Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Eisenbahnlinie Bexbach–Forbach

Ensemble Bahnhof Bexbach, Bahnhofstraße und Güterstraße, Bexbach

Baugeschichte

1849 war die Ludwigsbahn zwischen Ludwigshafen und Bexbach fertiggestellt worden. Bexbach war damals bayerischer Grenzbahnhof der „Königlich bayerischen concessionirten Pfälzischen Ludwigsbahn“ zur preußischen Rheinprovinz. 1848/1849 wurde das Bexbacher Bahnhofsgebäude errichtet. Es ist das älteste erhaltene Bahnhofsgebäude des Saarlandes und bildet heute zusammen mit der Güterabfertigung aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das denkmalgeschützte Ensemble Bahnhof Bexbach. 1851 erreichte die französische Ostbahn die Stadt Forbach. Die Lücke zwischen den beiden nationalen Bahnlinien, die jeweils bis ins unmittelbare Grenzland Deutschlands und Frankreichs reichten, wurde im folgenden Jahr 1852 geschlossen. Der preußische Bergamtsdirektor Leopold Sello hatte bereits seit 1819 einen Bahnanschluß des Saarreviers an die Rheinschiene angestrebt und verstärkte seine Bemühung um eine grenzüberschreitende Linie nach Frankreich durch Gründung eines Komitees am 23. Januar 1836 unter seinem Vorsitz. Die Verhandlungen der Staaten Preußen, Bayern und Frankreich gestalteten sich jedoch extrem schwierig. In Saarbrücken und Metz bildeten sich zwei Komitees von interessierten Bankiers, Hüttenbesitzern und Kaufleuten, die sich 1838 erstmals grenzüberschreitend verständigten. 1843 verfaßte im Auftrag der Stadt Metz der zeitweise hier ansässige Artillerieoffizier Libre Irmond Bardin (aus Montargis bei Orléans) eine diesbezügliche Denkschrift. Die Behörden waren sich 1843 einig, so daß die Trassenplanung auf deutscher Seite 1843–1847 vom Oranienburger Wegebaumeister Gärtner erstellt wurde. Der Trassenbau erfolgte 1848–1852 unter Aufsicht von Regierungsbaurat Hoff (Trier), Bergamtsdirektor Sello und seinem Mitarbeiter Berginspektor Johann Hähner. Aus militärgeographischen und wirtschaftlichen Gründen wurde der benötigte Bahnhof im Bereich der Agglomeration Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach auf dem rechten Saarufer in St. Johann errichtet, was im traditionellen Konkurrenzkampf zwischen Saarbrücken und St. Johann endgültig den Ausschlag zugunsten der Kaufmannsstadt St. Johann gab. Der Bahnhof bildete schon nach kurzer Zeit die Drehscheibe des Verkehrs an der Saar: Im Jahr 1877 benutzen ihn bereits 2,3 Millionen Fahrgäste. Trotz seiner Lage auf dem St. Johanner Bann wurde er überall Bahnhof Saarbrücken genannt und dient seit 1909 der Großstadt Saarbrücken als Hauptbahnhof. Als erste Eisenbahnbrücke im Saarrevier schuf die ab Mitte Juli 1849 im Bau befindliche Schanzenbergbrücke den Übergang der Trasse über die Saar. Am 22. Mai 1852 war der Bau der Strecke auf deutscher Seite abgeschlossen, die erste Bahn aus Ludwigshafen traf am 15. Oktober 1852 in Saarbrücken ein, die 31 km lange Strecke bis Forbach wurde am 15. November 1852 eröffnet und am Tag darauf erstmals befahren. Seither brauchte man ca. 12,5 Stunden Fahrzeit vom Rhein bis Saarbrücken und wiederum 13 Stunden bis Paris – ein Rekord gegenüber der zehnmal so langen Reisedauer per Postkutsche.

Regionalhistorischer Kontext

Frankreich und Preußen versprachen sich von der binationalen Bahnverbindung wirtschaftliche Vorteile. Preußen konnte nahe der Trasse im Saarrevier mehrere neue Steinkohlegruben eröffnen, und Geschäftsleute verlegten ihre Glashütten an die Bahnlinie. Diese neuen Gruben und Hütten nannte man daher Eisenbahngruben und Bahnglashütten. Die infrastrukturelle Entwicklung kam beiden Seiten zugute, das belegt die Anwesenheit des französischen Handelsministers Magné am 15. November 1852 als Ehrengast bei der Eröffnung der Eisenbahngrube Von der Heydt. Die Eisenbahnlinie Bexbach–Forbach blieb jedoch im Saar-Lor-Lux-Raum bis auf weiteres die einzige Bahnverbindung zwischen den beiden Staaten, da das preußische Militär nicht an weiteren grenzüberschreitenden Bahnlinien interessiert war. Lediglich die Bahnlinien Luxemburg–Diedenhofen (Thionville) und Luxemburg–Trier (letztere eröffnet 1861) erreichten als deutsch-luxemburgische Bahnlinien ebenfalls ähnliche binationale wirtschaftliche bzw. strategische Bedeutung wie die Linie Bexbach–Forbach. Der Bau der Eisenbahn Bexbach–Forbach löste im Saarrevier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Revolution im Transportwesen und folglich ein rasantes Wirtschaftswachstum aus: Hatten sich bisherige Konzepte für den Massentransport von Kohle, Erzen, Keramik, Glas und anderen Waren an der Flußachse der Saar orientiert, so stand mit der Eisenbahn nun ein Verkehrsmittel bereit, das den Warenfluß in alle Richtungen ermöglichte, schneller und auch billiger war, zumindest im Nahbereich von rund 100 km. Für den Saarbergbau bedeutete die Ankunft der Eisenbahn, daß den Gruben an der Saar immer weniger Bedeutung zukam und die Bergverwaltung die Entwicklung der Eisenbahngruben forcierte. Die Eröffnung der Bahnlinie weitete den Absatzmarkt der Saarkohle nach Frankreich und in die Schweiz hinein aus, ließ aber auch in Frankreich dessen Grenzen erkennen, wo die Saarkohle auf die Märkte der Gruben aus der Region Blanzy/Saint-Étienne einerseits und der nordfranzösischen bzw. belgischen andererseits stieß. Auch für die anderen Industriezweige, besonders die Glasindustrie, spielte nun wegen der billigeren und schnelleren Beförderung nicht mehr der Standort an der Saar die Hauptrolle, sondern das Vorhandensein eines Bahnanschlusses. Anfang 1999 wurde von der französischen Regierung die Zustimmung zum Ausbau ihres lothringischen Streckennetzes erteilt. Damit wurde endlich eine Schlüsselentscheidung für die Zukunft der Wirtschaftsregion Saar-Lor-Lux gefällt, die von der damaligen saarländischen Landesregierung jahrelang angestrebt worden war: Der Ausbau des europäischen Schnellzugnetzes mit dem französischen TGV und dem deutschen ICE. Seit 2007 verkehrt der ICE fünfmal täglich direkt von Frankfurt am Main nach Paris und zurück, wobei die Entfernung zwischen Saarbrücken und der französischen Kapitale in nur einer Stunde und fünfzig Minuten Fahrtzeit zurückgelegt wird.

Quellen und weiterführende Literatur

Hoppstädter, Kurt, Die Entstehung der saarländischen Eisenbahnen, Saarbrücken 1961 (Veröffentlichungen des Instituts für Landeskunde, Bd. 2).

Jacoby, Fritz, Bayern und Preußen an der Saar, in: Mallmann, Klaus-Michael/Paul, Gerhard/Schock, Ralph/Klimmt, Reinhard (Hg.), Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815–1955, 2. Auflage, Bonn 1988, S. 29.

Kretschmer, Rudolf, Vom Treidelzug zur Autobahn. Das Flußtal als Verkehrsweg, in: Van Dülmen, Richard/Labouvie, Eva (Hg.), Die Saar. Geschichte eines Flusses, St. Ingbert 1992, S. 99–123, besonders S. 109.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.