Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Kongreßhalle Saarbrücken

Hafenstraße 12, Saarbrücken

Aus Anlaß der politischen Wiedervereinigung des Saarlandes mit der Bundesrepublik am 1. Januar 1957 teilte Bundeskanzler Konrad Adenauer bei der Feierstunde im Stadttheater (heute Staatstheater) Saarbrücken mit, daß die Bundesregierung beschlossen habe, „zur Erinnerung an den heutigen Tag Ihnen die Mittel für die Errichtung eines Hauses zur Verfügung zu stellen, das der Mittelpunkt aller kulturellen Bestrebungen Ihres Landes werden soll“ (Adenauer, zitiert nach Kongreßhalle Saarbrücken 1967, unpaginiert). Die Landesregierung und die Stadtverwaltung kamen überein, daß Saarbrücken eine Kongreßhalle benötigte, was jedoch nicht der schlichter dimensionierten Idee der Bundesregierung entsprach. Über Standort, Gebäudebezeichnung, bauliche Gestaltung, Verwendungszweck und Finanzierung wurde kontrovers diskutiert. Schließlich wurde die Kongreßhalle von Bund, Land und Stadt in gemeinsamer Finanzierung errichtet, wobei der Bund die Hälfte, die Landesregierung und die Stadt je ein Viertel der Kosten trugen. Das Ministerium für öffentliche Arbeiten und Wohnungsbau des Saarlandes vergab nach einem Architektenwettbewerb (Frühjahr 1959) den Entwurf an den Architekten Professor Dieter Oesterlen (Hannover und Braunschweig). Auftragsgemäß plante der Preisträger zunächst nur eine Konzerthalle mit Kunstgalerie und legte 1960 seinen Vorentwurf zur Zustimmung in Bonn vor, ein Jahr später wurden die endgültigen Pläne der Landesregierung und dem Stadtrat Saarbrücken vorgelegt. Aufgrund zahlreicher Veränderungen stand am Ende der Plan einer Mehrzweckhalle mit überdachter Einfahrt, Eingangs- und Kassenhalle, Foyers, Sälen und Konferenzräumen unterschiedlicher Größe sowie einem Restaurant: „Tagungen und Kongresse, Ausstellungen kultureller und Bildender Art (sic), Symphonie- und Kammerkonzerte, Liederabende, Ballet- und Kabaretaufführungen (sic) sowie gesellschaftliche Ereignisse besonderer Note können hier in großem Rahmen durchgeführt werden“ (Kongreßhalle o.J., S. 2). Der Stadtrat übernahm mit Beschluß vom 3. November 1961 die Kosten für Unterhaltung und Bewirtschaftung der künftigen Halle. Das langgestreckte rechteckige Stahlbetongebäude erhielt seinen Standort im Stadtzentrum. In den 1950er Jahren lag hier noch die Hafeninsel am alten Saarbrücker Kohlenhafen, die vom Hafenarm der Saar umschlossen und von Kohlenbergen bedeckt war. Nach der Schließung des Kohlenhafens und der Zuschüttung des Hafenarmes stand hier ein großes unbebautes Gelände in zentraler Lage zur Verfügung. Im Frühjahr 1962 begannen die Vorarbeiten, die Grundsteinlegung erfolgte am 26. Juni 1962 durch den Minister für gesamtdeutsche Fragen Ernst Lemmer. Beim Richtfest am 17. Juni 1964 war Vizekanzler Erich Mende zu Gast. In den Jahren 1965 und 1966 wurde der Innenausbau erstellt. Die Front des direkt am Fluß gelegenen 91,70 m langen Baukörpers, der sich parallel zur Saar auf St. Johanner Seite entlang der verlängerten Berliner Promenade erstreckt, ist größtenteils verglast. Im arkadengesäumten Sockelgeschoß befinden sich Parkplätze. Die Kongreßhalle schließt sich im städtebaulichen Panorama saarabwärts an den bebauten Teil der Berliner Promenade an und verlängert damit optisch diese in den 1950er und 1960er Jahren entstandene, baulich geschlossene Flußfront. Der große Saal, das architektonische Herzstück der Kongreßhalle, setzt sich mit seiner gestreckten hexagonalen Form bis in Fassade und Dach fort. An der Fassade springt seine Form risalitartig aus der linken Gebäudehälfte hervor und geht so ins Dach über, wo der Saal die 17,55 m hohe Dachebene deutlich überragt. Seine Hexagonhälften gliedern, von der Saar aus gesehen, den Baukörper in horizontaler, vertikaler und diagonaler Richtung. Die variable Innengestaltung des großen Saales (maximal rund 1400 Sitzplätze) sowie weiterer Gebäudeteile ermöglicht Veranstaltungen ganz unterschiedlicher Art. Auch der kleine Saal, stadtwärts als Eckraum in der anderen Gebäudehälfte errichtet, ist durch eine Binderkonstruktion von außen erkennbar und gliedert als linkes Eckelement die Fassade des stadtwärts gelegenen Haupteingangs in vertikaler Richtung, indem die senkrechten Betonstreifen über die Dachebene hinaus reichen. Der große und der kleine Saal wurden beim Bau mit allen möglichen technischen Details ausgestattet, die damals für künftige Nutzungen planbar waren, darunter Dolmetscherkabinen für zwei- oder dreisprachige Veranstaltungen. Am 30. Januar 1967 wurde der Bau anläßlich der zehnjährigen Zugehörigkeit des Saarlandes zur Bundesrepublik von Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger eingeweiht. Das Gebäude wurde Ende der 1990er Jahre renoviert und dabei in Details baulich verändert. Anläßlich der Einweihung der Kongreßhalle erschien in Saarbrücken eine zweisprachige deutsch-französische Broschüre, in der sich Saarbrücken als „Stadt der Begegnung“ präsentierte. Das neue, sich urban gebende Saarbrücken, das seit 1963 eine Stadtautobahn hatte, stellte sich, so eine andere, deutschsprachige Broschüre von 1967, mit dieser Halle zugleich als „Stadt deutsch-französischer Begegnung“ (Kongreßhalle in Saarbrücken, unpaginiert) vor. Die historisch belastete Zeit zwischen 1870 und 1957 wurde nur vage angesprochen, so betonte die zweite Broschüre die Lage an der Grenze als Ort der „deutsch-französischen Aussöhnung“ und hob den „in einem Bunkerfeld des Westwalls“ und „in der Nähe historischer Schlachtfelder“ gelegenen Deutsch-Französischen Garten als „Friedenswerk beider Völker“ hervor. Der „freundliche Kontakt“ zwischen den Menschen an der Grenze sei das Wichtigste. Die Fotos zu diesem Textteil sprechen eine eigene Sprache: Das Bild eines deutschen Kriegerdenkmals von 1870 auf den Spicherer Höhen steht direkt neben dem einer französischen Modeausstellung in Saarbrücken, verbunden mit einem Bild, auf dem Rotwein und verschiedene Käsesorten die Idee „Frankreich“ verkürzend apostrophieren. Nur im unteren Teil der Seite sind tatsächlich deutsch-französische Veranstaltungen in Saarbrücken zu sehen, und auf beiden sind Franzosen in militärischer Uniform der napoleonischen Zeit bzw. in der Uniform der Nachkriegszeit zu sehen. Die zugehörige Bildbeschreibung dieser Fotos „vergißt“ zu erwähnen, daß die Spicherer Höhe nun gerade nicht zum Stadtgebiet von Saarbrücken gehört, sondern seit 1918 zu Frankreich.

Heute (2001) ist der historische Hintergrund für den Bau der Kongreßhalle und ihre einstige kulturpolitische Brisanz in der jüngeren Saarbevölkerung weitgehend unbekannt. Im städtebaulichen Bild des heutigen Saarbrücken ist die Flußfront auf dem rechten Saarufer saaraufwärts durch einen repräsentativen Hotelbau zwischen Kongreßhalle und Berliner Promenade und saarabwärts durch die Gestaltung des Bürgerparks und der darin liegenden Repräsentativbauten des Arbeitsamtes und der Landesbank des Saarlandes ergänzt, die etwas zurückgesetzt vom Flußufer stehen.

Quellen und weiterführende Literatur

Kongreßhalle Betriebs-GmbH (Hg.), Kongress in Saarbrücken, Saarbrücken 1970.

Regierung des Saarlandes, Ministerium für Öffentliche Arbeiten und Wohnungsbau (Hg.), Kongreßhalle Saarbrücken. Saarland 10 Jahre Bundesland, Saarbrücken 1967.

Kongreßhalle Betriebs-GmbH (Hg.), Kongreßhalle Saarbrücken, Saarbrücken 1978.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.