Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Ehemalige Grube Göttelborn und
Knappschaftskrankenhaus Quierschied

Grube Göttelborn, Zum Schacht, Göttelborn/Quierschied; Ensemble Knappschaftskrankenhaus, Fischbacherstraße 92–102, Quierschied

Regionalhistorischer Kontext

Die preußische Bergwerksverwaltung setzte in ihrer Siedlungspolitik nicht nur auf die soziale Befriedung der Bergleute durch das Prämien- und Schlafhaussystem, sondern suchte auch ihren Grubenbeamten durch den Bau von Werkssiedlungen etwas zu bieten. Entsprechend ihrer höheren Stellung in der Hierarchie baute man für sie bürgerlich wirkende, größere Häuser. Man blieb durch die Anordnung freistehender Einzelhäuser mit Nutzfläche und Wirtschaftsgebäude bei dem ländlichen Siedlungstyp, den man in Anlehnung an vorindustrielle Siedlungsstrukturen bereits bei den Bergmannssiedlungen benutzt hatte. Als die französische Bergwerksverwaltung 1919 die Saargruben übernahm, führte sie das Siedlungsprojekt auch in diesem Sinne zu Ende, allerdings mit erkennbar anderen architektonischen Akzenten. Weitgehend bruchlos verlief auch in den 1920er Jahren die bauliche Entwicklung des zu preußischer Zeit errichteten Krankenhauses. Es wurde verschiedentlich um- und ausgebaut. Die Veränderungen trugen der erweiterten Bedeutung des Krankenhauses Rechnung, das im dichtbevölkerten Fischbachtal als allgemeines Krankenhaus diente, erkennbar z.B. an der Eröffnung von Frauen- und Kinderstationen. Insgesamt bilden die erhaltenen denkmalgeschützten Reste von Grube und Siedlung Göttelborn sowie das denkmalgeschützte Ensemble des Krankenhauses einen deutlichen Spiegel kontinuierlicher industrieller, sozial- und gesundheitspolitischer Maßnahmen, die im Verlauf von 120 Jahren in gleichgerichteter Weise von deutschen und französischen Verwaltungen durchgeführt wurden und das heutige Quierschied nachhaltig geprägt haben.

Grube Göttelborn (1886/1887 bis 1. September 2000)

Als Vorläufer des Kohlenabbaus im Bereich Göttelborn kann man zwei Privatgruben des 18. Jahrhunderts in Quierschied und Wahlschied bezeichnen. Grube Göttelborn wurde 1886/1887 gegründet, als kurz nach der Genehmigung mit dem Abteufen der ersten beiden Schächte begonnen wurde. Schon ab 1887 wurde die Grube zum Standort der Grubeninspektion X erklärt. Schacht III folgte unter französischer Verwaltung 1921 und wurde 1927 als Ersatz für den nunmehr stillgelegten Schacht I in Betrieb genommen. Unter nationalsozialistischer Verwaltung wurde Göttelborn der Gruppe Mitte zuteilt und zunächst mit Brefeld dem Bergwerk Camphausen unterstellt, ab 1938 aber wieder als selbständiges Bergwerk geführt. Göttelborn wurde unter den wechselnden Bergverwaltungen von der preußischen Zeit bis zur jüngsten Gegenwart kontinuierlich modernisiert: 1951 wurde die höchste Belegschaftszahl mit 4309 Personen erreicht, die Fördermenge von nahezu zwei Millionen Tonnen Kohle wurde jedoch nach weiteren Modernisierungen im Jahr 1970 mit einer Belegschaft von nur noch 2662 Personen erreicht. Zwischenzeitlich war Göttelborn die Hauptschachtanlage des Verbundbergwerks Reden. Noch 1989 wurde über dem neu begonnenen Großschacht IV ein landschaftsprägendes, weithin sichtbares Betongerüst errichtet, im Volksmund scherzhaft „Weißer Riese“ genannt, in Anspielung auf eine Figur aus der Waschmittelwerbung. Göttelborn war bis zur Stillegung eine der leistungsfähigsten Gruben an der Saar. Die Bergbaugeschichte Göttelborns fand auf Beschluß der Landesregierung sowie der Deutschen Steinkohle AG (DSK, Sitz: Herne/Nordrhein-Westfalen) durch Einstellung der Förderung am 1. September 2000 ihr Ende. Damit ist die drittletzte Grube im Saarrevier geschlossen. Die beiden verbleibenden Standorte Warndt und Ensdorf sind nur bis 2005 gesichert, und auch dies nur bei ständigem Personalabbau. Das Ende von Göttelborn ist zugleich das Ende des Bergbaues im gesamten östlichen Saarland, da auch die Kohlefelder der früheren Grube Reden von Göttelborn erschlossen wurden. Von den Tagesanlagen aus der Anfangszeit der Grube ist nichts erhalten. Aus der Zeit der französischen Bergverwaltung stammen das Fördergerüst an Schacht III (1925–1926), errichtet von der Firma B. Seibert (Saarbrücken) und 1937–1939 verstärkt, und das zugehörige Fördermaschinenhaus, ein vierfach gegiebelter Stahlfachwerkbau, mit elektrischer Maschine von Dingler (Zweibrücken) und Siemens-Schuckert aus dem Jahr 1936.

Knappschaftskrankenhaus

Von der Saarbrücker Knappschaft wurde das Grubenkrankenhaus 1907–1910 im Wald zwischen Quierschied und Fischbach als parkumsäumte Anlage abseits der damaligen Wohnbebauung errichtet. Der späthistoristische Neubau diente der Knappschaft als modernisierende Entlastung der älteren Knappschaftskrankenhäuser Sulzbach und Völklingen. Ein eigenes Krankenhaus für die Gruben im Fischbachtal wurde benötigt. Neben dem Haupthaus (ursprünglich ausgelegt auf 200 Betten) existieren mehrere Gebäude aus den 1920er Jahren, die ab 1922 errichtet wurden, so zwei villenartige Ärztewohnhäuser, davon eines zuletzt als Verwaltungsgebäude genutzt, und das zugehörige Pflegerwohnhaus, alle ca. 1925 erbaut. Das Haupthaus wurde in dieser Zeit durch einen Anbau am Südwestende erweitert und um eigene Frauen- und Kinderstationen (im ehemaligen Isoliergebäude) ergänzt, so daß ab 1930 ca. 400 Betten zur Verfügung standen. Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden eine Reihe von Modernisierungs-, Umbau und Erweiterungsmaßnahmen durchgeführt, die teilweise auch das Äußere der Gebäude veränderten. Als Ensemble gibt es einen klaren Eindruck von der Entwicklung der Gesundheitsfürsorge im Saarbergbau. Es gehört heute als Rehabilitationsklinik zur Saarland Heilstätten GmbH.

Quellen und weiterführende Literatur

Schmitt, Armin, Denkmäler saarländischer Industriekultur. Wegweiser zur Industriestraße Saar-Lor-Lux, 2. Auflage, Saarbrücken 1995, S. 139–141.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 122–123.

Stadtverband Saarbrücken (Hg.), Werkswohnungen des Preußischen Bergfiskus und der Mines Domaniales Françaises. Eine Dokumentation zum Werkswohnungsbau der preußischen und französischen Grubenverwaltung zwischen 1815 und 1935 im Stadtverband Saarbrücken, Saarbrücken 1985, S. 26–31.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.