Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Internationale Saarmesse

Messegelände, Am Schanzenberg, Saarbrücken

Messegründung (1946–1950)

Im Laufe des Jahres 1946 faßte Heinz Grandmontagne zusammen mit seinen drei Brüdern Willi, Daniel und Fritz den Plan, eine Saarmesse zu organisieren, um die saarländische Wirtschaft anzukurbeln. Zu diesem Zweck gründeten sie eine „Saarländische Messegesellschaft“. Der gebürtige Saarländer Heinz Grandmontagne (Diefflen) brachte praktische Nachkriegserfahrung auf dem Gebiet des Messe- und Ausstellungsbaues mit, da er bereits in München und Stuttgart im Auftrag der US-Besatzung zwei Exportschauen organisiert hatte. Es gab noch keine vergleichbare Einrichtung an der Saar, obwohl der französische Stadtplaner Henri Pingusson ab 1945 entsprechende Überlegungen angestellt hatte. Die Planung wurde zunächst vom städtischen Saarbrücker Dezernat für Wirtschaft und Verkehr unter inoffizieller Beteiligung der Brüder Grandmontagne durchgeführt, aber von den saarländischen Industrieverbänden wie auch von Teilen der Unternehmerschaft torpediert. Die geplante „Saarmesse GmbH“, an der öffentlich-rechtliche Institutionen, aber auch die Grandmontagnes mit 15% Geschäftsanteil beteiligt sein sollten, kam bis zum Sommer 1949 nicht zustande und schien schon im Vorfeld gescheitert. Peter Zimmer, der in Personalunion die Ämter des Landtagspräsidenten und des Bürgermeisters von Saarbrücken bekleidete und außerdem einer der wichtigsten Politiker der Sozialdemokratischen Partei des Saarlandes SPS war, sah jedoch die Messe als Profilierungschance sowohl für Saarbrücken als auch für das gesamte Saarland an. Zimmer verhandelte weiter, trennte das politische vom unternehmerischen Risiko und schloß mit den Grandmontagnes einen fünfjährigen Vertrag. Damit sicherte er der Stadt wie den Brüdern Grandmontagne eine Basis für den Messeaufbau. Den ursprünglichen Plan des Familienunternehmens griff Zimmer auf, da auf anderem Weg eine Messe nicht zu finanzieren gewesen wäre. Die Brüder Grandmontange übernahmen das finanzielle Risiko und bauten die Messe mit dem Eigenkapital ihres nun als „Saarländischer Gestaltungskreis“ (SGK) bezeichneten Unternehmens auf. Peter Zimmer kündigte öffentlich an, die Stadt werde im Frühjahr 1950 die erste Saarmesse veranstalten.

Französisch und europäisch geprägte Anfangsjahre (1950–1959)

Ein Gelände von 26000 m² am Schanzenberg wurde von der Stadt als Veranstalterin bereitgestellt und erschlossen, der SGK fungierte als organisatorische Messeleitung. Im Februar 1950 begannen die Planierungsarbeiten am Schanzenberg, am 24. März 1950 standen bereits drei in Holzbauweise errichtete, fast fertige Messehallen, zwei Zelte kamen später noch hinzu. Am 29. April 1950 wurde die erste Saarmesse durch Hochkommissar Gilbert Grandval eröffnet. 330 Aussteller waren bis zum 14. Mai 1950 in Saarbrücken vertreten. Zur beliebten Grenzmesse entwickelte sich die Saarmesse ab 1952 durch zunehmende Vereinbarungen von Sonderkontingenten zwischen Frankreich und Deutschland, d.h. für Waren, die normalerweise nicht importiert und nur anläßlich der Messe vor Ort verkauft werden durften. Am 15. Oktober 1955 schlossen die Stadt und der SGK einen weiteren Vertrag auf 25 Jahre, der unter anderem die Bedingung enthielt, die noch provisorischen Bauten nun schrittweise durch richtige Messehallen zu ersetzen. Das Ergebnis der Saarabstimmung machte die Pläne für eine Internationalisierung und vor allem Europäisierung der Messe zunichte, ihr Bestand als zentrale Wirtschaftsveranstaltung des Saarlandes konnte jedoch gesichert werden. Während die Zahl der deutschen Aussteller weiter zunahm, ging der Anteil französischer Aussteller kontinuierlich zurück und erreichte im Jahr 1957, dem Jahr des politischen Anschlusses des Saarlandes an Deutschland, seinen tiefsten Stand von 12%. Zugleich wuchs das Interesse an den deutschen Waren: 360000 Besucherinnen und Besucher im Jahr 1956 und 1900 Aussteller im Jahr 1957 blieben die bis heute höchste Aussteller- und Besucherzahl in der Geschichte der Messe. Die Saarmesse gewann bis 1959 weiter an Gewicht als Großmarkt, da hier deutsche Firmen während der wirtschaftlichen Übergangszeit wieder oder erstmals Kontakte mit Saarfirmen anknüpfen konnten. Zugleich stieg der Anteil der französischen Aussteller wieder. In dieser Zeit wurde wegen der enorm gesteigerten Nachfrage das Ausstellungsgelände verdoppelt.

Großregionaler europäischer Messestandort mit internationaler Bedeutung ab 1959

1959 wurde der Name der Trägerfirma Firma SGK in Saarmesse GmbH geändert. Das Angebot der Messe Saarbrücken war zusätzlich zur heutigen Internationalen Saarmesse von Anfang an diversifiziert und um Spezialmessen ergänzt worden. Aus der „Welt der Frau“ der 1950er Jahre wurde die heutige Europäische Verbrauchermesse „Welt der Familie“, die „Hotel- und Gaststättenausstellung“ entstand als Vorläufer der „Eurogast“, die „Energie und Umwelt“ als Fachmesse für innovative Energie- und Umwelttechnik, die „EU-REHA“ als europäische Messe für Rehabilitation, die „Camping und Hobby“ (später: „Freizeitmesse Touristik – Sport – Hobby“), ab 1969 die BÜFA-Saar, eine Büro-Fachmesse im zweijährigen Turnus, sowie die „Fachausstellung für Industriebedarf“, aus der sich seit den 1970er Jahren die „Zuliefermesse für Industrie- und Handwerksbedarf“ entwickelte.

Die zunehmende internationale Bedeutung der Saarmesse spiegelte sich auch an ihren Gästen. Der langjährige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher war während seiner Amtszeit seit 1973 Schirmherr der Messe und nahm regelmäßig an der Eröffnung teil. Botschafter verschiedener Länder vertraten ihr Land an offiziellen Ständen, so etwa der chinesische Botschafter Professor Guo Fengmin im Jahre 1988. Französische Aussteller sind seit Jahrzehnten die größte Gruppe innerhalb der zur Europäischen Union gehörenden Länder, die weiterhin den Hauptanteil der internationalen Anbieter stellten. Viele frankophone Länder, Länder der Dritten Welt, Mittelamerikas oder auch Ostasiens wie Japan und Thailand kamen im Laufe der Zeit hinzu. Länder des Warschauer Paktes wie Polen und die DDR waren seit den 1980er Jahren durch Kollektivstände in Saarbrücken vertreten. Bis heute firmieren wie schon 1950 die Stadt Saarbrücken als ideeller und die Saarmesse GmbH der Familie Grandmontagne als wirtschaftlicher Träger des Messestandortes Saarbrücken.

Regionalhistorischer Kontext – Messepläne (1945–1947)

Henri Pingussons Plan hatte Messe- und Ausstellungshallen beiderseits der Saar im Osten der Stadt vorgesehen. Pingussons großzügige Messeplanung, mit Flugzeug- und Schnellboot-Anbindungen verknüpft, wurde angesichts der zunächst unsicheren Zukunft des Saarlandes und der Materialknappheit der Nachkriegszeit aufgegeben. Statt dessen griff die neue Regierung des autonomen Saarstaates den Plan der neuen Initiatoren auf, zumal sich die politische und wirtschaftliche Lage durch die Wirtschaftsunion mit Frankreich (20. November 1947) zu beruhigen begann.

Stockende Planung bis 1949

Das Projekt, das von der Regierung zunächst nur schleppend verfolgt und auf niedriger Ebene eines städtischen Dezernats organisiert werden sollte, hatte wegen einer fehlenden regionalen Messetradition bis 1949 einen schweren Stand und wurde durch divergierende Interessen zunächst verhindert. Die großen Unternehmen hatten bereits begonnen, sich auf Messen in Paris, Lyon, Metz und Strasbourg zu präsentieren, und sahen daher eine Messe vor Ort bestenfalls als sekundäre Repräsentationsaufgabe an, während die kleinen und mittleren Unternehmen durch den auf die Region beschränkten Markt immens profitierten und erst durch konjunkturelle Schwankungen von der Bedeutung einer Außendarstellung überzeugt werden mußten, die ihnen die Chance zur Krisenfestigkeit und Betriebsvergrößerung bot. Die Regierung zögerte, in der Angelegenheit Stellung zu beziehen – vielleicht, weil man dem Projekt ebenfalls noch nicht recht vertraute, oder um sich bei einem Scheitern des Projektes nicht negativ zu profilieren. Die sich nur bedingt überlagernde und teilweise konträre Interessenlage wurde durch die Äußerungen des Hohen Kommissars noch zusätzlich kompliziert, der auf die ostfranzösischen Messestädte Metz, Nancy und Strasbourg Rücksicht zu nehmen hatte. Diesen Städten erschien das Saarbrücker Projekt als Konkurrenz. Erst die Interessenlage der Stadt Saarbrücken, die sich für das Projekt einsetzte, um ihre Stellung als regionale Wirtschaftsmetropole zu untermauern, ließ das Projekt – auch gegen die erklärten Befürchtungen der Landkreise gegenüber einem übermächtigen Wirtschaftsballungsraum Saarbrücken – schließlich noch 1949 in Gang kommen.

Erste Saarmesse 1950

Nachdem das bescheidene Projekt durch den Vertrag zwischen der Stadt und dem Unternehmen Grandmontagne konkret wurde, hagelte es Vorwürfe, unter anderem von den Vertretern der Wirtschaftsorganisationen wie der Industrie- und Handelskammer (IHK), die sich zuvor gegen das Projekt gesperrt hatten: „So schieden sich an der SAARMESSE die Geister auf seltsam verkehrte Weise: Während die glühendsten Verfechter der Marktwirtschaft – teils unverhohlen, teils hinter anderen Argumenten versteckt – nach gesellschaftlicher bzw. staatlicher Steuerung riefen, tat sich der Sozialdemokrat Peter Zimmer, der immerhin ein Buch über ,Planwirtschaft‘ geschrieben hatte, ungerührt mit einem privaten Familienunternehmen zusammen“ (Ames, S. 182f.). Auf die Bestrebungen der ostfranzösischen Messestädte, die Saarbrücker Messe doch noch mit Hilfe von Grandval im Keim zu ersticken, reagierte dieser nicht, sondern entschied sich für Saarbrücken. Zimmer setzte sich bei der Eröffnung der Messe gegen die Angriffe der drei Städte mit dem Hinweis zur Wehr, daß das Saarland in dieser Angelegenheit wohl kaum einem französischen Departement gleichzusetzen sei. Die innersaarländischen Gegner der autonomistischen saarländischen Politik übertrugen ihre Ablehnung der Hoffmann-Regierung auch auf die junge Messe; allen voran die IHK. Große saarländische Unternehmen, darunter auch Villeroy & Boch, lehnten die Messe weiterhin ab, da sie ihnen zu klein dimensioniert war. Hochkommissar Grandval, weitere wichtige Vertreter Frankreichs an der Saar und Ministerpräsident Johannes Hoffmann mit seiner Regierung nahmen schließlich die Mitgliedschaft im Ehrenausschuß der Messe an, auch wenn sie innerlich distanziert blieben. Die besonders kritische Stellungnahme Grandvals, in der er den auf saarländische Firmen beschränkten Teilnehmerkreis monierte, wurde im Messekatalog falsch ins Deutsche übersetzt, um Auseinandersetzungen mit den saarländischen Ausstellern zu vermeiden. Die öffentliche Kritik riß nicht ab, so daß man zur Vermeidung eines Desasters die Flucht nach vorne antrat und die Messe der breiten Bevölkerung als wirtschaftliche Leistungsschau und Kaufgelegenheit anbot, um auf diese Weise eine öffentliche Legitimation zu erzielen. Die Rechnung mit dem Publikum ging auf, auch wenn die saarländischen Besucherinnen und Besucher auf der ersten Messe noch fast unter sich waren. Ein entscheidender psychopolitischer Effekt für die einheimische Bevölkerung war, daß schon allein das breite Warenangebot der Messe das Ende der mageren Jahre von nationalsozialistischer Herrschaft, Krieg und Nachkriegszeit signalisierte.

Saarmesse und Europapolitik zwischen Autonomie und Rückgliederung

Bereits 1952 begann die Saarmesse, als politisches Argument im Rahmen der Europapolitik eine Rolle zu spielen. Sowohl von der Stadt Saarbrücken als auch von Grandval wurde sie als Instrument zur Förderung des Europagedankens propagiert. Zugleich bemühte man sich darum, der Messe durch bestimmte Aussteller einen mehr technischen Charakter zu geben und – zunächst vergeblich – den Titel einer Internationalen Messe zu erhalten. Diese Anläufe dienten teilweise der Hebung des Profils der Messe auf internationales Niveau, teilweise aber auch den saarländischen Bemühungen, die Hohe Behörde der Montanunion in Saarbrücken anzusiedeln. Ab 1952 mäßigte auch die IHK ihre ablehnende und verdeckt frankreichfeindliche Haltung gegen die Messe, da nun erstmals bundesdeutsche Aussteller den größten Anteil auswärtiger Unternehmen stellten. Der am 15. Oktober 1955 – eine Woche vor der Volksabstimmung – geschlossene Vertrag ließ die inhärenten Probleme der Messeorganisation, die von Anfang an auch aus Interessenskonflikten der Stadt mit dem Unternehmen Grandmontagne entstanden, nicht verschwinden, doch die 25 Jahre Vertragslaufzeit sicherten die Zukunft der Saarmesse.

Konsolidierung der Saarmesse ab 1957

Die Bundesregierung war an einem Erhalt des Messestandortes Saarbrücken nicht interessiert, teilte dies der neuen Saarregierung auch unverblümt mit, konnte aber wegen der 25jährigen Laufzeit des Vertrages nichts unternehmen. Auf diese Bedrohung des mittlerweile etablierten Messestandortes reagierten 1957 die bisherigen saarländischen Gegner der Messe, darunter vor allem die IHK, durch den wirtschaftspolitischen Schulterschluß mit den Messebetreibern. Da eine Eingliederung in den bestehenden Vertrag der Stadt Saarbrücken und der SGK nicht möglich war, wurde zumindest ab 1957 ein Messebeirat installiert, in dem die interessierten Wirtschaftsverbände mit Sitz und Stimme vertreten waren. Die Messeorganisation reagierte auf die Absichten der Bundesregierung mit verstärkter Werbung bei Ausstellern und Einkäufern von deutschen und französischen Firmen, die auf die Brückenfunktion der Messe zwischen den beiden Ländern ausgerichtet war. Dies diente zugleich auch der Saarindustrie, da Artikel 62 des Saarvertrages von 1957 eine zollfreie Einfuhr saarländischer Waren nach Frankreich an eine Mindesteinfuhr französischer Waren ins Saarland koppelte. Dadurch trug die Saarmesse zur Intensivierung des deutsch-französischen Warenaustausches bei. Um die Bedeutung der Saarmesse zu unterstreichen, führte sie ab 1959 zeitweise den Untertitel „Deutsch-Französische Austauschmesse“. Das Angebot wurde von der Messeleitung der Saarmesse GmbH sukzessive um mehrere Spezialmessen erweitert. Seit den späten 1960er Jahren hat die Saarmesse in kontinuierlicher Entwicklung das Niveau einer Internationalen Messe erreicht, ist dabei zum größten regionalen Wirtschaftsereignis geworden und entwickelt parallel dazu große Anziehungskraft für die Bevölkerung der Großregion. Die Charakteristika der Anfangszeit, aus der Not der allgemeinen Ablehnung heraus entstanden, kennzeichnen bis heute die besondere Atmosphäre dieser inzwischen traditionellen Messe der Großregion Saar-Lor-Lux, die sich unter anderem durch den Messestandort Saarbrücken zur europäischen Kernregion entwickelt hat.

Quellen und weiterführende Literatur

Ames, Gerhard, Tauziehen um die Saarmesse. Wirtschaft im Sog der Politik, 1947–1959, in: Von der „Stunde 0“ zum „Tag X“. Das Saarland 1945–1959, Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloß, Saarbrücken 1990, S. 175–202.

Saarmesse GmbH (Hg.), 39. Internationale Saarmesse 1988. Ein dokumentarischer Rückblick, Saarbrücken 1988.

Saarmesse GmbH/Landeshauptstadt Saarbrücken (Hg.), 40 Jahre Internationale Saarmesse, Saarbrücken 1989.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.