Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Eisenbahnlinie Saarbrücken–Trier

Bahnhof Dillingen, Berckheimstraße, Dillingen; Bahnhof Merzig, Bahnhofstraße, Merzig
Regionale Wirkung europäischer Wirtschaftspläne

Die Eisenbahnlinie Saarbrücken–Trier entstand aufgrund einer Initiative einer privaten Brüsseler Eisenbahngesellschaft, die 1845 eine gesamteuropäische Strecke projektierte. Diese sollte vom Ärmelkanal bis zum Mittelmeer reichen, um die belgischen Nordseehäfen und die Mittelmeerhäfen zu verbinden. Die belgischen Bestrebungen standen in direkter wirtschaftlicher Konkurrenz zu denen Frankreichs, dessen Atlantikhafen Le Havre durch den Bau der Eisenbahn über Paris und Straßburg (Strasbourg) gerade erst einen enormen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber Ostende und Antwerpen erzielt hatte. Die als Gegenmaßnahme von belgischer Seite geplante Bahnlinie sollte zunächst entweder über Namur–Arlon–Metz–Straßburg und die Schweiz oder über Metz–Saarbrücken–Mannheim–Triest verlaufen. England war wegen seiner kolonialen Interessen in Asien ebenfalls an einer direkten Verbindung vom Ärmelkanal bis zum Mittelmeer interessiert, die französisches Gebiet möglichst meiden sollte. Bei der Begutachtung vor Ort durch belgische und englische Fachleute brachte der belgische Ingenieur Stevens eine Trassenführung über Arlon, Luxemburg, Konz (bei Trier), Saarbrücken und Mannheim ins Gespräch, die auch von englischer Seite als schnellste Überlandpostverbindung angesehen wurde. Der Bürgermeister von Trier machte sich als erster regionaler Politiker zusammen mit dem Präsidenten der preußischen Bezirksregierung (Trier) für die Streckenführung über Trier stark, bald schloß sich Saarbrücken an. Die Keramikwerke Villeroy & Boch in Mettlach, die Dillinger Hütte und weitere Unternehmen im Saartal setzten sich dafür ein, die Strecke auf jeden Fall durch das Saartal zu führen, während Baron Lasalle von Louisenthal (Schloß Dagstuhl), Baron von Zandt (Münchweiler) und Karl von Beulwitz (Mariahütte) für ihre wirtschaftlichen Interessen eine Strecke durch den saarländischen Hochwald bevorzugten. Auch eine Trasse Luxemburg–Saarbrücken quer durch Ostlothringen über Longwy und Thionville (Diedenhofen) wurde zeitweise erörtert. Diese Pläne kamen nicht zustande, weil die englische Regierung ihre Depeschen nicht durch französisches Gebiet schicken wollte. Nachdem die Strecke über den dünn besiedelten Hochwald in der innerregionalen Meinungsbildung aus wirtschaftlichen Gründen ausschied, blieb es schließlich beim jeweils isolierten Bau der Saartalstrecke und der Strecke Luxemburg–Trier (letztere eröffnet 1861).

Baugeschichte

Hatte die Strecke zwischen Bexbach und Forbach, die 1852 eröffnet worden war, die Verbindung von deutschem und französischem Schienennetz geschaffen, so wurde durch die Strecke Saarbrücken–Trier der Anschluß an die nord-südlich verlaufenden deutschen Strecken geleistet. Diese zweite große Bahnlinie des Saarraumes wurde ab 1852 geplant und ab 1856 von der Eisenbahndirektion Saarbrücken gebaut. Die Trasse wurde aus militärischen Gründen am rechten Saarufer entlang geführt. Ab dem 15. November 1858 fuhren Kohlenzüge zwischen Luisenthal und Saarbrücken, am 16. Dezember 1858 wurde die 40 km lange Strecke bis Merzig auch für den Personenverkehr zunächst eingleisig fertiggestellt. Das letzte Teilstück zwischen Merzig und Trier kostete 8 Mio. Taler, und die Fertigstellung dieser letzten 47 km dauerte fast zwei Jahre: Der technisch komplizierte Bau des Tunnels bei Mettlach mit 1196 m Länge war dabei das entscheidende Problem. Am 25. Mai 1860 wurde die durchgehend bis Trier befahrbare Linie eingeweiht.

Als Teil des zweiten Streckenabschnitts nach Trier wurde der Bahnhof Merzig errichtet und 1860 eingeweiht. Ein namentlich nicht bekannter Architekt gestaltete den schlichten Baukörper in neoklassizistischer Manier: An dem nur wenig vorspringenden Mittelrisaliten fällt als stärkstes Schmuckelement eine Pilasterrahmung mit Palmettengesims über zwei gekuppelten Fenstern mit ionischer Halbsäule vor dem Mittelpfosten auf. Auf der Bahnsteigseite sieht man schlanke gußeiserne korinthische Säulen, die das Dach der Vorhalle tragen. Gußeisen war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein sehr beliebtes Material für schmückende wie für tragende architektonische Funktionen. Das denkmalgeschützte Merziger Bahnhofsgebäude wurde vor einigen Jahren restauriert. Zweimal war der Merziger Bahnhof Zollstation für den Güterverkehr und hatte dadurch große Bedeutung: 1920–1935 wurden hier die Züge zwischen dem Saargebiet und dem Deutschen Reich abgefertigt, 1945–1957 die Züge zwischen dem autonomen Saarstaat und der Bundesrepublik Deutschland. Der Dillinger Bahnhof wurde wegen seiner militärischen Bedeutung als Kreuzungspunkt von Bahnlinien sowie als Be- und Entladestation der Dillinger Hütte mehrfach bombardiert, und zwar sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg. 1930 bestanden von Dillingen täglich fünf durchgehende Verbindungen nach Metz und sieben nach Straßburg. 1944 wurde das Bahnhofsgebäude durch einen Luftangriff zerstört und bis 1949 in architektonisch vereinfachter Form wiederaufgebaut.

Regionalhistorischer Kontext

Wie die quer zu ihr verlaufende Strecke Bexbach–Forbach wurde auch die neue Strecke von Saarbrücken nach Trier rasch zum Schrittmacher für die weitere Industrialisierung der Region, so wurden 1869 die Schraubenfabrik Karcher (Beckingen) und 1873 die Völklinger Hütte an ihren jeweiligen Standorten errichtet, weil nun ein Eisenbahnanschluß gegeben war. Die neue Bahnlinie führte aber auch zum jähen Ende einer gerade erst erstarkten Branche: Saarschiffer, Halfen, Fuhrleute und die Werftbesitzer in Fraulautern konnten dieser Bedrohung ihrer Existenz nichts entgegensetzen. Nach dem Bau der Bahn sank das vorwiegend aus Kohle bestehende Frachtaufkommen der Saarschiffe rapide ab, die Branche verlor innerhalb weniger Jahre jede Bedeutung. Die Gemeinden an der Strecke waren zunächst nicht vom Nutzen der Bahn überzeugt gewesen. Beispielsweise äußerte sich der Dillinger Gemeinderat bis 1857 ablehnend. Aufgrund des Interesses der Dillinger Hütte am schnelleren Absatz ihrer Produkte fiel jedoch am 30. April 1858 die Entscheidung zugunsten der Bahn, und der Dillinger Bahnhof wurde noch im gleichen Jahre erbaut. Bis 1888 vollzog die Dillinger Verkehrspolitik eine Kehrtwende: Nun bot man unentgeltliche Landvergabe und einen Zuschuß von 15000 Mark dafür, die Einmündungsstelle der Strecke von Hermeskeil ins Saartal zu erhalten, und 1897 sogar einen Zuschuß von 25000 Mark dafür, daß die neue Linie nach Busendorf (Bouzonville) von Dillingen statt von Merzig ausgehen sollte.

Quellen und weiterführende Literatur

Hoppstädter, Kurt, Die Entstehung der saarländischen Eisenbahnen, Saarbrücken 1961 (Veröffentlichungen des Instituts für Landeskunde, Bd. 2).

Saam, Rudolf, Beitrag zur Baugeschichte neugotischer Kirchen an der Saar. Zum Leben und Werk des Baumeisters Carl Friedrich Müller. Sonderdruck aus: Saarbrücker Hefte 48 (1978), S. 17–23.

Schmitt, Armin, Denkmäler saarländischer Industriekultur. Wegweiser zur Industriestraße Saar-Lor-Lux, 2. Auflage, Saarbrücken 1995, S. 29.

Schwall, Stefan, „Die Ländereien werden durch die Eisenbahn verstümmelt und verlieren an Wert“ – Kleine Dillinger Bahnhofs-Chronik, in: Geschichte und Landschaft, Beilage zur Saarbrücker Zeitung, 17./18. August 1996.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.