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Gerhild Krebs

Die Adt-Betriebe an der Saar und in Lothringen (1739–1969)

Ehemaliges Adt-Werksgelände, Fabrikstraße, und Krankenhaus, Im Hofgarten, Ensheim/Saarbrücken; Reste ehemaliges Elektrizitätswerk, Bliesschweyen; ehemaliges Adt-Werksgelände, Rue Nationale, Forbach; ehemaliges Adt-Werk, Pont-à-Mousson; Papier- und Kartonfabrik, Blénod

Vom Handwerk zur Industrie: Adt-Werk Ensheim (1739–1969)

Frühester bekannter Namensträger der Müllerfamilie Adt war der Müller Johann Michael Adt (geboren ca. 1680). Er betrieb die Bliesmühle des Ortes Frauenberg im unteren Bliestal nahe Saargemünd (Sarreguemines). Sein zweites Kind Mathias Adt (geboren ca. 1710), wurde Erbhofbauer der Gassenmühle im nahen Ensheim, die zum Besitz der dortigen Propstei des Klosters Wadgassen zählte. Mathias verkaufte ab 1739 Tabaksdosen an seine Lehensherren. Über den Kontakt zum Kloster lernte Mathias Adt die Erfindung des Papiermaché kennen. Der Erfinder, ein Pariser Buchbinder namens Martin, hatte es in Frankreich nicht vermarkten können. Adt verbesserte die Erfindung und produzierte nun auch Pappdosen mit verzierten Deckeln, die er im ganzen Raum Saarbrücken und Saargemünd verkaufte. An der oberen Saar, im Bliesgau und bis in den Rheingau ahmte man die Adt-Dosen vielfach nach. Nach 1815 entwickelte sich das Adtsche Unternehmen in Ensheim unter Peter (II.) Adt und seinem Sohn Peter (III.) vom Handwerksbetrieb zum Industriebetrieb. 1826 kaufte Peter (III.) Adt die seit der Revolutionszeit säkularisierten Gebäude der ehemaligen Propstei Ensheim. Das sogenannte Herrenhaus ließ er zum Familienwohnsitz umgestalten, die restlichen Gebäude zur Fabrik, die 1839 etwa 40–50 Arbeiter beschäftigte. In diesem Jahr schloß Peter (III.) mit seinen Söhnen Peter (IV.), Franz und Johann Baptist einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung der Firma Gebrüder Adt. Dieses Datum galt seither aus Sicht der Adts als Gründungsdatum des gesamten Unternehmens. 1871 ging der Firmensitz der Gebrüder Adt an das Werk in Forbach über, dessen Gewinne bald die von Ensheim überflügelten. Die Ensheimer Produktpalette wurde nach 1871 zunächst auf Tabaksdosen beschränkt. Im Laufe der Jahre wurde das Werk ergänzt um eine Papiermühle, eine Abteilung für Lack- und Firnisherstellung und ein eigenes Gaswerk. Dieses Gaswerk, das erste an der Saar, ermöglichte erstmals auch Nachtarbeit. 1889 stifteten die Adts anläßlich ihres 50jährigen Firmenjubiläums das nach drei damaligen Adt-Direktoren benannte Peter-Franz-Otto-Krankenhaus mit zehn Betten zur ärztlichen Betreuung erkrankter und verunfallter Arbeiter. Das Adt-Krankenhaus wurde 1959 mit nunmehr 25 Betten an die Gemeinde Ensheim verkauft. Das Tabaksdosengeschäft wurde zunehmend unrentabler. Experimente mit der Produktpalette wurden vorwiegend im Rahmen von Rüstungsaufträgen gemacht: Die Produktion von transportablen Fertigbauteilen für mobile Quarantänestationen zeitigte Erfolg. Aus der Fertigung von Artikeln aus Papierfaserstoff entwickelten sich ab 1889 ganz neue Produktionszweige. Ab 1893 wurden lackierte Behälter aus Preßspan hergestellt, deren Absatzgebiet bis in den Fernen Osten reichte. Dies führte zur Gründung zahlreicher Handelsniederlassungen im In- und Ausland. Auf Patronenhülsen aus Karton hatte die Firma zwischen 1890 und 1900 ein Monopol als Heereslieferant des Reiches, bis die Militärverwaltung in Berlin strategische Bedenken gegen die geographische Lage der Ensheimer Produktion geltend machte und die Gründung sechs anderer Firmen in größerer Distanz zur französischen Grenze veranlaßte. Das Stammwerk in Ensheim stand nach dem Tode von Franz Adt unter Leitung von dessen Sohn Eduard Franz Adt (1850–1919), der Elektrotechnik studiert hatte. Der nach der Jahrhundertwende sprunghaft zunehmende Einsatz von Elektrizität in Hausbau und Industrie wurde unter seiner Leitung zur Einrichtung einer lukrativen Fertigungsabteilung für Isoliermaterial genutzt. Ab 1902 fertigte man hier Isolierrohre aus den firmeneigenen Patentstoffen Adit und Australit (gedrehtes und mit Bleiband umwickeltes Papier); außerdem Schalter und weiteres elektrotechnisches Zubehör. Ab 1909 kamen kalt gewalzte, autogen geschweißte Stahlrohre für den Militärbedarf (Panzerrohre), verschiedene neue Industrien wie Flugzeug- und Automobilbau sowie für Fahrräder und Bettgestelle hinzu. Wegen dieser Umstellungen errichtete man vor 1914 einen besonderen Hochbau im Ortszentrum. Im Ersten Weltkrieg erzielte Ensheim mit Rüstungsaufträgen die höchsten Gewinne der deutschen Adt-Betriebe. Man lieferte Stielhandgranaten, verstärkte die Herstellung papierner Innenhülsen für Granaten und unternahm 1918 im Zeichen der Mangelwirtschaft auch Versuche zur Herstellung von Helmen, Patronen und Satteltaschen aus gepreßter Pappe. Sowohl in Forbach als auch in Ensheim hatten die Adts nach dem Waffenstillstand mit der Produktion für den Friedensbedarf begonnen, waren aber mit Rohstoff- und Zubehörmangel konfrontiert. Außerdem durfte wegen der linksrheinischen französischen Besatzung nicht ins rechtsrheinische deutsche Gebiet geliefert werden, womit der größte Teil des bisherigen deutschen Marktes fehlte. Die Tabaksdosenproduktion fand in Ensheim 1919/1920 ihr Ende, zugleich mußte infolge der Abtrennung des Saargebietes von Deutschland die Produktion auf den Bedarf des französischen Marktes umgestellt werden. Die Produktionskosten verteuerten sich in Ensheim deutlich, da die Elektrizität nicht mehr von dem vorher werkseigenen Elektrizitätswerk Bliesschweyen bezogen werden konnte, das nach Kriegsende vom französischen Staat enteignet worden war. Nach der Rückgliederung des Saargebietes an Deutschland wurde die Ensheimer Produktpalette ab 1935 zunächst auf Isolierrohre, Stahlrohre und Stahlrohrmöbel für den deutschen Markt ausgerichtet. Nach der Pensionierung des bisherigen Ensheimer Werksleiters stand 1936 eine Neubesetzung der Stelle an. Aufgrund der Richtlinien NSDAP-Gauleiters Josef Bürckel übernahm gegen die Absicht der Familie Adt ein alter NSDAP-Parteigenosse und Soldat des Ersten Weltkrieges namens Kattenstedt den Direktorenposten. Er meldete sich 1939 freiwillig zur Wehrmacht, so daß der Direktorenposten zum 1. Januar 1940 an den ursprünglich vorgesehenen Kandidaten Jakob Rommel vergeben wurde, einen langjährigen Mitarbeiter und bisherigen Werksleiter des Zweigwerks Schwarzenacker. Zu Kriegsbeginn 1939 waren alle deutschen Adt-Betriebe auf Rüstungsbedarf umgestellt worden. Das Ensheimer Werk lag jedoch mitten in den Westwallanlagen und daher in der Roten Zone, es wurde im September 1939 geschlossen. Die Adts mußten auf Anweisung von Gauleiter Bürckel die Maschinen demontieren und hatten sie auf Staatskosten nach ihrem Adt-Werk Wächtersbach zu überführen. Nach dem Waffenstillstand 1940 erging neue Anweisung Bürckels, das Werk so rasch wie möglich wieder zu öffnen. Die Adts waren daran aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht interessiert, denn Ensheim lag zu weit abseits von allen regionalen Hauptverkehrswegen, folglich waren spätere Verluste zu erwarten. Sie widersetzten sich jedoch nicht. Das Adt-Werk Ensheim wurde Ende 1940, die Rohrfabrikation erst Anfang 1943 wieder geöffnet. Im Herbst 1944 wurde es durch Artillerie zerstört, im März 1945 besetzten US-Truppen das Dorf und die Werksruinen. Als das Saarland nach dem Zweiten Weltkrieg wirtschaftlich erneut zum französischen Markt zählte, stand das zerstörte Werk unter Leitung des französischen Sequesterverwalters Fréderic Schlachter, dem ersten Nachkriegspräsident der Saarländischen Industrie- und Handelskammer (Saarbrücken). Ein Wiederaufbau des Ensheimer Werkes aus den Adtschen Finanzmitteln war unmöglich. Der Produktionszweig der Isolierrohre und Stahlrohrmöbel konnte am 29. April 1948 durch Gründung der Gebr. Adt GmbH neu organisiert werden. Die Geschäftsneugründung in Ensheim konnte erfolgen, weil Hans Adt und sein Bruder Franz als Saarländer galten, wegen des Vaters Gustav Jakob, der 1860 in Ensheim geboren war. Fabrikation und Vertrieb für den saarländischen Markt war möglich, da die Franzosen an diesem Bereich keinerlei Interesse hatten, und wegen der Sonderstellung des Saarlandes konkurrenzfrei zum Firmensitz Wächtersbach. Hans Adt (geboren am 14. Juli 1888) blieb Geschäftsführer der Ensheimer GmbH bis 1958. Die geplante Zusammenarbeit bei der Stahlrohrproduktion mit dem einstigen Adt-Betrieb in Pont-à-Mousson (Leitung: M. Schouler) wurde von der Militärregierung verweigert mit der Begründung, der Betrieb sei in einer anderen Branche tätig (Isolierrohre). Statt dessen verwies die Militärregierung die Adts auf eine mögliche Mitgliedschaft im französisch-belgischen Rohrsyndikat und leitete für sie Verhandlungen mit Herrn Sor ein, dem Inhaber eines Stahlwerkes in Le Bourget bei Paris. Am 28. April 1948 wurde die Sequesterverwaltung aufgehoben und eine Vereinbarung getroffen, der zufolge die Liegenschaften im Adt-Besitz blieben, der Vertrieb aber durch die neue Saarländische Rohrwerk GmbH erfolgte, an der die französische Seite zwei Drittel, die Adts ein Drittel und die Ware besaßen. Die Kooperation erwies sich wegen der Preisbindung als wirtschaftlich günstig. Die Sor-Gruppe verlor ab 1959 das Interesse an Ensheim, da das Saarland seit der Rückgliederung an die Bundesrepublik nicht mehr zum französischen Wirtschaftsgebiet zählte. 1963 wurde die Zusammenarbeit einvernehmlich gelöst. Die Vertriebsgesellschaft war aber wegen der innereuropäischen Konkurrenz nicht mehr rentabel, woran auch eine zwischenzeitliche Verpachtung nichts mehr änderte.

Über die Ensheimer Fabrikation von Isolierrohren kam man im französischen Isolierrohrsyndikat in geschäftlichen Kontakt mit der Société Nouvelle des Ets. Adt (AES), die vor 1918 ein Adt-Betrieb gewesen war, den Produktionszweig Isolierrohre nach 1900 aus Ensheim übernommen hatte, seit 1923 französischen Investoren gehörte und nun unter Leitung von Herrn Schouler (Paris) stand. In Verhandlungen wurde vereinbart, in Wächtersbach für das Forbacher AES-Werk, den einstigen Adt-Firmensitz bis 1918, Plastik-Servierbretter herzustellen. Diese Kooperation endete mit der Schließung des Forbacher Werkes (31. Juli 1960). Die Umsätze und Gewinne in Ensheim blieben in den 1960er Jahren so begrenzt, daß zuletzt die gesamten noch im Besitz der Adt AG befindlichen Gebäude und Grundstücke 1968/69 an die neugegründete Morgenthal & Co GmbH verkauft wurden, die bis heute hier Stahlrohrmöbel produziert. Das Gebäude der ehemaligen Ensheimer Gassenmühle an der Kreuzung zur heutigen Straße von Eschringen nach Ormesheim wird heute als Wohnhaus eines Bauernhofes genutzt. Das Ensheimer Firmengelände des 19. und 20. Jahrhunderts hinter dem Herrenhaus ist von der Straße nicht zu sehen. Im Herrenhaus waren seit der Beschlagnahmung durch die Gemeinde Ensheim im Jahr 1959 Flüchtlinge aus der DDR untergebracht. Das Herrenhaus, früher im Volksmund „de hohe Bau“ genannt, war in den späten 1950ern und frühen 1960ern ein Mietshaus für diese und andere arme Familien. Aufwendig restauriert dient es heute als Verwaltungsgebäude der Firma Hager (Elektroinstallationen und Sicherheitstechnik).

Papier- und Kartonfabrik Schwarzenacker (1867–1948)

Die Mühle an der Blies, die zunächst zum pfalz-zweibrückischen Schloß Gutenbrunn (bei Wörschweiler) gehörte, wurde im letzten Drittel des Jahrhunderts von der herzoglichen Domänenverwaltung Zweibrücken zur Papiermühle und Pappdosen-Manufaktur umgestaltet. Der Versuch Herzog Christians IV., den Markt allein zu beherrschen, war zum Scheitern verurteilt, denn die Manufaktur Schwarzenacker „stand unter Leitung zweier französischer Industrieller, die samt ihren Arbeitern zu Beginn der Revolution verschwanden.“ (Wilmin 1962, S. 9). 1793 wurde die Manufaktur als Teil des Besitzes von Schloß Gutenbrunn beschlagnahmt, zum französischen Nationalgut erklärt und das gesamte Anwesen als Gutsbesitz versteigert. Im Dezember 1854 kaufte Peter (III.) Adt die Papiermühle vom Gutsbesitzer Georg Lillier und gestaltete sie 1867 zur Fabrik um. Das Zweigwerk Schwarzenacker diente seither der Herstellung von Papier und Kartonage als Rohmaterialien für das Hauptwerk Ensheim. Mit der Umstellung der Ensheimer Produkte auf Elektro- und Stahlartikel begann Schwarzenacker nach 1900 mit der Belieferung fremder pappeverarbeitender Firmen, unter anderem der Schuhindustrie im pfälzischen Pirmasens. Das Zweigwerk Schwarzenacker wurde wie das Hauptwerk Ensheim ab 1920 auf den französischen Markt und nach 1935 wieder auf den deutschen Markt umgestellt; es lieferte dann wieder Papier und Pappe. Im Zweiten Weltkrieg wurde es 1944 durch Luftangriffe schwer beschädigt und stillgelegt. 1945–1947 stand es zunächst unter Sequesterverwaltung von Jakob Rommel (bisheriger Werksleiter). Rommels Nachfolger Direktor Baumbach, zuvor im Röhrenwerk Homburg tätig, verfügte über gute Verbindungen zum Wirtschaftsoffizier Langlait. Baumbach organisierte Rohmateriallieferungen und Kompensationsgeschäfte (Käse gegen Rohre). Da Kapital zum vollen Wiederaufbau des Werkes fehlte, verkauften die Adts 1947/48 durch Vermittlung der Militärregierung an die französische Gruppe Comte de Berny.

Ehemalige Blies-Elektrizitäts-Gesellschaft, Bliesschweyen (1891–1918)

1891 kaufte man drei Mühlen an der Blies auf und stattete sie mit einem Kanal, zwei Turbinen von 150 PS sowie mehreren Dynamos aus. Das Bliesschweyener Werk, das mit dem kanalisiertem Wasser als stetiger Energiequelle gespeist wurde, nahm 1895 den Betrieb auf. Es versorgte die beiden Fabriken in Ensheim und Schwarzenacker sowie das gesamte Dorf Ensheim mit Elektrizität. Die meisten Anteile am Elektrizitätswerk hielt das Adt-Hauptwerk in Forbach. Im Jahr 1917 erzeugte das Bliesschweyener Elektrizitätswerk 470000 kWh. Nach der Enteignung 1918/19 lieferte das Werk bis zur Stillegung in den 1950er Jahren Strom an die Fayenceriebetriebe Saargemünd (Sarreguemines).

Ehemaliges Adt-Werksgelände Forbach und Papier- und Kartonfabrik Marienau/Forbach (1844–1918/19)

Zwecks Umgehung der Einfuhrzölle auf dem Hauptabsatzmarkt Frankreich gründete Peter (III.) Adt 1844 in Forbach die Papierlackwarenfabrik Barth, Adt und Cie. Der Sitz der Firma wurde 1847 nach Saargemünd verlegt, kurz darauf aufgelöst, neu gegründet und der Sitz der Firma im Mai 1853 nach Forbach an die Rue Napoléon (heute Rue Nationale) zurückverlegt. Dieses Datum wurde von der Familie Adt stets als Beginn der Forbacher Tätigkeit betrachtet. Peter (IV.) Adt (geboren am 8. September 1820 in Ensheim, gestorben am 10. April 1900 in Pont-à-Mousson), der Werksleiter, hatte eine weiterführende französische Schule besucht, sprach französisch und war seit 27. April 1850 mit der Französin Emilie Julie Milon verheiratet. Die Forbacher Fabrik entwickelte sich infolge ihrer optimalen Lage nahe der 1851/52 eröffneten Eisenbahnlinie Forbach-Metz-Saarbrücken zum wichtigsten Betrieb des Unternehmens. Das Werk lieferte in den 1860er Jahren nach Frankreich und Algerien, ab 1869 auch nach London. In diesem Jahr eröffneten die Adts auf ihrem Gelände eine Knopffabrik. Die Maschinen waren, wie meist im Hause Adt, eigene Erfindungen von Peter (III.). In der Knopffabrik begann 1896 die erste automatisierte Produktion von Knopflackwaren im Deutschen Reich, deren Absatzgebiet bald unter anderem die USA umfaßte. Peter (III.), danach Peter (IV.) und Johann Baptist Adt erweiterten das Firmengelände im Stadtzentrum östlich der heutigen Rue Nationale immer mehr, bis es eine kleine Stadt in der Stadt bildete. Überall im Stadtgebiet und seiner Umgebung wurde gekauft: 1883 erwarben Gebr. Adt die Rosselmühle am Wäschbach in Neu-Differten, aus der ab 1886 ein Adt-Werk und der heutige Forbacher Stadtteil Marienau hervorgingen. Das Werk Marienau diente ausschließlich der Rohstoffherstellung von Papier und Kartonage für das Hauptwerk Forbach und wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Gebr. Adt erwarben auch verschiedene Anteile an anderen Unternehmen: Unter anderem hielten sie eine Beteiligung an den Saarbrücker Straßenbahnen, waren an der Metzer Terraingesellschaft beteiligt und kauften eine Ziegelei mit Grundstück in Tetingen (Téting). Im Jahr 1865 nahm das Adtsche Gaswerk (Adtstraße, heutige Rue de Verdun), den Betrieb auf und versorgte bald die ganze Stadt, 1892/95 das Wasserwerk, das sukzessive ebenfalls der ganzen Stadt diente. 1897 kam das Elektrizitätswerk hinzu. Da letztere beiden Werke jedoch wenig rentabel waren, verkaufte Gebr. Adt sie bereits 1898 an Firma Franke aus Bremen. 1871 wurde der Firmensitz vom Stammwerk Ensheim nach Forbach verlegt. Als exportorientierter Produktionsstandort hatte Forbach die größte Produktpalette. Der Katalog umfaßte bereits 1889 rund 10000 verschiedene Gegenstände vom Haushalt- und Freizeitbedarf bis zu medizinischen Utensilien, Fotoartikeln und Halbfertigwaren für andere Industriezweige. Der Forbacher Betrieb war auch die größte lithographische Anstalt im deutschen Teil Lothringens. 1889 arbeiteten insgesamt 2449 Menschen für sechs Adt-Betriebe, davon 548 in Ensheim, 79 in Schwarzenacker, 1068 in Forbach, 36 in Marienau, 640 in Pont-à-Mousson und 78 in Blénod. 1902 wurde nach Ensheimer Vorbild in Forbach und Pont-à-Mousson die Produktion der hauseigenen patentierten Isolierstoffe Adit und Australit für den Elektrobedarf und 1909 die Stahlrohrproduktion aufgenommen. Bis 1914 erzielte das Forbacher Werk die höchsten Gewinne des Adt-Konzerns. Nach 1900 wurden in Forbach die werkseigenen Sozial-, Sicherheits- und Unterhaltungseinrichtungen stark erweitert: 1890 wurde die Betriebsfeuerwehr gebildet, 1902 eine Konzerthalle mit Restaurant „Bavaria“ errichtet, die jedoch 1906 verkauft wurde. Eine neue Speiseanstalt (Werkskantine), das sogenannte Arbeiterheim, entstand 1908 anstelle der bisherigen Arbeiterspeiseanstalt von 1880 (alle erwähnten Gebäude in der heutigen Avenue de Spicheren). 1902 wurde der werkseigene Konsumverein mit Verkaufsstelle an der Ecke der heutigen Rue Nationale/Rue Poincaré gegründet. Im Jahr 1908 beteiligte sich Adt mit 10000 Mark am Bau der Kleinbahnlinie Forbach-Kleinrosseln, um Arbeitskräfte aus Stieringen (Stiring-Wendel) in Kleinrosseln (Petite Rosselle) anzuziehen. Nach Johann Baptist wurde ab 1913 Gustav Adt Generaldirektor der Firma Gebr. Adt. Im Ersten Weltkrieg belieferten die Werke Forbach und Ensheim vor allem das Heer, unter anderem mit Kartuschendeckeln aus Hartpapier und papiernen Innenhülsen für Granaten, um die zersetzende Wirkung der Pigrinsäure auf die metallene Granathülle zu stoppen. Forbach galt daher ebenfalls als kriegswichtiger Betrieb. Wie in Ensheim fehlte es dem Werk Forbach während des Krieges nicht an Aufträgen, aber an Rohmaterialien und Zubehör, sonst wären die Profite beider Fabriken in dieser Zeit noch höher gewesen. Während des Krieges standen zeitweise Werksräume leer. In diesen Räumen wurde auf Veranlassung des Militärs gegen den Willen der Adts ein Etappen-Sanitäts-Depot errichtet. Beim Waffenstillstand am 11. November 1918 mußte das Depot umgehend ausziehen; der leitende Offizier zahlte in Ermangelung von Bargeld einen Teil der fälligen Miete mit einem Teil der Gegenstände. Die restlichen blieben liegen, dann übernahm zunächst der Arbeiterrat Forbach die Kontrolle über den Betrieb. Wenige Tage später passierten die Reste der deutschen Fronttruppen die Stadt. Das geplünderte Restlager wurde am 22. November 1918 von den französischen Truppen übernommen. Die Besatzung beschuldigte wegen der fehlenden Gegenstände die Adts der versuchten Unterschlagung.

Mitte Februar 1918 hatten die Eltern Adt einen großen Teil ihres privaten Vermögens in eine Familiengütergesellschaft zugunsten ihrer Kinder Hans, Franz und Marietta eingebracht, um es dem Zugriff der Sequesterverwaltung zu entziehen. Hans sollte den Vermögensanteil der chronisch kranken Marietta verwalten. Der private Haus- und Grundbesitz in Forbach war jedoch ausgenommen. Der neue Bürgermeister Couturier und neue Sous-Prefet Adam, Sohn des kaufmännischen Direktors der Rosselner Grubenverwaltung, betrieben seit Dezember 1918 die Ausweisung von Gustav Jakob, Mathilde und Marietta Adt, die am 30. April 1919 erfolgte. Gustav Jakob Adt verkraftete diesen Macht- und Besitzverlust und die Vertreibung vom Zentrum seines Lebenswerkes nicht; er verstarb im Sommer 1922. Der nationalfranzösisch gesinnte Couturier, Besitzer einer Ziegelei, dessen Gelände genau gegenüber dem Adt-Gelände an der Hauptstraße lag, war um die Jahrhundertwende zeitweise Marktführer für Falzziegel in Deutschland. Die Forbacher Adts waren auf dem Ziegelsektor seine wirtschaftlichen Konkurrenten seit deren Kauf der Tetinger Ziegelei. Er hatte bis 1918 nie wirklich gegen das mächtige Adt-Unternehmen ankommen können. Außerdem war Couturier langjähriger lokalpolitischer Widersacher von Gustav Jakob Adt im Forbacher Stadtrat und bei anderen politischen Mandaten; Couturier verhinderte unter anderem bis 1890 ein direktes Anschlußgleis vom Adt-Gelände zum nahen Forbacher Bahnhof. Im wirtschaftspolitischen Bereich hatte es bis 1914 in Forbach häufig Auseinandersetzungen gegeben, da deutsche Unternehmen bei der Auftragsvergabe im öffentlichen Raum eindeutig bevorzugt wurden. Die nun in französischem Besitz befindlichen Werke Forbach und Marienau wurden bis 1923 unter Sequesterverwaltung gestellt und später zusammen mit den seit 1872 bestehenden französischen Werken Pont-à-Mousson und Blénod durch Verkauf an private Investoren zugunsten des französischen Staates liquidiert. Daraus ging die Société Nouvelle des Ets. Adt (Firmenkürzel AES) hervor, die mit den deutschen und französischen Familienzweigen der Adts nichts mehr zu tun hatte. Die AES versäumte, rechtzeitig auf die Marktveränderungen zu reagieren. Das Werk Forbach war trotz der Produktionsumstellung auf Kunststoffartikel (Serviertabletts etc.) immer weniger rentabel. Die Belegschaft in Forbach wurde von 1100 (1918) auf 450 (1937) reduziert. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Werk Forbach 1944 durch Bomben schwer beschädigt, das in Marienau zerstört und nicht wieder aufgebaut. Die deutschen Adts verweigerten nach dem Waffenstillstand 1940 den vom NS-Regime gewünschten Ankauf und Neuaufbau des 1940 requirierten Forbacher Werkes an der in Adolf-Hitler-Straße umbenannten Forbacher Hauptstraße, der bisherigen Rue Nationale. Sie begründeten ihre Weigerung damit, daß sie nach dem Ersten Weltkrieg vom deutschen Staat keine angemessene Entschädigung für den Verlust der lothringischen Betriebe erhalten und nun kein Interesse an Kauf und Wiederaufbau hätten. Lediglich Maschinen und Werkzeuge wurden gekauft und nach Wächtersbach gebracht, um eine eventuelle Konkurrenzproduktion zu verhindern. Nach dem Krieg brachten die Adts diese Gegenstände wieder nach Forbach. Von 135 Forbacher Mitarbeitern (1948) sank die Belegschaft sukzessive bis auf 70 (1960). Mit Ablauf des Monats Juli 1960 schloß die AES den letzten Betrieb und verkaufte den gesamten Forbacher Immobilienbesitz. Zahlreiche Gebäude wurden abgerissen, der größte Teil des Geländes befindet sich im Prozeß städtebaulicher Umgestaltung. Von den Gebäuden aus der Zeit vor 1918 stehen noch die Knopffabrik und die eingreifend umgebaute Werkskantine, die im Ersten Weltkrieg als Feldlazarett diente und heute ein privates Wohnhaus ist. Ein weiteres mehrstöckiges Adt-Gebäude wurde in schonender Weise umgebaut, renoviert und enthält heute ebenfalls Wohnungen.

Ehemaliges Adt-Werk Pont-à-Mousson und Papier- und Kartonfabrik Blénod (1872–1918)

Die Produktion des neu gegründeten Adt-Werkes in Pont-à-Mousson wurde unter Leitung von Peter (IV.)/Pierre Adt zwischen Oktober und Dezember 1872 aufgenommen. Der vierstöckige Bau am linksseitigen Moselufer unterhalb der damals einzigen Brücke verfügte über einen eigenen Gleisanschluß von 4 km Länge. Zeitgleich mit dem Hauptwerk in Pont-à-Mousson wurde 1872 in Blénod ein Zweigwerk zur Rohstoffproduktion für das Hauptwerk eingerichtet; 1888 wurde der Werksbau in Blénod durch den Bau von zehn firmeneigenen Arbeiterwohnungen ergänzt. Während der Aufbauphase arbeitete Peter (IV.)/Pierre Adt mit erfahrenen Arbeitern aus Forbach, um mit ihrer Hilfe die neuen Mitarbeiter in Pont-à-Mousson und Blénod anzulernen. Der Absatz der neuen Fabriken stieg rasch an, da man vom ständig expandierenden französischen Markt infolge der raschen Errichtung des französischen Kolonialreiches und den anhängenden Protektoraten profitierte. In Pont-à-Mousson wurden schon bald alle Produkte hergestellt, die auch in Ensheim und Forbach produziert wurden. Ab 1877 stellte man in Pont-à-Mousson außerdem wie in Forbach Spulen für Spinnmaschinen her, vor allem für den britischen Markt. Nach dem Vorbild der Ensheimer und Forbacher Werke begann man nach der Jahrhundertwende in Pont-à-Mousson mit der Herstellung von Isolierrohren und anderen Artikeln für die Elektroindustrie. 1914 arbeiteten in beiden französischen Werken rund 800 Personen. Seit 1914 stand die französische Werksgruppe wegen der deutschen Besitzanteile unter Zwangssequester, die von den deutschen Adts kontrollierte Firmenleitung blieb jedoch bestehen. Die deutschen Anteile wurden nicht liquidiert, lediglich gingen die Gewinne aus diesen Anteilen nun an den französischen Staat. Gustav Adt erreichte von Forbach aus, daß die Aktien und das persönliche Bankkonto von Cécile Adt, der kinderlosen Witwe seines Neffen Émile (gestorben 1906), aus der Sequestrierung entlassen wurden, indem er sich zu ihrem Verwaltungsbevollmächtigten einsetzen ließ. Er verhinderte zugleich auch, daß die Besitzanteile der französischen Adts an den deutschen Werken in Forbach und Ensheim vom deutschen Staat liquidiert wurden, indem er den deutschen Behörden erklärte, daß diese Liquidierung aller Voraussicht nach die bisher nicht erfolgte französische Liquidierung der deutschen Anteile in Pont-à-Mousson nach sich ziehen würde. Er argumentierte, daß der dann zu erwartende wirtschaftliche Schaden für die deutschen Adts und deren Rückforderung an den deutschen Staat größer sein würde als der Nutzen des deutschen Staates aus der Liquidierung der französischen Anteile. Damit verhinderte er zunächst die Entstehung unerwünschter Konkurrenz im Falle völliger Trennung der Unternehmensgruppen. Diese Trennung kam nach dem Krieg: Die Werke Pont-à-Mousson und Blénod sowie die unter Zwangssequesterverwaltung stehenden Forbacher und Marienauer Werke gingen nach 1918 durch Liquidierung und Geschäftsauflösung in fremde Hände über. Die Société Nouvelle des Ets. Adt (AES), welche die vier Betriebe nun besaß, hatte nur noch den Namen Adt mit dem früheren Unternehmen gemeinsam. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Betriebe in Pont-à-Mousson und Blénod größtenteils zerstört. Nach der Schließung des Werkes in Forbach im Juli 1960 legte die AES die noch rentablen Produktlinien in Pont-à-Mousson zusammen. Hier wurden noch bis 1967 Isolierrohre für den französischen Markt hergestellt.

Die Adt-Unternehmensgruppe bis 1969

Durch permanente Investitionen in Modernisierung, Erweiterung, Qualitätsverbesserung, Patente und intensive Marketingstrategien hatten die Adts mit ihren sechs Werken beiderseits der deutsch-französischen Grenze schon Ende des 19. Jahrhunderts die Weltmarktführung erzielt. Während des Ersten Weltkrieges zeichnete Gustav Jakob Adt deutsche und österreichische Kriegsanleihen in Höhe von 3,25 Millionen bzw. 80000 Goldmark. Der 50%-Umsatzrückgang im Jahr 1914 auf rund 0,3 Millionen Mark Reingewinn wurde bereits im Jahr 1916/17 durch Rekordzuwächse im Rahmen von Rüstungsaufträgen mehr als neutralisiert - das dritte und vierte Kriegsjahr brachten einen Reingewinn von 1,16 Millionen Mark, der 60% über dem besten Vorkriegsergebnis lag. 1917/18 wurde sogar eine 15%ige Dividende ausgeschüttet, somit muß dies das beste Geschäftsjahr seit Firmengründung gewesen sein. Als sich das Ende des Krieges abzeichnete, wurden Ende Oktober 1918 alle Guthaben der deutschen Adt-Betriebe in Forbach/Marienau und Ensheim/Schwarzenacker nach Frankfurt transferiert, um sie einem möglichen Zugriff französischer Behörden zu entziehen. Im Dezember 1918 erhielt Hans Adt auf Veranlassung seines Vaters Gustav Jakob Adt Prokura für alle sechs Betriebe. Er hoffte, Hans werde als gebürtiger Lothringer die nun französischen Betriebe in Forbach und Pont-à-Mousson neu organisieren und zusammen mit den Betrieben an der Saar erhalten können. Die Kriegsniederlage Deutschlands brachte jedoch den Zusammenbruch der Firmengruppe und einen Teilverlust des immensen Familienvermögens der deutschen Adts. Die Adt-Betriebe Forbach, Marienau und Bliesschweyen wurden vom französischen Staat an private Investoren verkauft. Der in Elsaß-Lothringen verlorene Vermögenswert des Adt-Konzerns wurde später vom deutschen Staat mit insgesamt 12,6 Millionen Goldmark veranschlagt. Die deutschen Adts behielten Teile des Geldvermögens und des früheren Immobilienbesitzes wie z.B. das 1918 erworbene 575 ha große Anwesen im pfälzischen Bobenthal. Sie konnten damit 1919 einen papierverarbeitenden Betrieb im hessischen Wächtersbach bei Frankfurt erwerben und mit diesem als Firmensitz neu beginnen. Eine Kerngruppe höherer Angestellter und Arbeiter aus Forbach folgte ihnen nach Hessen. Es waren die Personen, die mit ihren Familien in den 18 werkseigenen Siedlungshäusern in Forbach gewohnt hatten. Während außer der Diskontogesellschaft seit 1901 keine Fremdaktionäre in der Adt AG gewesen waren, änderte sich dies ab 1920. Zu dieser Zeit lag es im Interesse der deutschen Adts, ein Eindringen französischen Kapitals zu verhindern. In dieser Frage kam es zu ernsthaftem Streit im Aufsichtsrat und später zu einem Prozeß, da unterstellt wurde, die Ehefrau des in Ensheim ansässigen Landwirts Alfred Adt, Mia geb. Schnitzler „wolle mit den Franzosen gemeinsame Sache machen“ (Adt 1978 S. 92). Allmählich wandelte sich der Adt-Aktienbesitz bis 1939 in einen Streubesitz mit vielen Fremden und zahlreichen Kleinaktionären um. Um eine Entschädigung für die verlorenen Lothringer Betriebe verhandelte Hans Adt seit Kriegsende in Berlin mit Oberregierungsrat Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk (1932–1945 Reichsfinanzminister, Mai 1945 Leitender Minister und Außenminister der Dönitz-Regierung). Es erfolgte Ende der 1920er Jahre ein Eintrag ins Reichsschuldbuch, der jedoch nur einen Teil der Verluste deckte, 1945 bzw. 1946 fällig gewesen wäre und nach dem Zweiten Weltkrieg von der Bundesrepublik pauschal auf 50000 DM festgesetzt wurde. Die Betriebe in Ensheim und Schwarzenacker gehörten durch die Abtrennung des Saargebietes von Deutschland wirtschaftlich zu Frankreich und wurden 1920 von Wächtersbach aus unter großen finanziellen Anstrengungen an den französischen Markt angepaßt. Einen weiteren Betrieb in Großauheim am Main richtete man parallel dazu für die Produktion von Isolierrohren ein, verkaufte ihn aber schon 1935 wieder, da die Betriebe im Saargebiet nun wieder im gleichen Binnenmarkt wie Wächtersbach lagen und das Stammwerk am einstigen Firmensitz Ensheim schon Isolierrohre herstellte. Die beiden saarländischen Betriebe mußten nun erneut an den deutschen Markt angepaßt werden. In den späten 1930er Jahren nahm die deutsche Firma (Firmenkürzel ADT) die Bezeichnung „Original Adt“ an, um sich stärker von der konkurrierenden französischen Société Nouvelle des Ets. Adt (AES) zu unterscheiden. Die Situation der Anpassung an den französischen bzw. deutschen Markt wiederholte sich 1945 und 1959 ein drittes und viertes Mal mit erneuten Vermögenseinbußen. Die deutschen Adt-Betriebe Ensheim und Wächtersbach hatten finanziell nichts zuzusetzen; sie beschäftigten im Jahre 1952 zusammen 169 Arbeiter. Im Frühjahr 1969 hielten die Nachfahren von Gustav Jakob Adt noch ca. 25% Aktien von ca. 2 Millionen Mark Aktienvolumen. Ein zweites Paket von ca. 10–12% Aktien gehörte zu diesem Zeitpunkt der Familie des Adt-Finanz- und Steuerberaters Fritz Ohl (1901–29. November 1970). Ohl, 1939–1945 Generaldirektor aller Sparkassen im besetzten Polen, war ab 1950 Gast, ab 1952 Mitglied und ab 1955 für etliche Jahre Vorsitzender im Aufsichtsrat der deutschen Adt AG. Das Aktienpaket der Familie Adt an der Adt AG, deren Umsätze seit den 1960er Jahren immer stärker rückläufig waren, wurden im Februar 1969 an eine anglo-amerikanische Finanzgruppe verkauft, als deren Sprecher der Kanadier Dr. h.c. Davidson auftrat. Hans Adt wurde ohne Aktienbesitz noch für einige Jahre Mitglied des Aufsichtsrates.

Wirtschaftliche und politische Macht der Adt-Familie bis 1918

Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts zählten die Adts zu den mächtigsten Industriellenfamilien im Saarrevier und Lothringen bzw. im Reichsland Elsaß-Lothringen. Dies verdankten sie neben fachlicher Kompetenz vor allem der Nutzung der Familienmitglieder als lebendes Firmenkapital, der Anlage der Forbacher Fabrik sowie der zweisprachigen Ausbildung männlicher Nachkommen. Die weiblichen Mitglieder der Familie Adt, die nach außen keine Rolle spielten, arbeiteten in untergeordneten Positionen mit. Einige heirateten einflußreiche Männer aus Industrie und Militär und sicherten dem Adt-Konzern auf diese Weise vielfältigen Einfluß. Wenn die Schwiegersöhne nicht selbst Positionen im Adtschen Unternehmensgefüge einnahmen, gaben sie solche an männliche Nachkommen weiter. Unter anderem waren die Adts auf diese Weise mehrfach verschwägert mit Familien wie den Bankiers Karcher (Kaiserslautern) und den späteren Ziegelfabrikanten Ludowici (Jockgrim/Pfalz); eine Adt heiratete den Generalleutnant Freiherr von Liechtenstern, Kommandant der 33. Division in Metz, eine andere Verwandte den Rechtsanwalt Friedrich Neumayer, der nach 1945 politische Karriere machte.

Die männlichen Mitglieder der Familie Adt hatten neben Tätigkeiten als Firmendirektoren oder Aufsichtsratsmitglieder einflußreiche Positionen im wirtschaftlichen, politischen und öffentlichen Leben ihrer Zeit inne. Eduard Franz Adt war Bürgermeister von Ensheim, saß 1881–1898 als Kandidat der konservativen Nationalliberalen Partei für den Wahlkreis Pirmasens-Zweibrücken im deutschen Reichstag und wurde nach seiner Übersiedlung ins preußische Saarbrücken zum Königlich Preußischen Kommerzienrat ernannt. Sein Bruder Peter (IV.)/Pierre Adt (geboren am 8. September 1820 in Ensheim, gestorben am 10. April 1900 in Pont-à-Mousson) hatte bei seiner Übersiedlung nach Forbach die französische Staatsangehörigkeit angenommen (Kaiserliches Dekret vom 8. Juli 1865), war einen Monat später zum Bürgermeister von Forbach ernannt worden und blieb es bis zu seinem freiwilligen Rücktritt am 14. Juni 1871. Er optierte vor dem offiziellen Stichtag (1. Oktober 1872) wiederum für die französische Staatsbürgerschaft, lebte dann in Pont-à-Mousson und wurde 1889 zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Sein Bruder Johann Baptist Adt (geboren am 16. Mai 1825 in Ensheim, gestorben am 15. Februar 1913 in Forbach) ging 1867 ebenfalls nach Forbach wurde 1874 in den lothringischen Generalrat gewählt sowie als eines von 10 Mitgliedern des Generalrates in den ersten Landesausschuß nach Straßburg entsandt. Er setzte sich für die Stationierung einer Garnison in Forbach ein (Lothringisches Train-Bataillon Nr. 16). 1889 wurde er von Kaiser Wilhelm II. als erster Elsaß-Lothringer zum Geheimen Kaiserlichen Kommerzienrat ernannt. Als Ehefrau Johann Baptists war Maria Adt geb. Schwarz bis zu ihrem Tod 1903 vor allem im Bereich der privaten Wohlfahrtspflege tätig und trug viel zum positiven Bild der Adt-Familie in der Forbacher Öffentlichkeit bei. Johann Baptist Adt gründete zusammen mit Sohn Gustav Jakob und acht weiteren Teilhabern am 18. November 1886 die Forbacher Bank für Handel, Handwerk und Landwirtschaft und verschaffte sich so weiteren Einfluß auf die Wirtschaft von Stadt und Umland. Am 5. November 1901 wurde Gebrüder Adt OHG aus einer Personengesellschaft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, ebenso wie am 2. Dezember 1901 die französische Gruppe, die nun unter dem Namen S. A. Ets. Adt mit neuem Firmensitz in der Rue de Turbigo 45 in Paris firmierte. Die gesellschaftsrechtliche Umgestaltung, Namenstrennung und Verlegung des französischen Firmensitzes nach Paris diente zwei Zielen: zum einen dazu, den Weltmarkt konkurrenzfrei aufzuteilen, denn beide Unternehmen waren als Weltmarktführer exportorientiert. Der französische Zweig belieferte weiter vorwiegend Frankreich und dessen weitverzweigtes Kolonialreich, der deutsche Zweig den Rest der Welt, wobei Großbritannien, Rußland, die Balkanländer und Nordamerika die Hauptmärkte bildeten. Zum anderen ermöglichte diese Konstruktion dem französischen Zweig, Aufträge des französischen Staates und der Verwaltung zu erhalten, wie Gustav Adt (Forbach) am 8. März 1918 dem deutschen Bezirkspräsidenten brieflich erklärte: Im Frankreich der Zeit nach 1900 hätte die Firma unmöglich Aufträge der öffentlichen Hand bekommen können, wenn deutsche Herkunft und deutsches finanzielles Übergewicht durch Namen und Firmensitz weiterhin äußerlich erkennbar geblieben wären. Tatsächlich blieb SA Ets. Adt zu zwei Dritteln im Besitz der Forbacher und Ensheimer Adts, wovon die dortigen Direktoren Gustav Jakob und Eduard Adt wiederum allein zwei Drittel hielten. Gustav Jakob Adt (geboren am 1. Juli 1860 in Forbach, gestorben am 19. August 1922 in Arnstein/Oberfranken), Sohn von Johann Baptist, übte von allen Mitgliedern der Adt-Familie bis 1918 den größten wirtschaftlichen und politischen Einfluß aus. Der Reserveoffizier (seit 1884), Mitglied der 1. Kammer des elsaß-lothringischen Landtages, heiratete 1887 Mathilde Karcher (geboren am 15. Dezember 1866 in Kaiserslautern, gestorben am 16. Dezember 1939 in Frankfurt), einzige Tochter des Kaiserslauterner Bankiers Karl Karcher. 1904 wurde Gustav Jakob Adt zum Kaiserlichen Geheimen Kommerzienrat ernannt, ab 1908 war er Mitglied der Handelskammer Metz, in der er unter anderem in den Kommissionen für die Moselkanalisation und das Eisenbahnwesen saß. Er vertrat ab 1912 die Saar und Lothringen im Vorstand des Zentralverbandes der deutschen Industrie.

Quellen und weiterführende Literatur

Adt, Hans, Aus meinem Leben und der Geschichte der Firma Gebr. Adt, Bad Orb 1978.

Besler, Max, Geschichte des Schlosses, der Herrschaft und der Stadt Forbach, o.O. 1913.

Roth, François, La Lorraine Annexée 1870–1914, Nancy 1981.

Visitez Forbach. L’histoire à travers batiments et sites, o.O. o.J., ungedrucktes Typoskript (hg. von der Ville de Forbach, Vorwort und Redaktion von Jean-Claude Flauss, Forbach, nach 1985). Die Verfasserin dankt Herrn Stadtarchivar Flauss an dieser Stelle für seine freundliche, unbürokratische Hilfe bei der grenzüberschreitenden Recherche, insbesondere durch eine ausführliche Stadtführung und die Überlassung eines von ihm 1995 herausgegebenen Typoskripts über Forbach.

Wilmin, Henri, Les Adt et leurs industries, Sonderdruck aus: Annales de l’Est 13 (1962) 3, in deutscher Fassung und unter deutschem Titel: Adt, Hans (Hg.), Polletti, Axel (Übers.), Henri Wilmin: Die Familie Adt in Forbach, Bad Orb 1979.

Wilmin, Henri, Les Adt Forbach, Sonderdruck aus: Les Cahiers Lorrains 3 (1978), in deutscher Fassung und unter deutschem Titel: Hans Adt (Hg.), Axel Polletti (Übers.), Henri Wilmin: Die Familie Adt in Forbach, Bad Orb 1979.

Anmerkung: Henri Wilmin 1962/1978 und Hans Adt 1978 geben mehrfach die Pfalz als Region an oder sprechen von der pfälzischen Gruppe der Adt-Betriebe. Dieser Sprachgebrauch entspricht dem Gebietsstand bis 1918. Schloß Gutenbrunn liegt zwischen Lautzkirchen und Bierbach nahe Blieskastel und zählte bis 1918 zur bayerischen Rheinpfalz, seit 1935 zum Saarland, ebenso Ensheim, das seit der Bundesgebietsreform 1974 Stadtteil von Saarbrücken ist. Die lothringischen Orte Frauenberg und Bliesschweyen liegen im Bliestal nahe Saargemünd (Sarreguemines). Sie waren weder bayerisch-rheinpfälzisch noch preußisch, sondern gehörten 1871–1918 zum Reichsland Elsaß-Lothringen.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.