Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Michel-Ney-Erinnerungsstätten

Denkmal Marshall Ney, Vauban-Insel, Saarlouis

Die Plastik des Bildhauers Jean Lambert-Rucki wurde am 18. Mai 1946 anläßlich der in Saarlouis begangenen Französischen Festtage an der Saar eingeweiht. Der seit 1932 in Paris arbeitende Lambert-Rucki (geboren 1888 in Krakau, gestorben 1967 in Paris) zählt zu den bekanntesten Bildhauern Frankreichs. Die rund 5 m hohe, monolithische Betonplastik mit ovalem, flachem Betonsockel steht der Stadt zugewandt auf dem alten Pulvermagazin der Vauban-Insel und zeigt Michel Ney in stilisierter Uniform. Der Mantel der Uniform in einem hellem Ockerton umhüllt faltenlos die ganze Gestalt von den betreßten Schultern abwärts; er läßt nur die rechte Schulter, den mit Orden und der roten Schärpe geschmückten Oberkörper sowie die rechte Hand sehen, die unter dem Mantel hervor nach links herüberreicht und den Säbelgriff faßt. Dem Sockel der denkmalgeschützten Plastik wurde am 23. Mai 1991 eine Schrifttafel mit Lebensdaten zu Michel Ney hinzugefügt, die auf Lambert-Rucki als Bildhauer und auf das Jahr der Aufstellung hinweist. Die Plastik ist in einer bemerkenswert nüchternen, reduzierten Formensprache gehalten. Die bekannten Vorbilder in Paris und Metz zeigen Ney in kämpfender Pose (in Paris angreifend, in Metz verteidigend) auf zentralen Plätzen der jeweiligen Stadt. Lambert-Rucki setzte seine Skulptur bewußt dagegen ab, schon durch den distanzierten, etwas abgelegenen Standort innerhalb der Stadt Saarlouis. Er leugnet nicht das soldatische Ideal, nach dem Ney strebte, betont dieses sogar mit der Hand am Säbelgriff. Die kontemplative Haltung der Figur drückt die Standhaftigkeit aus, die er als bleibendes Verdienst des Menschen Michel Ney würdigen wollte, und birgt durch gestalterische Details der geometrischen Linienführung dennoch den Eindruck von Lebendigkeit und Dynamik. Der Standort auf den Resten der Vauban- und preußischen Festung stellt das Denkmal in den Kontext der wechselvollen Stadt- und Regionalgeschichte; er wurde in Absprache mit dem Städteplaner Edouard Menkès gewählt, der im Auftrag des Militärgouverneurs Gilbert Grandval Saarlouis wiederaufbauen sollte. Lambert-Rucki suchte gleichzeitig an die stadt- und lebensgeschichtliche Verbindung zu Frankreich anzuknüpfen, ohne nationale Heldenverehrung herkömmlicher Art zu betreiben. Die Platzwahl war auch durch die Eiche beeinflußt, die auf der rechten Seite aus dem Erdwall des Magazins wächst – Lambert-Rucki wollte, daß dieser Baum zusammen mit dem Denkmal als Symbol einer sicheren Zukunft stehen sollte. Statt sich an der verherrlichenden Tendenz älterer militärischer Denkmale zu orientieren, hat er mit der zurückhaltenden Gestaltung der Figur eher eine Art Momentaufnahme dieses Menschen und Soldaten des 18./19. Jahrhunderts geschaffen. In der Rückschau betrachtet, bildet der damalige offizielle Zweck des Denkmals, der bei seiner Einweihung zum Ausdruck kam, einen starkem Gegensatz zur Absicht des Künstlers. Bürgermeister Bloch bewertete das Denkmal in seiner Einweihungsrede am 18. Mai 1946 als „Beweis für Treue und Anhänglichkeit der Stadt und ihrer Bürger an die französische Nation“. Oberst Grandval beschrieb es als Symbol des „französischen Willens, hier zu bleiben und das Land mit Frankreichs Zukunft zu verbinden“. Am folgenden Tag forderte Bloch in einer Rede auf dem Großen Markt die Wiederherstellung der regionalen Grenze von 1814. Grandval betonte dagegen lediglich die historische Verbundenheit der Stadt mit Frankreich und bot der Saarjugend an, Frankreich als kulturelles und politisches Vorbild zu übernehmen, dann werde es keine Grenze zwischen der Saar und Frankreich geben. General Kœnig, der Oberkommandierende der Besatzungstruppen in Deutschland, forderte die Saargruben für Frankreich und den wirtschaftlichen Anschluß der Saar an Frankreich. Weder Grandval noch Kœnig sprachen von Annexion. Die heutige Stadt Saarlouis präsentiert Michel Ney als wichtigste Persönlichkeit der Stadtgeschichte. 1969 wurde sein 200. Geburtstag feierlich begangen, wobei direkte und indirekte Nachkommen der Familie Ney anwesend waren, unter ihnen General de Rougemont und General Massu. 1980 war das Andenken an Ney ein wichtiger Bestandteil des 300jährigen Stadtjubiläums; zu diesem Anlaß war Gilbert Grandval Gast der Stadt, deren Ehrenbürger er seit 1950 war.

Stätten der Erinnerung an Ney in Saarlouis

Anfang Februar 1946 wurden in Saarlouis im Auftrag der französischen Besatzung einige Straßen umbenannt, aus der Kaiser-Wilhelm-Straße wurde die Marschall-Ney-Straße. Ein 1913 als Jägerkaserne errichtetes preußisches Kasernengebäude an der Wallerfanger Straße in Saarlouis hieß 1918 „Quartier Lasalle“ und diente französischen Besatzungseinheiten als Wohnraum. 1937 umgetauft in „Graf-Werder-Kaserne“, hieß es 1945–1948 „Quartier Fleurus“, 1948–1972 „Quartier Ney“ und diente unter diesen beiden Namen wieder als Wohnraum für französische Militäreinheiten. Entgegen dem Vorschlag des Saarlouiser Oberbürgermeisters Henrich von 1969, die Kaserne dauerhaft „Marschall-Ney-Kaserne“ zu nennen, wurde sie 1972 erneut in „Graf-Werder-Kaserne“ umbenannt und dient seither der Bundeswehr-Luftlandebrigade 26.

Geburtshaus

Das Geburtshaus von Michel Ney in Saarlouis ist ein zweigeschossiger Bau und stammt ursprünglich wohl noch aus dem 17. Jahrhundert. 1829 brachten Saarlouiser Bürger das Geld für eine Gedenktafel aus Marmor auf, deren Inschrift: „Içi est né le Maréchal Ney“ (Hier wurde Marschall Ney geboren) die Genehmigung des preußischen Regierungspräsidenten in Trier erhielt und sich bis heute am Haus befindet. Das Haus wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts umgebaut und dabei die heutigen Rechteckfenster eingesetzt. 1977 wurde das Gebäude restauriert; es steht unter Denkmalschutz und beherbergt heute das Restaurant Auberge Maréchal Ney.

Landsitz Ney bei Nancy

1799 kaufte Ney den Landsitz La-Petite-Malgrange in der Nähe von Nancy, ein dreiachsiges Haus mit zweieinhalbgeschossigem Mitteltrakt und zweigeschossigen Seitentrakten. Es war ursprünglich für den Herzog von Ossolinski errichtet worden, den Vetter und Haushofmeister von Stanislas Leszczynski, polnischer König, nach seiner Vertreibung bis zu seinem Tod 1766 Herzog von Lothringen und von Zweibrücken. Heute dient das Haus, dessen Grundstück direkt an das von Stanislas’ einstigem Lieblingsschloß La Malgrange grenzt, der Betreuung taubstummer Kinder.

Ney-Schachtanlage, Grube Ensdorf

Von den Mines Domaniales wurde in den 1920er Jahren eine ehemals preußische Schachtanlage der Grube Ensdorf bei Saarlouis in „Ney-Schacht“ umbenannt; aus Ensdorf stammten Michel Neys Vorfahren väterlicherseits. Die gesamte Grube erhielt den Namen „Grube Duhamel“, nach einem der von Napoleon an die Saar entsandten Bergingenieure.

Collège Maréchal Ney, Saarbrücken (1945–1947)

1945 wurde in der früheren Bismarckschule (Bismarckstraße, St. Johann) in Saarbrücken zunächst ein Collège du Maréchal Ney als Schule für Kinder französischer Besatzungsfamilien gegründet: Ney wurde als saarländisch-französische Identifikationsfigur genutzt. 1947 wurde das Lycée Maréchal Ney in einen Neubau an der Halbergstraße im Saarbrücker Ostviertel verlegt und heißt seit 1961 Deutsch-Französisches Gymnasium.

Regionalhistorischer Kontext

Das Leben und Sterben von Michel Ney war vom französischen Militär unter den Bourbonen und Napoleon geprägt. Es wurde zum Lehrstück für die Vergänglichkeit militärischer Triumphe und Karrieren. Lange nach seinem Tod wurde Ney zur nationalistischen Inszenierung Frankreichs an der Saar benutzt. Ney eignete sich aus französischer Sicht nach dem Ersten Weltkrieg offenbar besonders gut als Identifikationsfigur. In Frankreich sind zahlreiche Plätze und Straßen nach Ney benannt, so etwa eine Straße in Nancy. Im Pariser Stadtzentrum wurde ihm zu Beginn des II. Kaiserreiches 1853 nahe der Stelle seiner Erschießung ein Denkmal errichtet. Ein weiteres Ney-Denkmal befindet sich an zentraler Stelle in Metz. Das Gedenken an Ney ist im französischen Sprachraum fest in die kollektive Erinnerung eingebunden. Die französische Besatzung an der Saar suchte nach dem Ersten Weltkrieg die alte französische Geschichte der Vauban-Festung Saarlouis wiederzubeleben und deren Bedeutung als Stadt zu stärken. Dazu nutzte man unter anderem das militärische Andenken an Marschall Ney. In Saarlouis hatte es eine lokale Tradition. Man überschätzte allerdings ihre Integrationskraft im Land: Aus saarländischer Sicht eignete sich das Andenken an Ney während der emotional aufgeheizten Saargebietszeit gerade nicht als identitätsstiftendes Vorbild für eine französisch-saarländische Bewußtseinsbildung – vielleicht, weil Ney sein Leben für Frankreich mit dem Tod als Verräter bezahlt hatte. Die Benennung des Ney-Schachtes der Grube Ensdorf verfehlte ebenso ihr Ziel wie spätere Versuche mit Benennungen dieser Art im Saarland.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Saarland das Gedenken an Ney erneut von der französischen Besatzungsmacht wiederbelebt. Auch jetzt blieb der Widerhall begrenzt. Lediglich in und um Saarlouis hatte die Vereinigung „Souvenir du Maréchal Ney“, als „Marschall-Ney-Verein“ bekannt, 1945/1946 regen Zulauf. Unter seinem Vorsitzenden, dem Saarlouiser Bürgermeister Walter Bloch, machte sich der Verein für die Errichtung eines Denkmals im zerstörten Stadtzentrum stark. Zwei namentlich nicht bekannte Vereinsmitglieder, die zugleich auch Mitglieder des MRS (Mouvement pour le rattachement de la Sarre à la France) waren, führten Vorgespräche mit dem Künstler Lambert-Rucki. Dem Marschall-Ney-Verein schwebte das aufrüttelnde „Symbol einer neuen französisch-saarländischen Freundschaft“ (Balzer 1996, S. 9) vor. Der Verein verfolgte drei Ziele: Die Denkmalserrichtung, ein Museum in Neys Geburtshaus und die „Wiederherstellung der Grenzen zu Frankreich von 1814“ (ebda., S. 10).

Lokal und regional war die Erinnerung an Michel Ney stets in einen breiten politisch-historischen Zusammenhang eingebunden.

Quellen und weiterführende Literatur

Klitscher, Ernst, Michel Ney. Soldat der Revolution – Marschall des Kaisers, Saarbrücken 1993.

Ders., Zwischen Kaiser und französischer Krone. Die Saar-Territorien in den europäischen Auseinandersetzungen 1740–1815, 3. Auflage, Saarbrücken 1992, besonders S. 227.

Kreisstadt Saarlouis/Städtisches Museum (Hg.), Ludwig Karl Balzer (Bearb.), Tragischer Held Michel Ney und sein Denkmal auf der Vauban-Insel, Saarlouis 1996; dem Jubiläumsband 300 Jahre Gymnasium Saarlouis am Stadtgarten, Saarlouis 1991, mit geändertem Titel entnommen.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 195, 202.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.