Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Arbeiter- und Beamtensiedlung Velsen

Kirchstraße, Kastanienstraße, Alleestraße, Rosseler Straße und Rotweg, Velsen/Völklingen

Baugeschichte

In der Gemeinde Ludweiler, zu der Velsen gehört, bestimmte wie überall an den Abbaustandorten des Saarreviers die Entwicklung der jeweiligen Grube die Bevölkerungszahl und -zusammensetzung. Die Dorfentwicklung der ursprünglich rein ländlichen Siedlungen wurde durch die Werkssiedlungen der Gruben geprägt: Die Hälfte der Ludweiler Bevölkerung lebte bis in die 1950er Jahre hinein vom Bergbau. In Velsen baute die preußische Bergwerksverwaltung zwischen 1907 und 1919 insgesamt 37 Häuser für Bergleute und Bergbeamte, davon die ersten zwei 1907 in der Kirchstraße als Beamtendoppelhäuser. 1908 folgten 29 Arbeiterhäuser in sieben verschiedenen Haustypen. Die Arbeiterhäuser wurden als anderthalbgeschossige Putzbauten mit integriertem oder separatem Wirtschaftstrakt gestaltet. Hinzu kamen zwischen 1909 und 1919 sechs Ein- und Zweifamilienhäuser für mittlere und höhere Beamte. Die preußische Grubensiedlung (Kirch-, Kastanien- und Alleestraße) wurde seit dem Übergang der Häuser in Privatbesitz stark verändert und hat ihren Siedlungscharakter weitgehend verloren. Ab 1919 errichteten die Mines Domaniales Françaises insgesamt 123 Ein- und Zweifamilienhäuser. Diese umfangreiche Bautätigkeit entfalteten die Mines Domaniales am Osthang des Schweizerberges, wo 108 Arbeiterhäuser und, näher zur Grube Velsen hin, 15 aufwendigere Beamtenhäuser entstanden. Die Beamtenhäuser wurden in zwei Bauphasen errichtet: 1920 zwei zweieinhalbgeschossige Einfamilienhäuser für leitende Beamte im Rotweg, zwischen 1921 und 1924 folgten 13 Doppelhäuser in der Rosseler Straße, Kirchstraße und dem Rotweg. Daneben baute der französische Bergfiskus wohl schon 1920 eine Domanialschule, in deren Räumlichkeiten heute ein Kindergarten und das Technische Hilfswerk untergebracht sind. Der zweigeschossige Putzbau, von Werksteinen gegliedert, mit Walmdach, zwei niedrigeren Anbauten und Hofgebäude zeigt neoklassizistische Anklänge. Die Velsener Bergbaukolonie ist das größte und zugleich am besten erhaltene Siedlungsprojekt aus der Zeit des französischen Bergfiskus im Saargebiet (1920–1935).

Regionalhistorischer Kontext

Die Geschichte des Verbundbergwerkes Warndt belegt durch seinen Wechsel von Velsen zum heutigen Hauptstandort Karlsbrunn und der Veränderung bei den Abbaufeldern die direkte technische und industrielle Wirkung des Saarvertrages. Während die Grubenstandorte im Sulzbach- und Fischbachtal auch andere Industriebetriebe auf ihrem Bann hatten und dadurch, wie im Falle von Sulzbach, Dudweiler und Friedrichsthal bis auf Stadtgröße anwuchsen, blieb es in Ludweiler bei einer zwar starken, aber den dörflichen Rahmen nicht sprengenden Bevölkerungszunahme. Diese fand jedoch vollkommen abseits vom Siedlungskern des bäuerlich geprägten Hugenottendorfes statt, was einen Effekt sozialer Abgrenzung der beiden Siedlungsbereiche mit sich brachte, wie er auch bei anderen isoliert liegenden Grubensiedlungen auftrat, etwa bei der sogenannten Insel (Bildstock) und dem Madenfelderhof (bei Neunkirchen). Weder die preußische noch die französische Bergverwaltung blickten in dieser Hinsicht über das direkte Ziel der Schaffung von Wohnraum für die Betriebsangehörigen hinaus, der möglichst nahe am Betrieb liegen sollte. Der neue, weitgehend isolierte Siedlungskern war so sehr ein Produkt der industriellen Entwicklung, daß er sogar seinen Namen nach dem preußischen Bergwerksdirektor erhielt, nachdem schon die Grube benannt war.

Ähnlich wie an den zahlreichen anderen Grubenstandorten des Saarlandes ist in Velsen eine teilweise Kontinuität zwischen der preußischen und der französischen Bautätigkeit erkennbar. Der frühe Baubeginn (1919) und große Umfang der französischen Kolonie kennzeichnet diese als eine Art Prototyp innerhalb des französischen Werkswohnungsbaues an der Saar. Während der Saargebietszeit hatten die Kinder der Bergleute einen sehr kurzen Weg zur Domanialschule mit ihrem französisch geprägten Lehrplan, die mitten in ihrem Wohngebiet lag, jedoch einen viel längeren Weg, wenn die Eltern sie in die Schulen in Ludweiler schickten, wo ein deutsch geprägter Lehrplan galt.

Quellen und weiterführende Literatur

Oberhauser, Fred, Das Saarland, Kunst, Kultur und Geschichte im Dreiländereck zwischen Blies, Saar und Mosel, 2. Auflage, Köln 1999, S. 23.

Schmitt, Armin, Denkmäler saarländischer Industriekultur. Wegweiser zur Industriestraße Saar-Lor-Lux, 2. Auflage, Saarbrücken 1995, S. 162–165.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 245, 293–294.

Stadtverband Saarbrücken (Hg.), Werkswohnungen des Preußischen Bergfiskus und der Mines Domaniales Françaises. Eine Dokumentation zum Werkswohnungsbau der preußischen und französischen Grubenverwaltung zwischen 1815 und 1935 im Stadtverband Saarbrücken, Saarbrücken 1985, S. 64–68.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.