Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Gustav-Regler-Stein

Gustav-Regler-Stein, Am Seffersbach, Friedhof, Propsteistraße, sowie Haus am Münchberg im Gustav-Regler-Zentrum, Trierer Straße 148, Merzig; Gustav-Regler-Wanderweg, Büschdorf/Perl; Gustav-Regler-Platz, St. Johann/Saarbrücken

Bereits seit 1978 hatte man sich im Stadt- und Ortsrat von Merzig damit befaßt, den Schriftsteller Gustav Regler (geboren am 25. Mai 1898 Merzig, gestorben am 14. Januar 1963 in Neu Delhi/Indien) zu ehren. Am 28. April 1983 beschloß man, eine Gedenktafel im Bereich der Straße Am Seffersbach anzubringen. Im Juli 1984 wurde der saarländische Bildhauer Paul Schneider beauftragt, einen Gedenkstein zu gestalten; Schneider hatte diesen Auftrag bereits erwartet und seit einigen Monaten an einem Schwarzwaldgranit gearbeitet, der seinen Vorstellungen für ein solches Denkmal entsprach. Der schiffsförmige Stein wurde am 27. September 1984 in der Straße Am Seffersbach auf einem kleinen Platz errichtet. Der 4,20 m lange, 90 cm hohe und breite, rötlich-graue Stein erhielt damit seinen Platz an einer belebten Stelle des Stadtzentrums.

Bildhauer Paul Schneider

Paul Schneider, 1927 in Saarbrücken geboren und seit 1978 in Merzig-Bietzen ansässig, genoß bereits internationales Ansehen, als er den Regler-Stein schuf. Seither wurde unter anderem sein siebenjähriges Projekt der grenzüberschreitenden Skulpturenstraße „Steine an der Grenze – Les Menhirs de l’Europe“ (1986–1992) besonders beachtet.

Steinernes Schiff der Unruhe

Schneider schuf den Monolithen als liegenden Menhir und gab ihm die Form eines Schiffes als Sinnbild geistiger Unruhe. Das bewegte Leben des exilierten Vielreisenden Regler gab Schneider einen weiteren wichtigen Grund, gerade diese Form zu wählen. Der auf der Oberseite glatte und an den Seiten nur wenig polierte Schiffsstein wurde von Schneider parallel zum Seffersbach mit Fahrtrichtung zur nahen Saar ausgerichtet, um diesen Eindruck zu unterstützen. Im Heck des steinernen Schiffes befindet sich eine kleine Mulde, deren langsam vertrocknendes Regenwasser das Verstreichen der Zeit symbolisiert und die zugleich als Vogeltränke dient. Seitlich ist ein gelber Kugelgranit eingelassen, den Regler selbst einmal in einem mexikanischen Vulkansee aufsammelte – eine Anspielung auf seine langjährige Heimat Mexiko und den Titel seines 1947 in Saarbrücken erschienenen Werkes „Vulkanisches Land, Ein Buch von vielen Festen und noch mehr Widersprüchen“. Im Bug ist der Stein von oben und von beiden Seiten durchbrochen. Das hindurchfallende Sonnenlicht soll auf diese Weise ebenfalls die Veränderung und das Vergehen der Zeit sichtbar machen. Wegen Reglers Interesse für Indien in seinen letzten Lebensjahren ließ Schneider in der Schiffsmitte einen indischen Granitstein von rund 10 cm Höhe ein, dem er die Form einer mexikanischen Stufenpyramide mit Reglers Namen und Lebensdaten gab. Seitlich ist nahe der Mitte ein Ohr eingemeißelt als Bezug auf Reglers Autobiographie „Das Ohr des Malchus“. Über die gesamte Oberfläche verteilt sind zwei Zitate aus Gedichten Reglers eingemeißelt.

Gustav-Regler-Zentrum und Gustav-Regler-Wanderweg

Das Zentrum, hinter den SHG-Kliniken am Münchberg gelegen, wird seit 1997 im Gedenken an Regler sukzessive zu einem Ort der Kultur und der Toleranz aufgebaut. Das Regler-Zentrum ist in der ehemaligen Leichenhalle der Kliniken untergebracht und bezieht auch einen Teil des zugehörigen ehemaligen Friedhofs ein. Hier entsteht das künstlerische Projekt eines „Parks der Andersdenkenden“, der an die Zeit erinnert, als die Kliniken noch „Irrenanstalt“ waren und hier vor und während der Zeit des Nationalsozialismus ein Ort der Qual für seelisch Erkrankte und Behinderte bestand.

In Büschdorf beginnt der auf die Grenze zuführende Gustav-Regler-Wanderweg, einer von mehreren Saar-Lor-Lux-Wanderwegen, die in den letzten 15 Jahren im Saargau eingerichtet worden sind.

Buchhändlerssohn, Geisteswissenschaftler, Schriftsteller

Gustav Regler entstammte einer Merziger Buchhändlerfamilie und besuchte in Dillingen das Gymnasium. 1916 erhielt er den Preis für Jugendliteratur der Dillinger Hütte. Seine Erfahrungen als Soldat im Ersten Weltkrieg und der Rat seines universitären Lehrers Alfred Weber brachten Regler dazu, sich 1918 dem sogenannten „Regiment Reichstag“ zur Verteidigung der gerade gegründeten deutschen Republik anzuschließen. Zwischenzeitlich hielt er sich in München auf und sympathisierte mit der Räterepublik. Regler promovierte nach dem Studium in Heidelberg und München 1923 zum Dr. phil. und war zeitweise als Lehrer und Journalist tätig (u.a. für das Berliner Tagblatt und die Nürnberg-Fürther Morgenpresse). Er heiratete die Tochter eines Leipziger Unternehmers, in dessen Konzern er bis zur Scheidung 1926 arbeitete. In dieser Zeit begann er literarisch zu arbeiten. 1928 ging Regler eine neue Ehe mit Marieluise Vogeler ein, der Tochter des Worpsweder Malers und utopistischen Kommunisten Heinrich Vogeler. Sie übersiedelten 1929 nach Berlin und lebten in einem von linken Künstlern bevorzugten Bezirk des „Roten Blocks“ am Laubenheimer Platz. In dieser Zeit trat der vom Kommunismus überzeugte Regler in die KPD ein, deren wechselnde Leitlinien er damals nicht kritisch hinterfragte.

Antifaschistisches Engagement

Nach dem Brand des Reichstages (27. Februar 1933) verließ Regler Berlin, versteckte sich zunächst in Worpswede, wo er jedoch denunziert wurde, und ging Anfang März 1933 ins Saargebiet zurück. Er reiste weiter nach Frankreich, kehrte aber einem NS-Spitzelbericht zufolge am 13. März 1933 aus Aix-en-Provence kommend nach Merzig zurück. Er setzte sich als Agitator der saarländischen KP im Abstimmungskampf an der Saar (1933–1935) für die Beibehaltung des Status Quo ein, um die Rückgliederung des damaligen Saargebietes an Hitlerdeutschland verhindern zu helfen. Aufgrund dieser prägenden Erfahrung betrachtete Regler auch in seinem späteren Leben antifaschistisches Engagement als selbstverständliche Aufgabe.

Abstimmungskampf an der Saar: „Im Kreuzfeuer“

Seinen Hauptbeitrag zum Abstimmungskampf, den Roman „Im Kreuzfeuer“, schrieb Regler in den Monaten, in denen er noch im Land lebte, und in der ersten Zeit seines französischen Exils ab 1934. In dem Agitations- und Heimatroman, der im gleichen Jahr in Paris veröffentlicht wurde, entwarf Regler ein Bild von der aufgeheizten politischen Atmosphäre an der Saar, schilderte auch den zunehmenden psychischen Druck, unter den die NSDAP und die NS-gesteuerte Deutsche Front die saarländischen Hitlergegner setzten. Nur allmählich löste sich die Saar-KP aus der isolierten Position eines Kampfes gegen Hitler und zugleich gegen die als Sozialfaschisten bezeichneten Sozialdemokraten. Der Roman, der diese langjährige Strategie der kommunistischen Partei unterstützte, wurde in der ersten Jahreshälfte 1934 durch die politische Entwicklung überholt. Entsprechend dem Drängen der eigenen Parteibasis und der weltweiten Kehrtwendung der kommunistischen Parteien schlossen sich am 2. Juli 1934 die SLS (Sozialdemokratische Landespartei des Saargebietes) und die Saar-KP nach langem Zögern zur Einheitsfront gegen Hitler zusammen.

Exil, Bürgerkrieg, Internierung, Exil: Von Frankreich nach Spanien und Mexiko

Regler, der am 1. November 1934 vom NS-Regime ausgebürgert wurde, nahm in den frühen 1930er Jahren an den Schriftstellerkongressen in Moskau, Paris und Madrid teil. Sein Buch „Die Saat“ (Amsterdam 1936) wurde in den Niederlanden als beste antifaschistische Novelle ausgezeichnet. Nach General Francos Putsch gegen die gewählte republikanische Regierung Spaniens kämpfte Regler im Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939) in der 12. Internationalen Brigade auf Seiten der Republik. Als Verwundeter kehrte er nach Frankreich zurück, wo er zu Beginn des Zweiten Weltkrieges im südfranzösischen Lager Le Vernet interniert wurde und in der Auseinandersetzung mit Parteigenossen am Kommunismus zu zweifeln begann. Unter dem Eindruck des Hitler-Stalin-Pakts trat er 1939 aus der KP aus. Gustav und Marieluise Regler verließen 1940 Frankreich. In Mexiko lebten sie zeitweise als Bauern im Indiodorf Tepotzlan; Marieluise Regler starb dort 1945.

Regler und das Saarland nach 1945

Reglers erstes in Mexiko verfaßtes Buch „Amimitl oder Die Geburt des Schrecklichen“ (1947), eine Novelle über den Machtwahn, wurde im Saarland auf Anordnung des damaligen saarländischen Kultusministers nicht an die Buchhandlungen ausgeliefert, obwohl die französische Militärregierung den Druck in Saarbrücken genehmigt hatte. Zusammen mit dem im gleichen Jahr in Saarbrücken veröffentlichten Werk „Vulkanisches Land, Ein Buch von vielen Festen und noch mehr Widersprüchen“, waren dies Reglers einzige deutsche Erstausgaben, die im Saarland erschienen. Zu kurzen privaten Besuchen ins Saarland kehrte Regler später immer wieder zurück.

Regler und die Bundesrepublik der Ära Adenauer

In der Büchergilde Gutenberg erschien 1948 die deutsche Ausgabe von „Die Saat“. Regler lebte in den 1950er Jahren wieder für einige Zeit in Worpswede. Er verließ die Bundesrepublik aber wegen seiner antifaschistischen Überzeugung bald wieder und ging zurück nach Mexiko, von wo aus er mit seiner dritten Ehefrau, der Amerikanerin Peggy Paul, zahlreiche Reisen unternahm.

Anerkennung in der Welt – Distanz in Deutschland

Gustav Regler ist einer der wenigen saarländischen Autoren, die internationale Geltung errangen, sowohl bei Schriftstellern wie André Malraux, Ilja Ehrenburg und Ernest Hemingway, die zu seinen Freunden zählten, als auch beim Publikum. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und erschienen in vielen Auflagen. Zu den bekanntesten zählt seine Autobiographie „Das Ohr des Malchus“ von 1958. Der internationalen Anerkennung stand in der BRD und der DDR ein jeweils zwiespältiges Verhältnis zu Regler gegenüber. Im Westen wurde er wegen seiner Zeit als Kommunist und seiner antifaschistischen Grundhaltung abgelehnt, dagegen sahen die offizielle DDR wie auch viele einstige Weggefährten ihn als Renegaten und Verräter an, wenn überhaupt von ihm gesprochen wurde.

Späte und postume Ehrungen

Im öffentlichen Leben des Saarlandes fand man rund zehn Jahre früher als im übrigen Bundesgebiet zu einer differenzierenden Wertung von Reglers Werk: 1960 erhielt er den erstmals vergebenen Kunstpreis des Saarlandes. Nach seinem Tod 1963 auf einer Studienreise in Indien wurde seine Urne in Merzig im Grab der Eltern beigesetzt. Die Stadt Merzig tat sich noch zwei Jahrzehnte lang schwer mit ihrem berühmten Sohn, der zum Weltbürger geworden und erst als Toter zurückgekehrt war: Die Beratung und Diskussion darüber, ob und wie man ihn ehren solle, dauerte rund sechs Jahre, ein Indiz dafür, wie sehr Regler auch in der eigenen Heimatstadt noch immer umstritten war. Im übrigen Bundesgebiet markieren die 1970er Jahre die Wende in der Regler-Rezeption. Eine Fernsehdokumentation von Georg Bense und Günther Halkenhäuser unter dem Titel „Merzig, Moskau, Mexiko“ wurde 1972 vom Saarländischen Rundfunk ausgestrahlt. Seit 1975 existiert in Saarbrücken eine Arbeitsstelle für Gustav-Regler-Forschung an der Universität des Saarlandes. Von hier aus wird seither die Edition einer Regler-Gesamtausgabe betreut und sukzessive veröffentlicht. Seither gab es und gibt es immer wieder Ehrungen und Gedenkveranstaltungen im Saarland. 1983 wurde aus Anlaß seines 20. Todestages und des 50. Jahrestages der Bücherverbrennung von 1933 in mehreren saarländischen Städten eine Veranstaltungsreihe mit Lesungen etc. durchgeführt. Die Stadt Merzig stellte 1984 den Gedenkstein auf. Beim 17. Filmfestival Max-Ophüls-Preis 1996 in Saarbrücken lief als Eröffnungsfilm der Spielfilm „Brennendes Herz – Tagebuch einer Flucht“ (BRD 1995, Regie: Peter Patzak) mit Helmut Griem in der Rolle von Gustav Regler. Anläßlich des Neubaues am Saarbrücker Rathaus und der Gestaltung des neuen sogenannten „Rathaus-Carrées“ wurde 1998 an der Betzenstraße der Gustav-Regler-Platz eingeweiht.

Quellen und weiterführende Literatur

Diwersy, Alfred, Gustav Regler – Bilder und Dokumente, Saarbrücken 1983.

Diwersy, Alfred, Steine an der Grenze. Die Skulpturenlandschaft des Saargaues, Blieskastel 1996, S. 192–197.

Regler, Gustav, Im Kreuzfeuer, Paris 1934/Hildesheim 1978/Frankfurt a.M. 1986 (Verboten und verbrannt – Bücher aus dem Exil, Bd. 5181).

Regler, Gustav, Das Ohr des Malchus, Köln 1958.

Schmidt-Henkel, Gerhard, Gustav Regler, in: Saarländische Lebensbilder, Bd. 1, Saarbrücken 1982, S. 183–209.

Schock, Ralph, Gustav Regler – Literatur und Politik (1933–1940), Frankfurt a.M. 1984.

Scholdt, Günter, Gustav Regler – Odysseus im Labyrinth der Ideologien, eine Biographie in Dokumenten, St. Ingbert 1998 (Schriften der saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek, Bd. 4, hg. von Bernd Hagenau).

Ders. (Hg.), Gustav Regler 1898–1963. Saarländer – Weltbürger, Katalog zur Ausstellung, Lebach 1988.

Verband Deutscher Schriftsteller (VS), Landesverband Saar (Hg.), Begegnungen mit Gustav Regler, Saarbrücken 1978.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.