Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Roger Seimetz

Meder-Haus

65, Rue Zénon Bernard, Esch-sur-Alzette

Baugeschichte

Das Gebäude wurde 1974 von der Gemeinde Esch-sur-Alzette erworben, bevor es in den Besitz des Staates überging (heute: Ministère de la Culture, de l’Enseignement Supérieur et de la Recherche, Centre d’Animation Culturelle Régionale Sud). Moïse Olivo gehörte zu den ersten Einwanderern aus Italien. Er stammte aus dem italienischen San Gregorio nelle Alpi (Provinz Belluno) und ließ sich zwischen 1890 und 1895 in Esch nieder. Hier eröffnete er ein Geschäft mit italienischen Lebensmitteln, die er auch ins benachbarte lothringische Audun-le-Tiche (Teutsch-Oth) verkaufte. Im Jahre 1907 ließ er sich in der Zénon-Bernard-Straße ein prächtiges Wohnhaus errichten, das offenbar eine am Lago Maggiore gelegene Villa kopieren sollte.

Baugestalt

Eine der schönsten erhaltenen Jugendstil-Fassaden Luxemburgs. Der Eingang von der Straßenseite her liegt in einem leicht hervorstehenden Seitenrisalit mit Kuppel und Kreuzblume, bärtigem, von Eichenlaub umranktem Männerkopf, Datum, Eisenankern, Füllhörnern und Weintrauben. Die räumliche und organisatorische Konzeption des Hauses beruht auf der Suche nach einem Ausweg aus dem vorherrschenden Historismus. Die Fassade zeigt Masken von Menschenköpfen sowie weiche Linien und Formen nach dem Vorbild von Pflanzen und Tieren, so auch am schmiedeeisernen Tor. Die Formen aus früheren Stilrichtungen (Gotik, Romanik, Romantik) wachsen zu „neuen“ Formen heran. Die Dachfenster haben Hufeisenform, das Steingesims wird hervorgehoben durch ein zusätzliches Gesims aus Zink, das mit Akanthusblättern geschmückt ist. Eine Terrasse mit klassischer Balustrade dehnt sich vor dem eigentlichen Haus aus, während die Umfassungsmauer und die Eisengeländer typische Art-Nouveau-Stilzüge tragen. An die italienische Herkunft des Besitzers (Initialien MO über der Eingangstür) wird stellenweise bildlich erinnert: Landschaftsbilder aus dem Veneto, „Salve“-Inschrift an der Decke, Büste Dante Alighieris.

Bauliche Veränderung

Zahlreiche Elemente des Baus sind verschwunden (langes Leerstehen wegen kommunaler Unentschlossenheit hinsichtlich einer Umnutzung des Meder-Hauses, obwohl Ende der siebziger/Anfang der achtziger Jahre entsprechende Vorschläge vorlagen; Raub kostbarer Inneneinrichtungen; Vandalismus).

Nutzung und Umnutzung

„Meder-Haus“: 1918 kauft der Wein- und Spirituosenhändler Charles Meder das Gebäude. Um seine Verbundenheit mit der Architektur und der Geschichte des Hauses auszudrücken, läßt er die Buchstaben MO über der Eingangstür seinem eigenen Namenszug (MC) entsprechend umgestalten.

Restaurierungsarbeiten im Innern des Gebäudes berücksichtigen ältere Elemente, geben ihm aber zeitgenössisches Aussehen.

Historischer Zusammenhang

Die Geschichte der Stadt Esch hängt eng mit der Entdeckung des Eisenerzes („Minette“) im Jahr 1838 zusammen. Abbau und Verarbeitung verlangten zahlreiche hochqualifizierte Arbeitskräfte, so daß die Einwohnerzahl des Ortes rasch zunahm (1827: 1050 Einwohner, 1869: 2123 Einwohner, 1905: 11814 Einwohner, 1930: 30000 Einwohner, heute: 28000 Einwohner). Zahlreiche neue Bauten wurden errichtet; Auftraggeber: Deutsche, Belgier, Franzosen, Luxemburger. Die Architektur spiegelte sowohl deutsche als auch mediterrane Einflüsse wider. Esch-sur-Alzette wurde zum Schmelztiegel europäischer Architektur.

Kulturelles Aktionszentrum mit überregionaler Bedeutung (Saarland, Lothringen).

Denkmalwert

1973 in die Zusatzliste der geschützten Denkmäler eingeschrieben.

Quellen und weiterführende Literatur

Koch, Wilfried, Baustilkunde, München 1991.

Reitz, Jean, Maison Meder, Luxemburg: Service des Sites et Monuments Nationaux o.J.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.