Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
    Druckversion (PDF)    
 

Gerhild Krebs

Brücken an der mittleren Saar und ihren Nebenflüssen

Alte Brücke, Saarbrücken; Alte Saarbrücke, Saarlouis; Niedbrücke, Rehlingen-Siersburg; Bliesbrücke, Lengertstraße, Oberlinxweiler/St. Wendel; Römerbrücke, Brückenstraße, Fürth im Ostertal/Ottweiler

Saarbrücken – Treffpunkt alter Fernwege

Saarbrücken verdankt seine Entwicklung zur einzigen Großstadt am Flußlauf der Saar seiner Lage an einer dreifachen Kreuzung traditioneller Straßen, die seit vorgeschichtlicher Zeit als europäische Fernwege benutzt wurden. Hier trifft der uralte nordwestliche Wasserweg der schiffbaren Saar, der vom Vorland der nördlichen Vogesen über Mosel und Rhein zur Nordsee führt, auf zwei andere europäische Fernverbindungen, die den Fluß an dieser günstigen Furt überqueren: eine westöstliche Fernstraße zwischen Frankreich und Mitteldeutschland (die in Mainz den nordsüdlichen Fernweg Rhein kreuzt), und eine nordwestlich-südöstliche Fernstraße zwischen Flandern und der Lombardei, die vor allem im Mittelalter und der Frühen Neuzeit wichtig war. Furten, Boots- und Floßfähren, aber vergleichsweise wenige Brücken ermöglichten bis zur Moderne den Verkehr und Transport auf der schiffbaren mittleren Saar. Die wenigen Brücken über die Saar, die es vor dem 18. Jahrhundert gab, waren meist aus Holz. Schon früh zeigten Militärs ein Interesse an Brücken, wenn sie strategisch bedeutsam waren: Am Kreuzungspunkt der beiden römischen Nachschubstraßen zwischen Metz und Worms sowie Trier und Straßburg entstand ab dem 1. Jahrhundert eine Siedlung. Später wurde zum Schutz der Straßen ein spätrömisches Militärlager erbaut (im 4. Jahrhundert, nach 352; zerstört spätestens im 5. Jahrhundert). Es lag im nördlichen Bereich des heutigen Saarbrücker Stadtteils Brebach. Das Fundament des Kastells wurde 1924 und 1964 ergraben und konserviert. Die Mauerreste befinden sich im Gewerbegebiet Saarbrücken-Ost, ca. 400 m von der Saarbahn-Haltestelle „Römerkastell“. Die westöstliche Straße überquerte die Saar mittels einer hölzernen, ab der Spätantike mittels einer steinernen Brücke entlang einer Trasse zwischen dem Halberg und St. Arnual. Die frühe Ausführung der Brücke in Stein unterstreicht die wachsende Bedeutung, die der Kreuzungspunkt hatte: Ihr teurer Bau zwecks Sicherheit gegen Hochwasser und Eisgang hatte nur Sinn an einer strategisch bedeutsamen, bereits verkehrsreichen Stelle. Nach dem Ende der Römerzeit im 5. Jahrhundert wurde die steinerne Saarbrücke zur Ruine und man überquerte die Saar wieder mit Furten und Fähren. Im Mittelalter gab es an der mittleren Saar eine bedarfsorientierte, unregelmäßige Fährverbindung zwischen den beiden wichtigsten Orten, die bereits eigenständige Städte waren (Saarbrücken seit 999, bestätigt 1321/1322, St. Johann seit 1321/1322). Der Stadtname Saarbrücken leitet sich wohl nicht von dem Wort Brücke ab, sondern kommt eher von dem keltischen briga (Fels) her; die Bezeichnung „Saarbrocken“ für den einst markanten Schloßfelsen erinnert daran. Seit dem Mittelalter wurde der Schloßfelsen mehrfach nivelliert und abgeschrotet.

Alte Brücke, Saarbrücken

Die älteste erhaltene Steinbrücke über die Saar ist die Alte Brücke in Saarbrücken, eine ursprünglich auf 13 Pfeilern stehende, massive Steinkonstruktion. Ihr Bau wurde 1546–1548 veranlaßt von einem Anhänger Kaiser Karls V., dem baufreudigen Saarbrücker Grafen Philipp II. – auf Wunsch des Kaisers, der 1546 auf dem Weg nach Frankreich die Saarstädte Saarbrücken und St. Johann passieren wollte und durch Hochwasser einige Tage aufgehalten wurde. Der Bau kostete rund 20000 Gulden; zu seiner Finanzierung erbat sich Philipp das Recht, einen Brückenzoll zu erheben. Sie war zwischen 1548 und 1784 die einzige Steinbrücke am Fluß und bis 1865 die einzige Brücke in den Saarstädten, abgesehen von der Eisenbahnbrücke, die 1849 am Schanzenberg für die Bahnlinie nach Forbach errichtet wurde. An den malerischen Nebenflüssen Blies und Oster im Nordosten des Saarlandes entstanden um 1550 zwei weitere Steinbrücken. Die dreibogige Brücke aus Sandstein, die in Oberlinxweiler (Lengertstraße) die Blies quert, und die steinerne vierbogige sogenannte Römerbrücke über die Oster in Fürth (Brückenstraße), deren Brückenpfeiler mit Wasserbrechern versehen sind. Die Fernstraße über die Saar hatte ihre Bedeutung durch das ganze Mittelalter und die Renaissance bis zur Moderne behalten. Zunächst war sie eine mittelalterliche via regalis (Königsstraße), d.h. Fernhandels-, Heer- und Nachrichtenstraße; in gleicher Funktion nutzte sie dann Napoleon I., der 1806–1811 ihren Ausbau zur frühmodernen Heerstraße in den Jahren betrieb; erst seither heißt sie Kaiserstraße. Die Alte Brücke zwischen Saarbrücken und St. Johann erlebte wegen ihrer strategisch zentralen Position mehrere kriegsbedingte Zerstörungen, bei denen unter anderem der südliche Torbau, das Saarbrücker Zollhaus von Hans Sparer, auf der Strecke blieb. Von französischen Truppen wurde die Brücke dreimal durch Sprengung zerstört: Reunionskriege 1677, Revolution 1793, Befreiungskriege 1813–1814; von deutschen Truppen einmal am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945. Danach wurde die Brücke jeweils wieder aufgebaut. Was alle Kriege nicht schafften, erreichte der Autoverkehr unter der Flagge des Fortschritts. 1962 wurden für den Bau der Saarbrücker Stadtautobahn der südliche Brückenkopf und ein Teil der Brückenbögen zerstört. Dabei wurde mit der Wohnbebauung entlang des südlichen Saarufers zugleich ein wichtiger Teil der historischen Bausubstanz von Alt-Saarbrücken abgerissen. Die Alte Brücke, Symbol der Verbindung der beiden Saarufer, ist seither fragwürdiges architektonisches Stückwerk und dient nur noch als Fußgängerbrücke – ein Rückschritt von der ehemaligen europäischen Fernverbindung zur innersaarbrücker Lokalverbindung. Der Fernverkehr läuft heute über die außerstädtischen Autobahnen, dabei nimmt kaum ein Fernreisender mehr die Stadt oder den Flußübergang wahr. Als Ironie des Schicksals mutet heute an, daß diese Opfer historischer Bausubstanz umsonst waren. Längst hat sich gezeigt, daß die Trassenführung der Autobahn mitten durch die Stadt, die damals als unverzichtbarer Sachzwang moderner Straßenführung angesehen wurde, stadtplanerisch aber eine äußerst kurzsichtige Lösung war und verkehrstechnisch hinter die Planungen Henri Pingussons von 1945 zurückfiel. Die Stadtautobahn ist mittlerweile längst an der Grenze ihrer Verkehrskapazität angelangt. Bei den immer häufigeren Hochwassern wird sie mindestens einmal pro Jahr überflutet. Ganz abgesehen von dem ökologischen Schaden, den die Flußaue dabei erlitt, hat die Trasse am linken Flußufer auch den städtischen Lebensraum zerschnitten.

Alte Saarbrücke in Saarlouis

In Saarlouis machen die Alte Saarbrücke und die Uferbefestigungen aus der Frühen Neuzeit bis heute augenfällig, wie der französische Baumeister Sébastien Le Prestre de Vauban militärische Brücken konstruierte. Saarlouis entstand ab 1680 als Festung und Stadt genau an dieser Stelle des mittleren Flußlaufes, weil es der einzige Flußübergang an der schiffbaren Saar war, der sich seit den Reunionskriegen in französischer Hand befand. Vauban benutzte den Fluß, um die militärischen Ziele seines Königs Louis XIV. zu erfüllen. Ab 1816 benutzte dann das preußische Militär die Reste der geschleiften Vaubanschen Brücke und Uferbefestigung zu seinen eigenen Zwecken. Teile der ehemaligen Hauptbrücke aus den 1680er Jahren sind zwischen dem alten Hornwerk und der alten Festung erhalten. Oberstromseitig sind die Pfeiler und Teile der Bögen im Zustand des 19. Jahrhunderts unter Verwendung von Resten des 17. Jahrhunderts vorhanden. Auch die ursprünglichen Führungsschienen der Schleusen bestehen noch. Die Alte Saarbrücke, die von einer Fußgänger-, Handkarren- und Kutschenbrücke längst zur Autobrücke geworden ist, wurde 1968 wegen des zunehmenden Verkehrs verbreitert und verstärkt. Entlang des Saaraltarms sind die alten Uferbefestigungen zwischen Vauban-Insel und Max-Planck-Gymnasium beiderseits des Flusses noch zu erkennen. Zum Teil bestehen sie noch im Zustand der französischen 1680er Jahre, zum Teil zeigen sie die Veränderungen der preußischen Zeit. Zur einen Seite gehen die Uferbefestigungen in das Mauerwerk der Festung (Bastion Albrecht) über, zur anderen in das des Hornwerks.

Niedbrücke bei Siersburg

Von der früheren infrastrukturellen Bedeutung des Niedtales sowohl innerhalb der Großregion Saar-Lor-Lux wie für den damaligen europäischen Fernhandel zeugt bis heute die steinerne Niedbrücke in Siersburg. Die Nied, heute einziges noch natürliches Badegewässer des Saarlandes und einer der malerischsten Nebenflüsse der mittleren Saar, bildete einst einen Teil der Fernhandelsstraße zwischen Flandern und der Lombardei, zwei Zentren des europäischen Textilgewerbes. Die nahe Burg Siersberg, die den Ort Siersburg überragt, bewachte im Mittelalter diese Route. Die erste Burg Siersberg aus dem 11. Jahrhundert wurde später mehrfach umgebaut; 1670 wurde sie während des Holländischen Krieges durch französische Truppen gesprengt. Von der heutigen Ruine, deren Torbau noch teilweise vorhanden ist, stammt ein rechteckiger Bergfried aus dem 14./15. Jahrhundert. Nach der Sprengung 1670 verfiel die Burg, nur Teile wurden im 18. Jahrhundert wieder aufgebaut. Um die nahe Niedbrücke unabhängig zu machen von der fortgefallenen Bewachung durch die Burg und den Kaufleuten zu jeder Jahreszeit einen sicheren, schnellen Übergang zu schaffen, wurde die neue Brücke 1750 aus heimischem Sandstein erbaut, mit einer Fahrbahnausbuchtung in der Mitte zum Ausweichen der Pferdegespanne. Die innereuropäische Bedeutung der Handelsstraße ließ jedoch ab dem 18. Jahrhundert nach. Die Gründe dafür lagen außerhalb der Region: Die europäischen Zentren der Textilindustrie wechselten im späten 18. Jahrhundert von Flandern nach Großbritannien, und auch die lombardischen Städte verloren allmählich ihr Gewicht in Textilproduktion und Fernhandel, seit die Seewege nach Indien bekannt waren. In der Mitte der Bliesbrücke bei Siersburg wurde 1758 ein Brückenkreuz errichtet, um weiteren Schaden von der Brücke abzuwehren. Doch auch dieser Schutz war nicht dauerhaft: „Inzwischen wurde die Brücke – nicht zu ihrem Vorteil – modernen Verkehrsverhältnissen angepaßt. Die Asphaltierung der gepflasterten Fahrbahn und die Ersetzung der steinernen Brückenbalustrade durch ein Eisengeländer haben ihren ursprünglichen Charakter verändert“ (Schmitt, S. 37).

Fährverkehr

Der Fährverkehr über die Saar wurde 1793 von der französischen Revolutionsregierung erstmals verstaatlicht, dann wieder privatisiert und 1816 von den Preußen erneut verstaatlicht. Bis ca. 1870 blühte der Fährverkehr über die Saar und ihre Nebenflüsse. Erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts herrschen an der mittleren Saar steinerne, eiserne und Betonbrücken vor, deren Bau sich im expandierenden Industrierevier lohnte. Sie ersetzten mehr und mehr die Fähren. Nur nach dem Zweiten Weltkrieg, als alle Brücken über die mittlere Saar von deutschen Truppen zerstört worden waren, bekam der Fährverkehr noch einmal kurzfristigen Aufschwung.

Folgen der Verkehrsflüsse

Durch neue Verkehrsverbindungen im Saartal gewannen auch bisher unwichtige Siedlungen am Flußufer neue Bedeutung und höheren Rang gegenüber den Orten abseits der Saar. Das belegt unter anderem Mettlach mit dem Firmensitz von Villeroy & Boch, ursprünglich ein armes Dorf von 160 Einwohnern. Im späten 19. Jahrhundert ließ Eugen von Boch hier die erste Saarbrücke des Ortes errichten. Die Prozesse der Industrialisierung, der Zuzug von Menschen, zunehmender Verkehr sowie vermehrter Bau von Eisenbahnlinien, Straßen und Brücken griffen ineinander und erzeugten eine infrastrukturelle Entwicklungsspirale, deren Ende in Zeichen vorherrschenden Straßenverkehrs auch heute nicht abzusehen ist. Daß mehr Straßen mehr Verkehr schaffen, ist eine verkehrsplanerische Binsenweisheit, die sich in den letzten 150 Jahren einmal mehr im Flußtal der Saar bestätigt hat: Eisenbahnlinien und Brücken schufen stärkere Verkehrsflüsse, auch quer zum bisherigen Hauptverkehrsfluß entlang des Tales. Sie zogen ihrerseits weitere Industrieansiedlungen und weiteren Verkehr im Saartal nach sich, wie am Beispiel von Völklingen erkennbar ist: zwischen 1861 und 1907 wuchs das kleine Dorf durch Eisenbahnanschluß (1860), Brückenbau (1867) und Röchlingschem Eisenwerk von 2000 auf rund 27000 Einwohner. Innerhalb eines knappen Jahrhunderts wurde es zur Mittelstadt und dominiert seither die benachbarten Nahbereiche im Warndt und Köllertal. Neben dem Fluß selbst sind sein Tal und die gesamte Umgebung im Mittel- und Unterlauf der Saar in sehr hohem Maß den Anforderungen der Verkehrsführung dienstbar gemacht worden. Diese Entwicklung vollzog sich seit Ankunft der Eisenbahn in immer rascherem Tempo. Ausgehend von Saarbrücken verlaufen die Hauptverkehrsadern des Saarlandes seit dem Ende des 19. Jahrhunderts teils parallel zur Saar, teils sie kreuzend auf hohen Eisenbahn- oder Autobahnbrücken: in südlicher und südöstlicher Richtung nach Saargemünd (Sarreguemines) über das lothringische Saarburg (Sarrebourg) und das nordelsässische Zabern (Saverne) nach Straßburg (Strasbourg), nordöstlich nach Koblenz, östlich über Kaiserslautern nach Pirmasens und Ludwigshafen, nordwestlich nach Luxemburg und Trier, westlich nach Metz.

Quellen und weiterführende Literatur

Freis, Helmut, Die römerzeitliche Siedlung am Halberg, in: Wittenbrock, Rolf (Hg.), Geschichte der Stadt Saarbrücken, Bd. 1, Saarbrücken 1999, S. 89–110, dort besonders S. 94, 100.

HistMusSaar, Bibl.-Inv. Nummer 2938, Photographies des ponts détruits sur la Sarre entre Mettlach et Güdingen, Photographies faites par l’administration des voies navigables de Sarrebruck, Saarbrücken 1945/46.

Schmitt, Armin, Denkmäler saarländischer Industriekultur. Wegweiser zur Industriestraße Saar-Lor-Lux, 2. Auflage, Saarbrücken 1995, S. 37.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 110, 126, 200, 223.

Van Dülmen, Richard/Labouvie, Eva (Hg.): Die Saar. Geschichte eines Flusses, St. Ingbert 1992.

 

>> zurück zum Seitenanfang

   
   
   
Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.