Nach der zweiten Evakuierung (6. Dezember 1944) sendete man aus einem Behelfsstudio im Rathaus der Gemeinde Dudweiler, mit einem kleinen Orchester, das in einem Dudweiler Café spielte. Am 10. März 1945 wurden die Heusweiler Sendeanlagen durch Jagdbomber zerstört. Die Studioausstattung in Dudweiler wurde nach Frankfurt transportiert. Die einrückenden US-Truppen fanden am 20./21. März 1945 in Saarbrücken nur zerstörte Anlagen vor. Die französische Militärregierung, die ihren Sitz in Baden-Baden genommen hatte, richtete im Saarland das Centre Émetteur (Sendezentrale) ein, da Saarbrücken zu diesem Zeitpunkt der einzige halbwegs nutzbare Sendestandort war. Die beschädigte Wartburg wurde notdürftig hergerichtet. Durch Vermittlung des Officier-Chef des Centre Émetteur, Emanuel Charin, des Landesgouverneurs Grandval und des Zonenkommandanten General König stellte die Rundfunkabteilung der französischen Armee die notwendige technische Ausrüstung zur Verfügung. Die Radiodiffusion Française stellte leihweise einen fahrbaren amerikanischen Militärsender mit zwei kW Leistung und 30 m hoher T-Antenne bereit, der im Hof der Wartburg installiert wurde. Am 19. Juni 1946 wurden die Anlagen in Heusweiler mit einer Senderleistung von zwei kW wieder in Betrieb genommen. Am 14. Juli 1948 erhielt Radio Saarbrücken von Radio Nancy einen 20 kW-Sender mit einem 120 m hohen Sendemast als Leihgabe, wodurch sich die Reichweite auf 500 km erhöhte. Seit 1951 wurden Überlegungen zum Bau eines neuen Funkhauses angestellt. Der Halberg war zu dieser Zeit an die französische Regierung verpachtet und war zunächst Dienstsitz des Französischen Hochkommissars Gilbert Grandval und diente nach der Errichtung des heutigen Kultusministeriums dem französischen Zoll, weswegen man einen Bau auf dem Winterberg erwog. Das 1953 gebildete Kammerorchester erhielt als provisorisches Aufnahmestudio einen Raum im Saalbau am Kleinen Markt in Saarlouis. Die private Holdinggesellschaft Images et Sons installierte 1953 den ersten Fernsehsender der Telesaar (private Produktionsgesellschaft von Radio Saarbrücken). In Anlehnung an den bundesdeutschen Ausbau des UKW-Netzes installierte auch Radio Saarbrücken ab Anfang der 1950er Jahre entsprechende Sender auf dem Schwarzenberg (im Stadtwald bei Saarbrücken) und auf dem Schaumberg (Gemeinde Tholey). 1958 wurde in Heusweiler ein leistungsstärkerer Sender errichtet, 1959 ein weiterer in Göttelborn. Seit 1959 gehört der Saarländische Rundfunk zur ARD. Am 4. August 1959 begannen die Bauarbeiten am heutigen Funkhaus Halberg, das zwei Jahre später vorläufig fertiggestellt wurde; die letzten Arbeiten kamen am 20. September 1968 zum Abschluß, mit einer finanziellen Beteiligung der ARD von zwölf Mio. Mark an den Gesamtkosten von 61 Mio. Mark. Der Bau wurde von den Hausarchitekten des Südwestfunks, Dieter Eber und Ernst Jung, entworfen und ausgeführt; für die Einrichtung zeichnete Innenarchitektin Tea Ernst verantwortlich.

Regionalgeschichtlicher Kontext

Die Geschichte des Saarländischen Rundfunks begann 1935 mit der nationalsozialistischen Herrschaft an der Saar, doch genutzt wurde das Radio an der Saar schon seit den frühen 1920er Jahren. In den späten 1920er Jahren, besonders aber im Abstimmungskampf 1933–1935 wurde es zu einem wichtigen Propaganda-Instrument auf deutscher wie auf französischer Seite. Hatte die französisch beeinflußte Regierungskommission in den 1920er Jahren die Einrichtung eines vom Reichsgebiet aus kontrollierten deutschsprachigen Radiosenders im Saargebiet verhindert, so sollte die französische Politik nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem französisch kontrollierten deutschsprachigen Saarsender unterstützt werden.

 

Rainer Hudemann

Mit Frankreichs Einzug als Besatzungsmacht 1945 wurde der Rundfunk zu einem Kerninstrument der französischen Demokratisierungspolitik in Südwest-Deutschland. Das bedeutete einerseits eine strikte Kontrolle des ganzen Sendebetriebes und an der Saar zunächst Besetzung der maßgeblichen Positionen mit Franzosen oder mit Emigranten, welche die französische Staatsangehörigkeit angenommen hatten. Ambivalent wie die gesamte französische Kulturpolitik ging diese Kontrolle einher mit Sendeinhalten, welche demokratische Verhaltensweisen fördern sollten, und mit einem breiten Fächer deutsch-französischer oder französischer Themen und Gegenstände, von der Information über französische Politik bis zu einem Schwerpunkt in französischer Musik. Im Saar-Sender war dies weit stärker ausgeprägt als im Südwestfunk, dessen Sendegebiet in der französischen Besatzungszone zwar eine langfristige Beeinflussung erfahren, jedoch nicht enger an Frankreich gebunden werden sollte. An der Saar verfolgte man zwar keine Annexion, hoffte jedoch langfristig auf ein Bekenntnis der Bevölkerung zu Frankreich und setzte die „pénétration culturelle“ als Teil einer „Assimilationspolitik“ ein, wie man das im August 1945 in der ersten Geheimdirektive für die Saarpolitik auf Regierungsebene formulierte. Obgleich angelegt im Rahmen kultureller und politischer Herrschaftsabsichten Frankreichs, entwickelte sich aus dieser Aufgabe eine Fülle von deutsch-französischen Brückenfunktionen, deren Bedeutung rückblickend heute viel deutlicher wird als zur Zeit selbst und für die der Rundfunk als eines der wirkungsvollsten Beispiele steht. Aus einem Ort der Kontrolle und der Abgrenzung gegen Deutschland wurde der Halberg in Saarbrücken damit zu einer Stätte, an der grenzüberschreitende Erinnerung auf Dauer zur Grundlage grenzüberschreitender zukunftsgerichteter Arbeit und – im doppelten Sinne – Ausstrahlung geworden ist.

 

Gerhild Krebs

Nach der Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik (1959) hat sich der Sender, nunmehr als ARD-Anstalt mit dem Namen Saarländischer Rundfunk, daher auch stets darum bemüht, das Geschehen in Lothringen und Innerfrankreich in freundschaftlicher Weise zu betrachten und dem Bekenntnis zu Europa aktiv Rechnung zu tragen: Davon zeugen Radiosendeplätze für Nachrichten aus Frankreich, Musette-, Java- und aktuelle französische Musik, die lange zur Institution gewordenen Chanson-Sendungen von Pierre Séguy, die Einrichtung der Europawelle Saar im Jahr 1964, die jährliche Verleihung des Fernsehshowpreises „Goldene Europa“, die grenzüberschreitenden Fernsehmagazine „LL“, „Magazin Saar 3“ und „Drumrum“, der ständige deutsch-französische Journalistenaustausch, der jährlich unter Federführung von SR und Radio France gemeinsam verliehene deutsch-französische Journalistenpreis (seit 1983), die bis 1999 gleichfalls jährlich gemeinsam mit France Culture und dem Sender Freies Berlin durchgeführten Deutsch-französischen Gespräche sowie jährliche Radioworkshops für Jugendliche beider Länder. Als zweitkleinste Anstalt der ARD hat der Saarländische Rundfunk seit den 1980er Jahren trotz strikter Sparpolitik, Personalabbau und gleichzeitiger enormer Effizienz mit zunehmenden Schwierigkeiten zu kämpfen. Die von der damaligen Bundesregierung verfügte Liberalisierung des Rundfunk- und Fernsehwesens in Deutschland hat die Privatsender zur großen Konkurrenz der öffentlich-rechtlichen Sender werden lassen. Seither hat auch innerhalb der ARD ein finanzieller Kampf begonnen, in dessen Verlauf sich die Existenzbedingungen für die kleinen Funkhäuser ständig weiter verschlechtern.

Tauziehen um das Radio im Saargebiet (1920–1935)

Das Radiofieber begann im deutschen Sprachraum mit dem 29. Oktober 1923, als das erste Radioprogramm aus dem Vox-Haus (Berlin) gesendet wurde. Der Saar-Radio-Klub, eine Vereinigung von Radioamateuren, forderte seit seiner Gründung im Dezember 1923 eine Erlaubnis für die Errichtung eines deutschsprachigen Radiosenders an der Saar. Die unter französischem Vorsitz stehende Regierungskommission des Saargebietes erteilte jedoch keine Genehmigung zur Errichtung von entsprechenden Sendeanlagen, denn ein deutschsprachiger Sender hätte die französischen Interessen an der Saar behindert. Durch entsprechende Beeinflussung des Völkerbundes, dem die Regierungskommission unterstand, verhinderte Frankreich bis 1925 eine allgemeine Regelung der Regierungskommission über die Einrichtung und den Betrieb von Rundfunkanlagen. Die Genehmigung für einen deutschsprachigen Sender wurde bis 1935 nicht erteilt. Um wenigstens den Radioempfang im Saarraum zu verbessern, ersuchte die Reichsregierung bei der Interalliierten Rheinland-Oberkommission um die Genehmigung zur Errichtung eines Senders bei Kaiserslautern, die nach langen Verhandlungen am 22. November 1926 erteilt wurde. Der Sender war jedoch leistungsschwach, so daß man von März 1928 an nur im östlichen Saarraum das bayerische Programm empfangen konnte. Die Zuhörerschaft wuchs: zwar hatten weiterhin vergleichsweise wenige Haushalte ein Gerät, aber viele Gastwirte stellten ein Radio in ihren Sälen auf. Seit 1925 gab es preiswerte Radiobausätze zu kaufen, aber erst 1930 kam ein so preiswertes fertiges Radio mit eingebautem Lautsprecher auf den Markt, daß ein Massenmarkt erschlossen wurde. Zahlreiche Übertragungen sogenannter Saar-Treue-Kundgebungen wurden ab 1928 von den Saarvereinen im Reich veranstaltet und auch ins Saargebiet übertragen. Am 30. Juni 1929 wurde mit dem Bundesfest des Saarsängerbundes in Neunkirchen die erste Sendung aus dem Saargebiet von allen deutschen Sendern ins Reichsgebiet übertragen. Der Westdeutsche Rundfunk strahlte 1929/1930 eine Sendefolge mit dem Titel „Lebensfragen des Saargebietes“ aus, in der Politiker und Wissenschaftler über die gegenwärtige und künftige Situation des Saargebietes sprachen. Zahlreiche Einzelsendungen kamen hinzu, so etwa im Juli 1930 über den Abbruch der deutsch-französischen Saar-Verhandlungen. Auf diese Weise versuchten die deutsche Regierung und die ihr unterstellten Rundfunksender, sowohl im Reich die politische Solidarität mit dem abgetrennten Saargebiet aufrechtzuerhalten und zu stärken als auch die Saarbevölkerung politisch bei der Stange zu halten. Das Reichspostministerium lehnte am 30. Oktober 1930 die Einrichtung eines eigenen Senders im Saargebiet ab, als Begründung nannte man dringendes staatliches Interesse. Ab 21. November 1930 war der auf Reichsgebiet gelegene Sender Mühlacker für das Saargebiet zuständig.

Das Radio im Abstimmungskampf (1933–1935)

Das junge Massenmedium wurde von den Nationalsozialisten seit ihrem Regierungsantritt am 30. Januar 1933 für die politische Propaganda an der Saar eingesetzt, doch zunächst mit geringem Erfolg: Der von Hitler als Reichskommissar für das Saargebiet eingesetzte Franz von Papen beklagte schon am 15. Februar 1933 in einem Schreiben an verschiedene reichsdeutsche Ministerien, daß die Sendeleistung der Reichssender zu schwach sei bzw. gestört werde, der leistungsstarke französische Sender Straßburg dagegen überall zu empfangen sei, was im Hinblick auf die kommende Abstimmung eine sehr ungünstige Ausgangssituation darstelle. Papen hatte Erfolg: Die preußische Regierung sprach sich gegen einen eigenen Sender an der Saar aus, um jeglichen Einfluß der Status-Quo-Anhänger auszuschließen und der Regierungskommission keine Eingriffsmöglichkeit zu bieten. Daher entschloß man sich, den Sender Mühlacker von 60 auf 100 kW umzustellen (20. Dezember 1933). Je näher die Abstimmung rückte, desto mehr wurde das Radio von deutscher Seite zum akustischen Propagandaschlachtfeld umfunktioniert. Die Reichssender, koordiniert im Westdeutschen Gemeinschaftsdienst (WGD), einer Gründung von Goebbels, strahlten täglich Hetzreden von nationalsozialistischen Politikern aus, in denen die Regierungskommission beleidigt und die Status-Quo-Anhänger als Verräter beschimpft wurden. Dr. Adolf Raskin, der Leiter des WGD, war 1924–1929 Feuilletonredakteur der Saarbrücker Zeitung gewesen und nutzte nun seine regionale Erfahrung. Er richtete Ende 1933/Anfang 1934 eine wöchentliche Saarsendung ein und plazierte rund 1000 Einzelsendungen zum Thema. Der WGD veranstaltete 325 öffentliche Rundfunk-Werbeveranstaltungen im Saargebiet. Lag die Zahl der Radiohörer an der Saar vor 1933 bei 24 pro 1000 Einwohner, so wurden nun auf Veranlassung des WGD und der Saarbrücker Industrie- und Handelskammer rund 14000 sogenannte Volksempfänger gebracht und vornehmlich an NSDAP-Mitglieder ins Saargebiet abgegeben. Der nationalsozialistisch gesteuerte Verband deutscher Rundfunkteilnehmer an der Saar, der ab Frühjahr 1934 immer mehr Mitglieder aufwies, organisierte viele vordergründig unpolitische Radioveranstaltungen. Die Zahl der angemeldeten Hörer wurde auf diese Weise auf 40000 erhöht. Die Bevölkerung strömte herbei, um kostenlos das neue Medium zu genießen: Beispielsweise fand im Ortsteil Kölln des Dorfes Köllerbach an einem Montagabend, dem 29. Oktober 1934, im Saal der Gastwirtschaft Altmeyer ein sogenannter Bunter Funkabend der Köllerbacher Ortsgruppe des nationalsozialistischen Verbandes der Rundfunkteilnehmer an der Saar statt, an der rund 1000 Personen teilnahmen – eine für Köllerbacher Verhältnisse außerordentlich hohe Zahl von Besuchern. Es gab auch Propagandasendungen der Einheitsfront, die von der Deutschland-Redaktion von Radio Straßburg ausgestrahlt wurden, doch waren diese weder vom Inhalt noch vom Tonfall her vergleichbar mit den Hetzsendungen der deutschen Seite, wie neutrale zeitgenössische Beobachter feststellten. Der Straßburger Sender kommentierte am nächsten Tag jeweils kritisch die Sendungen von deutscher Seite und deckte dabei zahlreiche Falschmeldungen auf. Einen wichtigen Tag der Radiogeschichte an der Saar stellte am 15. Januar 1935 die Übertragung aus der Wartburg (Martin-Luther-Straße) in Saarbrücken dar, wo seit dem 13. Januar 1935 die Volksabstimmung über die Zukunft des Saargebietes ausgezählt worden war. Um 9 Uhr morgens verkündete der schwedische Präsident der Regierungskommission, Rohde, das Abstimmungsergebnis.

Reichssender Saarbrücken (1935–1945)

Im Verlauf des Jahres 1935 nahm der Reichssender Saarbrücken unter Leitung des Intendanten Adolf Raskin als erster Radiosender innerhalb des Saarlandes allmählich seine Arbeit auf: Probephase (März 1935), ab 25. Juli 1935 Beginn des Sendebetriebes, ab 27. September 1935 erste eigene Sendungen, ab 29. September eigenes Vollprogramm. Zu diesem Zeitpunkt gab es im Sendegebiet rund 258000 angemeldete Rundfunkteilnehmer. Das Rundfunkorchester gab sein erstes Konzert am 9. September 1937. Das Einzugsgebiet des Senders reichte weit über das Saarland hinaus bis zum Rhein. In dieser Zeit nutzte Saarbrücken als erster deutscher Sender das neue technische System der Magnetaufzeichnung.

Im August 1940 erfolgte die feierliche Wiedereröffnung des Senders nach der Rückkehr aus der Evakuierung. Von Saarbrücken aus wurde ab 1940 auch für das annektierte Lothringen gesendet. Eine von Goebbels gewünschte Sondersendung aus Metz fand unter Bewachung mit eigens herbeigeschafften Deutschen als „lothringischem“ Publikum statt, während die Metzer Bevölkerung hinter verschlossenen Türen und Fensterläden das Ende der Übertragung abwartete.

Radio Saarbrücken (1945–1955)

Im September 1945 wurde auf Veranlassung der Militärregierung eine Dienststelle mit der Bezeichnung „Rundfunksender Saarbrücken“ beim Regierungspräsidium Saar errichtet. Nach einer in aller Eile durchgeführten Entnazifizierung wurden einige Mitarbeiter des alten Reichssenders wieder eingestellt, die übrigen wählte die Militärregierung aus. In den Spitzenpositionen von Radiodiffusion Saarroise befanden sich ausschließlich Franzosen, während der 1946 gebildete Südwestfunk (Baden-Baden) von Anfang an einen ausschließlich deutschen Verwaltungsrat hatte. Eine erste Versuchssendung fand am 7. Dezember 1945 von der Wartburg aus statt. Am 17. März 1946 um 19:10 Uhr nahm die Radiodiffusion Sarroise ihren Betrieb auf. Die Einleitung zur ersten Sendung bildete die Marseillaise, dann folgte die deutschsprachige Ansage. Am gleichen Abend erfolgte die feierliche Einweihung im Festsaal der Wartburg unter dem Vorsitz von Grandval und mit Musik der französischen Komponisten Berlioz, Saint-Saëns, Rabaud, Debussy und Lalo. Radio Saarbrücken wurde nach vierzehn Tagen dem Südwestfunk zugeordnet und erhielt bis Juni 1946 den größten Teil des Programms von dort.

Im Rahmen der Ausgliederung des Saarlandes aus der französischen Besatzungszone und seinem wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich wurde am 24. Juni 1946 ein Rundfunkamt eingerichtet, dessen Contrôleur Général Emanuel Charin war. Der Sender wurde nun wieder aus dem Südwestfunk ausgegliedert. Am 16. November 1947 wurde das Rundfunkamt in „Saarländische Rundfunkverwaltung“ umbenannt. Der Verwaltungsrat von Radio Saarbrücken bestand bis 1948 aus neun französischen Mitgliedern, dann aus sechs französischen und sechs saarländischen Mitgliedern. Der Vorsitzende mußte weiterhin ein Franzose sein, zunächst hatte M. Brunschwig, Professor an der Sorbonne und Direktor der deutschsprachigen Sendungen von RTF, diese Position innegehabt, danach wurde Gérard Losson Generaldirektor, ab dem 28. Oktober 1948 war es Fréderic Billmann. Billmann, vor dem Krieg bei Radio Strasbourg und während des Krieges bei Radio France in Algier tätig, hatte als Leiter des Informationsamtes der Militärregierung bereits vorher dem Verwaltungsrat angehört. Als einzige Nachrichtenagentur wurde zunächst nur Agence France Presse zugelassen, deren Leiter des Saarbrücker Büros auch die Zensurinstanz von Radio Saarbrücken bildete. Ab dem 8. August 1948 gab es Werbesendungen im saarländischen Rundfunkprogramm. Im September 1948 erhielt der Sender auf der europäischen Mittelwellenkonferenz (Kopenhagen) durch Intervention des französischen Vertreters M. Mayer die Frequenz 1421 kHz (211 m) zugeteilt, unter der er seit dem 15. März 1950 sendete; die Frequenz wurde am 23. November 1978 auf 1422 kHz umgestellt.

Seit 1948 konnte die Regierung des autonomen Saarlandes auf den Verwaltungsrat des Senders Einfluß nehmen, was sich auf verschiedenen Ebenen auswirkte. So wurden bisherige Mitarbeiter und neu Einzustellende dazu angehalten, die saarländische Staatsangehörigkeit anzunehmen, und das tägliche Programm begann und schloß ab 1949 mit der Saarhymne. Auch das Programm trug von da an zunehmend saarländische Züge. Das Radiosinfonie-Orchester und das von Karl Ristenpart ab 1953 aufgebaute Kammerorchester des Senders entwickelten sich aufgrund ihres hohen künstlerischen Niveaus zu musikalischen Botschaftern des Saarlandes in Europa. Ein Rundfunkgesetz für das Saarland wurde seit 1950 vorbereitet und am 18. Juni 1952 verabschiedet. Eine Klausel des Gesetzes sah die Übernahme aller technischen Normen des französischen Systems vor, was bedeutete, daß wegen der 819 Bildzeilen des Secam-Systems das deutsche Fernsehen im Saarland nicht zu empfangen war, dafür aber das französische. Am 24. Oktober 1952 wurde die Saarländische Rundfunk GmbH gegründet, deren Gesellschafter das Saarland zu zwei Dritteln und die Société Financière de Radiodiffusion (SOFIRAD) zu einem Drittel waren, mit sieben Saarländern und vier Franzosen im Aufsichtsrat, unter Vorsitz des französischen Generaldirektors der saarländischen Vermögensverwaltung, Frédéric Schlachter. Zusätzlich zum bisherigen Geschäftsführer des Senders, Frédéric Billmann, wurde mit Hans Wettmann ein saarländischer Geschäftsführer eingesetzt, nach dessen Tod 1953 erfolgte die Nachfolgerwahl von Professor Hermann Görgen erst 1955 im Zuge der Vorbereitungen zur Volksbefragung. Um den Aufbau des Fernsehsenders und -programms zu ermöglichen, der aus den Rundfunkgebühren nicht finanzierbar gewesen wäre, griff Billmann zum damals ungewöhnlichen Mittel der privaten Finanzierung. Am 16. Mai 1952 gründete er die Tele Saar/Saarländische Fernseh AG Fernsehproduktionsgesellschaft. Hauptaktionäre der Tele Saar waren der damalige Prinz und spätere Fürst Rainier von Monaco und der staatenlose Charles Michelson. Rainier von Monaco und Michelson besaßen auch die Holding Images et Sons, die Betreibergesellschaft des geplanten neuen Senders Europe 1 (Felsberg/Überherrn). Als Gegenleistung für die Regierungsgenehmigung zum Bau von Europe 1 mußte Images et Sons einen Fernsehsender für die Telesaar installieren und täglich ein kostenloses Fernsehprogramm von drei Stunden Dauer liefern. Das Fernsehprogramm enthielt die französischen Fernsehnachrichten aus Paris und ein entsprechendes Filmprogramm (beides wurde vor der Sendung synchronisiert). Am 23. Dezember 1953 wurde es erstmals ausgestrahlt. Rund 700 Fernseher gab es damals im Saarland, vor allem in Gastwirtschaften, wodurch die gesamte Bevölkerung das Programm sehen konnte. Im Abstimmungskampf 1955 war der Sender zu strikter Neutralität verpflichtet, daher zog Frankreich Frédéric Billmann vom Posten des Generaldirektors und technischen Sendeleiters zurück und übertrug seine Gesellschafteranteile am Sender auf die Saarregierung.

Saarländischer Rundfunk seit 1957

Nach der Ablehnung des Saarstatuts bildete die Übergangsregierung unter Ministerpräsident Welsch einen neuen vierköpfigen Aufsichtsrat für den Rundfunk, der Professor Dr. Eugen Meyer zum vorläufigen neuen Geschäftsführer ernannte. Am 27. November 1957 wurde vom Landtag das Gesetz verabschiedet, demzufolge der Saarländische Rundfunk zum 1. Januar 1957 alle Rechte und Pflichten der früheren GmbH übernahm. Die längst verteilten Einzugsgebiete für die Rundfunkgebühren der ARD, in die der SR im Mai 1959 aufgenommen wurde, erwiesen sich als chronisches Finanzproblem des Senders, das auch durch den Finanzausgleich zwischen den kleinen und großen Anstalten nie wirklich ausgeglichen wurde. Am 16. Juli 1958 sendete die private Produktionsgesellschaft Tele Saar zum letzten Mal ein eigenes Programm. Die Auseinandersetzungen um Lizenz und Sendefrequenz hatten sich jetzt mit denjenigen über die Rückgliederung des Saarlandes verzahnt. Am 22. September 1959 übernahm der SR zum ersten Mal das ARD-Programm, auch die regionale SWF-Sendung mit Werbung. Ab 1960 konnte der SR ein eigenes Regionalprogramm produzieren. Um die Einnahmen aus der Konzessionsabgabe von Europe 1 auf eine dauerhafte neue Rechtsgrundlage zu stellen und diese Einnahmen auch erhöhen zu können, wurde am 2. Dezember 1964 vom Landtag ein neues Rundfunkgesetz für das Saarland verabschiedet. Am 7. Juni 1967 wurde mit einem weiteren Gesetz die Möglichkeit geschaffen, im Saarland einen Privatsender in deutscher Sprache zu betreiben, was dem ständig von Auflösungsforderungen bedrohten Sender erstmals höhere Finanzausgleichszahlungen verschaffte. Frédéric Billmann wurde 1967 Gründer der ersten privaten Rundfunkgesellschaft auf deutschem Boden, Europäische Rundfunk- und Fernseh AG, die bis heute als Trägergesellschaft von Europe 1 fungiert. 1968 transkodierte der SR als erste deutsche Fernsehanstalt einen französischen Spielfilm, den er gleichzeitig live vom französischen SECAM-System auf PAL übernahm, und bewies damit die Möglichkeit der Verbindung beider europäischer Fernsehsysteme. Ende 1960 ging der erste Fernsehübertragungswagen des Senders in Betrieb. Nach dem Start der Europawelle Saar am 2. Januar 1964 folgte 1967 die Umwandlung des zweiten Hörfunkprogramms zur Studiowelle Saar. Der weitere technische und Programmausbau des SR sowie die Reform bzw. Entwicklung weiterer Radioprogramme haben die heutige Form der Radioprogramme geschaffen: Europawelle SR 1, Kulturradio SR 2, Saarlandwelle SR 3, SR 4. Die enge Zusammenarbeit des SR mit ORTF, dem französischen staatlichen Rundfunk, und seinen Nachfolgeorganisationen wurde in den letzten vier Jahrzehnten nicht nur beibehalten, sondern auch weiter gefestigt: Kooperationsprojekte seit 1969, Direktübertragungen von Konzerten seit 2. Oktober 1972, Deutsch-Französische Gespräche (erstmals 23./24. Oktober 1981) und weitere Aktionen wie z.B. das erste zweisprachige deutsch-französische Hörspiel. Aufgrund seiner grenzüberschreitenden Berichterstattung reicht der Hörerkreis des SR heute weit nach Lothringen und Luxemburg hinein.

Quellen und weiterführende Literatur

Altmeyer, Klaus, Rundfunk im Saarland. Vom Besatzungssender zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in privater Konkurrenz, in: Saarländischer Journalistenverband (Hg.), Menschen Medien Mächte. 50 Jahre Saarländischer Journalistenverband II 1947–1997. Eine Dokumentation, Saarbrücken 1997.

Saarländischer Rundfunk (Hg.), Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken 1937–1987, Saarbrücken 1987.

Saarländischer Rundfunk (Hg.), SR – Unser Sender an der Saar. 50 Jahre Rundfunk im Saarland, Saarbrücken 1985.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.