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Gerhild Krebs

Die Befestigungsanlagen des Westwalls im Saarland

Getarnter Bunker, Am Schloß 11, Blieskastel; B-Werk, abseits B 51, Gemarkung Besseringen/Merzig; Höckerlinie, zwischen Harthweg und Verlängerte Julius-Kiefer-Straße, St. Arnual/Saarbrücken; Bunker, Rodener Schanze, Roden/Saarlouis; Bunker neben Restaurant Woll, 80, Rue des Hauteurs de Spicheren, Spicheren

Baugeschichte

Etwa die Hälfte des heutigen Saarlandes war zur nationalsozialistischen Zeit von Westwallanlagen überzogen. Rund 4100 Bunker, 340 Minenfelder, 100 km Panzergräben und 60 km Höckerlinien im saarländischen Abschnitt des Westwalles bildeten hier die militärische Befestigung der Westgrenze des nationalsozialistischen Reiches. Der saarländische Bauabschnitt war der am dichtesten mit Befestigungswerken bestückte des gesamten Westwalles – allein ein Viertel aller Westwallbauten befand sich hier. Die regional zuständigen militärischen Planungsdienststellen waren die V., VI. und VIII. Festungsinspektion der Pioniere in Kaiserslautern, Saarbrücken und Trier mit den ihnen untergeordneten Pionierstäben 17 (Homburg, Oberbauleitung: Regierungsbaumeister a.D. Naumann), 2 (St. Wendel, Landesbaurat Dr. Schmies), 24 (Saarbrücken, Oberregierungsbaurat Jenner), 13 (Trier, Oberbaurat Hartwieg). Die Bauausführung oblag den Oberbauleitungen der Organisation Todt (OT) in Homburg, St. Wendel, Trier und später auch in Saarbrücken. Die Bauleitung im Bereich von Spichern (Spicheren) und Kleinrosseln (Petite Rosselle), eingerichtet nach dem 11. Januar 1940, hatte Baurat Wagner unter Mitarbeit von Baurat Staudinger.

Im Saarland begannen die Bauarbeiten in kleinem Umfang bereits 1936, in großem Stil aber erst ab Anfang Juni 1938. Der Westwall erstreckte sich hier in einem weiten Bogen zunächst von Oberwürzbach über St. Ingbert nach Lebach und weiter bis zur Saar bei Dillingen. Am 9. Oktober 1938 verkündete Hitler anläßlich einer Westwallinspektion in Saarbrücken seinen Entschluß, Saarbrücken und Aachen in den Westwall mit einzubeziehen. Beide Städte lagen bis dahin im Vorfeld der Befestigungsanlage. Von da an herrschte auch in und um Saarbrücken eine fieberhafte Bautätigkeit, in deren Verlauf das Gebiet zwischen Ensheim und Völklingen bis zur französischen Grenze gesichert wurde. Im Dreieck von unterer Saar und Obermosel wurde ab November 1939 zwischen Borg und Orscholz mit dem „Orscholz-Riegel“ eine weitere Befestigungslinie errichtet. Der saarländische Westwallabschnitt reichte schließlich von Webenheim im Südosten über Blieskastel, Ensheim und Saarbrücken bis Völklingen, querte nördlich davon die Täler des Scheidterbach, Sulzbach, Fischbach und Köllerbach bis Völklingen, so daß Saarbrücken und der Kern des Industriereviers davon umschlossen waren, und folgte ab Bous dem rechten Saarufer bis zur Mündung der Saar in die Mosel in Konz bei Trier. Während im steilen Felstal der unteren Saar kaum Befestigungen benötigt wurden, war das Primstal vom Saarufer bis nach Lebach dicht mit Bunkern und Höckerlinien besetzt und bildete damit den am tiefsten gestaffelten Teil des gesamten Westwalles. Als weitere Verteidigungslinie landeinwärts entstanden Befestigungsabschnitte im Nordsaarland: im Ostertal, um St. Wendel und am Südrand des Schwarzwälder Hochwaldes in Richtung Hermeskeil. Insgesamt wurden im saarländischen Abschnitt des Westwalles 2,3 Mio. Kubikmeter Beton verbaut. Während einer großen Westwallinspektion Hitlers (14.–19. Mai 1939) wurden ihm im Hindenburgturm bei Berus die Pläne zur Evakuierung der saarländischen Zivilbevölkerung im Kriegsfall vorgelegt sowie die Breite der Roten und Grünen Zone festgeschrieben. Am 27.–28. Juli 1939 inspizierte Hitler den saarländischen Westwallabschnitt zum letzten Mal vor Kriegsbeginn.

Heutige Überreste des Westwallabschnitts Saarland

Bis heute finden sich Reste des Westwalls in der Landschaft der Grenzregion, so etwa ein vom Gestrüpp überwucherter Bunker zwischen dem Restaurant Woll und dem hohen Kreuz auf den Spicherer Höhen. Gesprengte Bunkerreste finden sich an den Hängen des Köllertals oder, von Büschen bestanden, auf der Höhe an der Straße vom Flughafen Ensheim an Heckendalheim vorbei. Unter dem auffällig breiten Hauptweg im Tal der Blumen des Deutsch-Französischen Gartens in Saarbrücken liegt die zugeschüttete Höckerlinie, die durch das Ehrental verlief. Ein anderes Stück Höckerlinie ist noch nördlich von St. Wendel zu sehen. Einzelne Bunker in Blieskastel, Besseringen und Saarlouis-Roden sowie ein Stück Höckerlinie in St. Arnual (Saarbrücken) stehen unter Denkmalschutz und werden im Folgenden beschrieben.

Ehemalige OT-Unterkünfte und getarnter Bunker, Blieskastel

Das Gebäude Am Schloß 11 in Blieskastel, das heute einen Teil des Von-der-Leyen-Gymnasiums und das Rathaus II der Stadt Blieskastel beherbergt, entstand als Teil des Westwallbaues und beherbergte zu dieser Zeit mehrere Einheiten der Organisation Todt. Der Bau nimmt den Platz ein, den bis 1793 das Blieskasteler Renaissanceschloß des Reichsgrafengeschlechts Von der Leyen innehatte, bis es im Zuge der französischen Revolution zerstört wurde. Der südliche, zweigeschossige Teil des Haupttraktes wurde als Wohnhaus gebaut. Es diente als Tarnung für den darunterliegenden Westwallbunker. Im Jahr 1940 folgten nach Plänen des Architekten Friedrich-Karl Rheinstädter der dreigeschossige Nordteil des Haupttraktes, der viergeschossige turmartige Mittelrisalit und der dreigeschossige Nordtrakt. Der Blieskasteler Bunker bildete einen zentralen Punkt im östlichen Teil des saarländischen Westwallabschnittes, der im Bliesgau eine weitgehend offene Landschaft befestigte: Nur wenige Kilometer weiter östlich endete der dicht von Bunkern besetzte Abschnitt in Webenheim und westlich knickte er hinter Blieskastel in Richtung zum Flughafen Ensheim und über Oberwürzbach nach St. Ingbert ab.

Höckerlinie St. Arnual

Parallel zur Verlängerung der Julius-Kiefer-Straße in St. Arnual liegt am Hang des Petersberges in Richtung Harthweg ein Stück von ca. 700 m der Höckerlinie des Westwalls. Höckerlinien dienen zur Behinderung von Panzer- und Infanterieangriffen. Die Betonhöcker in St. Arnual wurden 1940 angelegt. Sie gehören damit zum letzten, nachträglichen Bauabschnitt des Westwalles im zweiten Kriegsjahr.

Bunker Roden und B-Werk Besseringen

An der Rodener Schanze im Stadtgebiet Saarlouis liegt ein Westwallbunker, der 1939 erbaut wurde. Er befindet sich im Bereich der damaligen „Zitadelle von Saarlautern“. Etwas abseits der Bundesstraße 51 zwischen Besseringen und Merzig liegt eines der ehemals 32 sogenannten B-Werke auf saarländischem Boden, von denen heute nur noch wenige erhalten sind. B-Werke waren kleinere Bunkerbauten im Westwall, die mit erhöhter Festigkeit errichtet wurden. Sie enthielten Kampfstände für Einzelwaffen (Maschinengewehre, Geschütze etc.) und teilweise auch Panzerkuppeln. Das Besseringer B-Werk wurde 1939 mit zwei Sechs-Scharten-Türmen und einer Beobachtungsglocke errichtet. Panzertürme mit sechs Scharten wurden nur in Bunkern taktisch wichtiger Abschnitte eingebaut. Nach dem Krieg wurde das Besseringer B-Werk nicht gesprengt, jedoch entfernte man die gesamte Innenausstattung. Lange Jahre diente die Anlage als Deponie für Bauschutt, bevor sie 1980 zugemauert und zugeschüttet wurde. 1997 begann die Reservistenkameradschaft Merzig mit der Freilegung und Restaurierung. Seit 2002 wurden diese Arbeiten vom Merziger Verein für Heimatkunde betreut. Im Herbst 2006 wurden Teile des B-Werks für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Zufahrtstraße zum benachbarten Gewerbegebiet führt unmittelbar an der Anlage vorbei.

Auswirkungen des Westwallbaues im Saarland 1938–1939

In den saarländischen Dörfern machte sich die Bautätigkeit auf vielfache Weise bemerkbar. Schon in der Planungsphase setzte man sich mit unangekündigten Vermessungen, faktischen Enteignungen von rund 8000 Grundstücken und erzwungenen Nutzungsänderungen über angestammte bäuerliche Besitz- und Nutzungsrechte hinweg, was bei den Betroffenen zur negativen Beurteilung bzw. Ablehnung des Bauvorhabens führte. Nur in ganz wenigen Fällen wurde das Land gekauft, so etwa in Blieskastel. Die rechtliche Grundlage für dieses Vorgehen wurde erst zu Beginn des Krieges mit der sogenannten Duldungsverordnung (11. Oktober 1939) nachgeliefert. In vielen Fällen wurde Ackerland beim Bau des Westwalles zerstört, riesige Obstbaumbestände abgehackt, Felder und Fuhrwege von Höckerlinien durchtrennt. Denjenigen sogenannten Westwallbauern, deren Anwesen durch den Bau des Westwalles am schwersten beschädigt worden waren, wies man ab 1940 als Entschädigung Höfe in Lothringen zu, deren Besitzer vertrieben wurden.

Tausende von Männern, darunter viele aus Mittel- und Ostdeutschland, kamen als Arbeitskräfte. Die dienstverpflichteten Westwallarbeiter lebten großenteils in Massenunterkünften, zu Anfang sogar in Zeltlagern. Allein 200 Barackenlager wurden gebaut, aber auch viele Turnhallen oder Säle von Gastwirtschaften wurden zu Schlaf- und Wohnräumen umfunktioniert. Der geringere Teil der freiwilligen Westwallarbeiter war privat untergebracht. Der massenhafte Zustrom von fast ausschließlich männlichen Arbeitskräften mit guten Verdienstmöglichkeiten brachte nicht nur freundschaftliche Begegnungen, sondern auch vielfältige Spannungen mit sich, darunter ein zeitweiliges Ansteigen der Kriminalitätsrate und zahlreiche Reibereien mit einheimischen Männern.

Der Personalbestand der Reichsbahndirektion Saarbrücken wurde verdoppelt, 490 Loks mit 898 Mann Besatzung kamen hinzu, die Dienstschichten von bis zu 52 Stunden absolvierten. Ab Mitte Juni 1938 wurden Sonderzüge für den Transport des Baumaterials gefahren, dadurch vervielfachte sich die Zahl der Frachtzüge auf den saarländischen Bahnlinien. Dies führte wiederum zu ständigen Verspätungen der Personenzüge, was insbesondere für die vielen saarländischen Pendler ein großes Problem darstellte. Autobusse der Reichspost sowie Busse privater Subunternehmer, die von der Organisation Todt angestellt wurden, dienten zum Transport der Westwallarbeiter von den Unterkünften zu den Baustellen. Ganze Flotten von Lastkraftwagen schafften das Baumaterial herbei. Bisher arbeitslose oder schlecht bezahlte Einheimische fanden zeitweilig Arbeit, als Arbeiter vor Ort, Fahrer von Bussen und Lastkraftwagen, Besitzer von Fuhrgeschäften oder durch andere Dienstleistungen für den Westwallbau: In Etzenhofen, einem Ortsteil von Köllerbach, entstand im Oktober 1938 eine Instandsetzungswerkstatt mit Werkmeister für die Busse des Westwalles. Das Verkehrsaufkommen steigerte sich binnen kürzester Zeit enorm, zwischen Juni 1938 und August 1939 häuften sich die Autounfälle in der Nähe der Baustellen, an denen durchgehend Tag und Nacht gearbeitet wurde. Lastkraftwagen im Dienst des Westwallbaues verursachten die ersten tödlichen Unfälle in den Dörfern des Köllertales. Das lokale Baugewerbe erlebte einen kurzzeitigen Boom, sowohl im Rahmen der direkten Arbeiten am Westwall als auch in seinem Umfeld. Neue Wege und Zufahrtsstraßen wurden gebaut oder bestehende verbessert, um den Materialnachschub an die Baustellen sicherzustellen, und Wasserreservoirs mußten zur Versorgung der Betonmischer angelegt werden – so in Heckendalheim und in Merzig auf dem Kreuzberg. Im Köllertal wurde ab 1936 eigens die alte Provinzialstraße durch eine neue Hauptstraße am Talgrund ersetzt. Für den Westwall wurden Landschaftslinien verändert, so machte man Abhänge künstlich steiler. Ebenso wurde durch Talsperren und Aufstauungen in den Wasserhaushalt eingegriffen. Nach Abschluß der Bauarbeiten waren die Bunker des Westwalles infolge ihrer Tarnung kaum im Gelände auszumachen und die Ausdehnung der Befestigung ausschließlich an den Höckerlinien zu erkennen.

Straflager im Umfeld des Westwallbaues ab 1938

Besondere Sicherungsstäbe waren für die Geheimhaltung und Spionageabwehr beim Westwallbau zuständig, außerdem die Feld- und Kriegsgerichte, soweit die ausführenden OT-Einheiten ausschließlich der Wehrmacht unterstanden; dies galt ab 1939 für die gesamte OT. Die von den Sicherungsstäben im Einvernehmen mit der Gestapo verhängten Strafen wurden zunächst in Gefängnissen und sogenannten Not-Arrestlokalen verbüßt. Wegen deren Überfüllung wurden spezielle Polizeilager eingerichtet. Das Polizeihaftlager Homburg-Nord diente der OT-Oberbauleitung Homburg, das Polizeihaftlager Hinzert den OT-Oberbauleitungen St. Wendel, Trier und Bitburg. Neben dem Hinzerter Lager, dessen erste Baracken zur Unterbringung von OT- und RAD-Bautrupps gedient hatten, entstand das berüchtigte SS-Sonderlager Hinzert. Beide wurden ab 1940 zu einem Lager zusammengefaßt.

Evakuierungsplanung und Westwall: Das Konzept Rote/Grüne Zone 1939

Die detaillierten Organisationspläne für die Evakuierung der saarländischen Zivilbevölkerung lagen bereits im Frühjahr 1939 bereit. Im Saarland und der Pfalz, d.h. zwischen Mosel und Rhein, war eine etwa zehn Kilometer breite Zone von der Grenze landeinwärts als sogenannte Rote Zone definiert. Sie entsprach in etwa dem Westwallvorfeld. Daran schloß sich weiter landeinwärts eine etwa 20 km breite Grüne Zone an, die im eigentlichen Westwallgebiet lag. Im Falle des Krieges sollte die gesamte Zivilbevölkerung aus der Roten Zone evakuiert werden, im Falle eines feindlichen Einmarsches auch die der Grünen Zone. Der erste Evakuierungsbefehl am 2. September 1939 für die Rote Zone wurde widerrufen, während der zweite Evakuierungsbefehl am 3. September 1939, dem Tag der Kriegserklärung durch Frankreich und Großbritannien, durchgeführt wurde. In der zeitgenössischen Propaganda wurde die Evakuierung als Freimachung, Rückführung oder Rückwanderung bezeichnet. Unter hohem logistischem Aufwand wurden der saarländische Teil des Saargaues, des Warndt und des Bliesgaues geräumt, rund 300000 Menschen verließen das Saarland und durften erst im Sommer 1940 nach dem Waffenstillstand mit Frankreich zurückkehren. Die zweite Evakuierung im November/Dezember 1944 erfolgte infolge des Kriegsverlaufes unsystematisch und beschränkte sich nicht mehr auf die Rote bzw. Grüne Zone.

Der saarländische Westwallabschnitt 1939–1945

Am 25. August 1939 befahl Hitler den Sicherheitsaufmarsch West. Wehrmachtseinheiten aus allen Teilen des Reiches wurden in Richtung Westwall in Marsch gesetzt. Sie bezogen Bunker und Stellungen, hoben Verbindungsgräben in der Hauptkampflinie aus, räumten Schußfelder, legten Minenfelder an und errichteten Stacheldrahtverhaue. Zu den Maßnahmen gehörte auch die Sprengung markanter Bauwerke in der Räumungszone: Das Saarbrücker Winterbergdenkmal, der Hindenburgturm bei Berus, der Alexanderturm bei Böckweiler, die Pfarrkirche von Borg sowie weitere Kirchen im Grenzraum wurden von Pioniereinheiten gesprengt. Der Gollenstein genannte Menhir bei Blieskastel wurde eigens ausgegraben und zerbrach beim Abtransport in drei Teile. Im Dezember 1939 wurden auf den Spicherer Höhen erste provisorische Unterstände errichtet, darunter einer, der wegen eines Besuches von Hitler am 24. Dezember 1939 seither als „Adolf-Hitler-Stellung“ bezeichnet und ab Januar 1940 weiter ausgebaut wurde. Bis Juni 1940 wurde der saarländische Westwall auf den ganzen Spicherer Berg und in Richtung Kleinrosseln (Petite Rosselle) ausgedehnt, danach stellte man die Bauarbeiten ein. In den folgenden Jahren bis zum August 1944 wurden die saarländischen Bunker teilweise von der Zivilbevölkerung als Bombenschutzräume aufgesucht, ansonsten aber kaum benutzt. Am 31. August 1944 befahl Hitler die Wiederherstellung der Kampfbereitschaft des Westwalles. Im Bereich des Dreiländerecks und der Saarschleife sollte der besonders stark befestigte sogenannte Orscholzriegel zwischen Tettingen und Oberleuken die anrückenden US-Truppen aufhalten. Tatsächlich entwickelte sich der Kampf um die exponierte Stelle auf der Hochfläche zwischen Saar und Mosel ab November 1944 zu einer ungeheuren Materialschlacht. Als im Januar 1945 verstärkende US-Truppen (je eine Infanterie- und Panzerdivision) an der Saar-Mosel-Front eintrafen, verschob sich zunächst die Front mehrfach. Schließlich wurde im Februar der 15 km lange Abschnitt mit pausenlosem Granatenbeschuß in die „Hölle am Orscholzriegel“ verwandelt, da sich die Bunkerbesatzungen nicht ergeben wollten. Am 19.–20. Februar 1945 wurde der Westwall an dieser Stelle durchbrochen. Ungezählte Tote, zerstörte Dörfer und eine Mondlandschaft blieben zurück. Eine weitere Ballung von Bunkeranlagen des Westwalles befand sich auf dem rechten Saarufer in Roden bei Saarlouis, dem damaligen Saarlautern. Die Kämpfe weiteten sich entlang der Saar bis Völklingen und Dillingen aus, besonders in Roden und Fraulautern wurde verbissen um jedes Haus gekämpft. Am 16. Dezember 1944 mit Beginn der Ardennenoffensive, ergab sich im Abschnitt Ensdorf die Besatzung des letzten Bunkers. Am gleichen Tag versuchte ein Sonderkommando der „Schwarzen Panther“ die amerikanischen Linien zu umgehen, um vom noch deutsch besetzten Forbach aus ein Benzinlager der US-Truppen im Bahnhof St. Avold zu sprengen. Ähnlich sinnlose Sabotageakte hatten die „Schwarzen Panther“ seit längerer Zeit im Frontabschnitt zwischen Echternach bis St. Avold durchgeführt. Die letzten Reste der Bunkerbesatzungen des Westwalles starben in den Abwehrkämpfen, ergriffen die Flucht oder gerieten in Kriegsgefangenschaft. Am 21. März 1945 fanden die Kampfhandlungen im Saarland mit der Einnahme des Raumes um Saarbrücken und Neunkirchen durch die US-Truppen ihr Ende.

Desarmierung und Schleifung des Westwalles nach 1945

In der Direktive Nummer 22 des Alliierten Kontrollrates (6. Dezember 1945) wurden die völlige Entminung sowie die Zerstörung sämtlicher Befestigungs- und Militäranlagen in Deutschland verfügt. Französische Pioniere begannen im Saarland Ende März 1946 mit den Vorarbeiten. Die Aufgabe der Sprengungen wurde der Verwaltungskommission des Saarlandes übertragen. Deren Desarmierungskommando, das als Entminungskommando und zur Munitionsräumung am 15. Juli 1946 gegründet worden war, führte die Sprengungen nun unter französischer Kontrolle durch. Sprengmeister aus dem Saarbergbau und ehemalige Soldaten bildeten die Sprengtrupps. Sie entfernten Höckerlinien, räumten Bunker von brauchbarem Material und sprengten ab dem 15. August 1946 einen großen Teil der Bunker. Wegen der auftretenden Schwierigkeiten wurden fünf zivile Sprengmeister ausgebildet, die mit je 20 Mann unter französischer Kontrolle die weiteren Sprengungen durchführten. Sprengungen im Bereich von bebauten Wohnlagen erwiesen sich als besonders problematisch; die gesamten Sprengungen waren außerdem für die saarländische Verwaltung sehr kostenintensiv. 1947 beschloß der französische Ministerrat als Reaktion auf diesbezügliche Eingaben saarländischer Politiker, die Sprengungen einstellen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt waren rund drei Viertel der Bunker gesprengt und zwei Drittel der Höckerlinien beseitigt. Später wurden Sprengungen von Westwallbunkern nur noch von Fall zu Fall durchgeführt und am 1. September 1948 ganz eingestellt. Der Kampfmittelräumdienst, eine Abteilung beim saarländischen Innenministerium, existiert bis heute als Nachfolger des Desarmierungskommandos. Mit einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 13. Juni 1956 wurde die Bundesrepublik zur Eigentümerin erhaltener und zerstörter Westwallanlagen erklärt. Unter Anwendung des ab 1959 auch im Saarland geltenden Kriegsfolgengesetzes wurden die rund 8000 Grundstückseigentümer mit kleinen Geldbeträgen entschädigt. Aufgrund der Sprengungen ist es heute in vielen Fällen nicht mehr möglich, die noch erhaltenen Bunkerreste in der Landschaft einem bestimmten Bunkertyp zuzuordnen.

Regionalhistorischer Kontext

Der Westwall griff in die geographischen, infrastrukturellen und sozialen Zusammenhänge der von seinem Bau betroffenen Dörfer ein. Er veränderte die saarländische Landschaft in einer Weise, die an verschiedenen Stellen bis heute sichtbar ist. So wurden durch Vertiefung von Bachbetten und Aufstauung von Bächen sogenannte Tankfallen (Panzerfallen) in Form von tiefen, breiten Wassergräben geschaffen, wie sie etwa im unteren Würzbachtal bis Lautzkirchen (Blieskastel) noch heute zu sehen sind. Der Westwall diente neben seiner realen militärischen Funktion mehreren ideologischen Funktionen gleichzeitig: Der nationalsozialistische Führerkult feierte Adolf Hitler als größten Feldherrn und zugleich größten Baumeister aller Zeiten. Das gemeinsame Bauen an einem gigantischen Projekt wurde als Werk der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft unter Führung der NSDAP dargestellt. Die Befestigung wurde als Rückendeckung der künftigen deutschen Ostpolitik gerühmt und diente gleichzeitig zur geistigen Abgrenzung gegen die westlichen Demokratien. Vor allem behauptete man eine militärische Überlegenheit gegenüber der französischen Maginotlinie, die zwischen 1929 und 1939 an der Nord- und Ostgrenze Frankreichs errichtet worden war. Als Teil eines Festungswerks, das von der schweizerischen bis zur niederländischen Grenze reichte, stand der saarländische Abschnitt des Westwalles dem Abschnitt Lothringen der ähnlich ausgedehnten Maginotlinie gegenüber. Diese wurde an der Saar vor 1935 als bedrohlich empfunden: „... zahlreiche Saarländer (hatten) die Großbaustellen im benachbarten Lothringen gesehen und im Gespräch mit der lothringischen Grenzbevölkerung manches gehört... So war der Eindruck einer wohlgesicherten französischen Ostgrenze und einer völlig ungedeckten deutschen Westgrenze entstanden, ein Eindruck, der in der Folge von der nationalsozialistischen Propaganda geschickt ausgenutzt wurde“ (Seck, Unternehmen Westwall, S. 10). Der rasche Aufbau des Westwalls hatte 1938 möglicherweise einigen Einfluß auf den Verlauf der Münchner Verhandlungen Hitlers mit Großbritannien und Frankreich. Die vermeintliche militärische Überlegenheit des Westwalls, der bis Kriegsbeginn nicht fertig wurde, erwies sich schon im ersten Kriegsjahr als zweifelhaft – so waren in Brebach eine Reihe von Bunkern direkt an der Saar wegen eines Staus versenkter Flußschiffe von Saarwasser überflutet, an einer anderen Stelle wurden 19 Bunker in verschlammtem Gelände durch Regen- und Grundwasser überschwemmt. Der Westwall war 1944 personell und waffentechnisch nicht voll ausgerüstet, teilweise wegen fehlender Fertigstellung o.ä. nicht benutzbar und festungstechnisch schon nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die US-Truppen griffen den saarländischen Westwallabschnitt nicht nur an, sondern rollten die Befestigung durch Umgehungsbewegungen zugleich von hinten auf. Damit wurde 1944/1945 der Überlegenheitsmythos des Westwalles hinfällig. Der militärpsychologische Vorteil der Befestigungslinie, der im Saarland noch im letzten Kriegswinter zu schwersten Kämpfen führte, ist in der Rückschau jedoch als hoch einzustufen: Der Westwall verzögerte das Kriegsende im Dreiländereck, an der mittleren Saar und im Bliesgau um rund ein halbes Jahr: „In der Endphase der Kämpfe auf dem linken Rheinufer zeigte sich der Westwall keineswegs unüberwindlich, aber als tatsächliches fortifikatorisches Hindernis wie auch als propagandistisches Schreckwort spielte er eine Rolle bei der Versteifung des deutschen Rückzugs im Herbst 1944 und war im März 1945 mitbestimmend für den Ablauf der Räumung des linken Rheinufers südlich von Nahe und Glan“ (H.-W. Herrmann in Seck, Unternehmen Westwall, S. 20).

Hintergrund: Ziele und Baukonzept des Westwalles

Bereits Ende Oktober 1935 hatte Hitler sich anläßlich einer Inspektion der Befestigungen im Osten des Reiches dazu entschlossen, innerhalb von 15 Jahren eine starke Westbefestigung errichten zu lassen. Sein Plan setzte einen Bruch des Versailler Vertrages und des Vertrages von Locarno (16. Oktober 1926) voraus, da Deutschland beiden Verträgen zufolge verpflichtet war, keine militärische Besetzung des linken Rheinufers sowie keine militärischen Befestigungen auf dem linken Rheinufer und bis zu einer Linie 50 km östlich des Rheins vorzunehmen. Die Remilitarisierung des Rheinlandes am 7. März 1936 setzte den ersten Teil seines Planes in die Tat um. Bald verkürzte Hitler die Umsetzungszeit seiner Pläne auf zunächst zehn, dann auf vier Jahre.

Der Befehl Hitlers zum Baubeginn der Westbefestigung erfolgte am 28. Mai 1938. Der Begriff „Westwall“ stammt vermutlich aus den Reihen der Westwallarbeiter. Er tauchte Mitte November erstmals in der Berichterstattung der NSZ-Rheinfront auf und wurde von staatlicher Seite erstmals im Vorwort zu einer bebilderten Erinnerungsschrift für die Westwallarbeiter benutzt, die zum Jahresende 1938 erschien. Spätestens im Mai 1939 wurde der Begriff allgemein und am 20. Mai 1939 von Hitler im Rahmen einer Rede benutzt. Die Planung der Befestigung und die taktische Festlegung der Bunkerpositionen im Gelände oblagen den Pionierstäben des Heeres (rund 90000 Mann) mit ihrer Zentrale in Wiesbaden. Die Baudurchführung hatte die Organisation Todt (mit bis zu 342000 Arbeitern) unter Beteiligung von rund 300 Abteilungen des Reichsarbeitsdienstes (RAD); insgesamt waren nach zeitgenössischen Veröffentlichungen rund eine halbe Million Menschen mit dem Bau des Westwalles befaßt. Zwischen Juni 1938 und August 1939 wurde er zunächst zwischen Basel und Aachen errichtet, ab Herbst 1939 reichte er bis zur Nordsee und erreichte damit rund 630 km Länge. Weitere Bauten wurden im Laufe des Jahres 1940 hinzugefügt. Der Westwall verband das herkömmliche Konzept einer Verteidigungslinie mit dem tiefenräumlichen Konzept befestigter Gebiete. Diese strategische Mischung wurde einerseits durch die Staffelung der beiden Verteidigungszonen hergestellt, andererseits durch die Anlage der Befestigungslinien selbst. Die rund 22000 Kampfstände und Einzelwerke der Befestigungslinie, die zugleich als Kampf- und Verteidigungsanlage gedacht war, bildeten ein komplexes System von Bunkern verschiedener Größen, gesicherten Befehls- und Beobachtungsständen, die sich jeweils gegenseitig Feuerschutz boten und zu Sperrfeuerketten verbunden werden konnten. In der Tiefe war der Westwall in zwei Linien gestaffelt, die erste Linie war die Verteidigungszone des Landheeres, die zweite gehörte zur Luftverteidigungszone West. Die unterschiedlichen Bunkertypen des Westwalles waren jeweils auf Rundumverteidigung angelegt, d.h. jeder Bunker konnte als selbständige Kampfeinheit operieren. Neben den Bunkern sollten durchlaufende Hindernisse wie Panzergräben, Steilhänge, Höckerlinien, Stacheldrahtverhaue, Weiher und Straßensperren eventuelle Angriffe behindern. Befehls- und Beobachtungsstellen mit Fernmeldezentralen dienten dem Überblick über die Gefechtslage und der Befehlsausführung, Versorgungsbunker vervollständigten die taktische Konzeption. Nach Abschluß der Bauarbeiten an den Bunkern wurden diese jeweils mit Tarnverputz, begrüntem Erdaushub und Tarnbepflanzung wieder kaschiert, damit sie im Landschaftsbild nicht auffielen. Bunker in bebauten Ortslagen von Dörfern und Städten wurden häufig durch Wandbemalung oder durch auf ihnen stehende Wohnhäuser bzw. öffentliche Gebäude getarnt.

Quellen und weiterführende Literatur

Bettinger, Dieter/Büren, Martin, Der Westwall. Die Geschichte der deutschen Westbefestigungen im Dritten Reich, Bd. 1: Der Bau des Westwalls 1936–1945, Bd. 2: Die technische Ausführung des Westwalls, Osnabrück 1990, hier: Bd. 1, S. 68ff.

Historisches Museum Saar (Hg.), GrenzenLos. Lebenswelten in der deutsch-französischen Region an Saar und Mosel seit 1840. Katalog zur Ausstellung, Saarbrücken 1998.

Krebs, Gerhild, Geschichte des Köllertals 1918–1948. Die Dörfer Köllerbach und Püttlingen, Manuskript.

Regionalgeschichtliches Museum Saarbrücken (Hg.), Zehn statt Tausend Jahre. Die Zeit des Nationalsozialismus an der Saar 1935–1945. Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums Saarbrücken, 2. Auflage, Merzig 1988.

Seck, Doris, Unternehmen Westwall, 2. Auflage, Saarbrücken 1981.

Dies./Peters, Paul, Die Stunde Null. Das Kriegsende an der Saar, Saarbrücken 1986, S. 22f.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 14, 86, 161, 193.

Thömmes, Matthias, „Die Amis kommen!“ Die Eroberung des Saar-Hunsrück-Raumes durch die Amerikaner 1944/45, Aachen 2001.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.