Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Historisches Verwaltungszentrum des Saarbergbaus

Ehemalige Bergwerksdirektion Saarbrücken, Trierer Straße 1, Bergingenieurschule Saarbrücken und Geologisches Museum, Trierer Straße 4, sowie Verwaltungsgebäude der Knappschaft, Trierer Straße 8, St. Johann/Saarbrücken

Ehemalige Bergwerksdirektion Saarbrücken

Das dreigeschossige Verwaltungsgebäude der damals Königlich Preußischen Bergwerksdirektion Saarbrücken wurde 1877–1880 von der Berliner Architektengemeinschaft Martin Philipp Gropius und Heino Schmieden im Auftrag des preußischen Bergfiskus errichtet. Bis dahin hatten sich die Bergwerksdirektion und die Bergschule auf dem linken Saarufer im barocken Erbprinzenpalais am Schloßplatz in Saarbrücken befunden, doch die rasche ökonomische Entwicklung des Bergbaus an der Saar machte einen Neubau für die Verwaltungszentrale erforderlich. Die Entscheidung der Bergverwaltung, nahe dem Bahnhof in St. Johann zu bauen, markierte den endgültigen Übergang der regionalen Dominanz vom barocken Fürstensitz links der Saar auf die florierende Kaufmannsstadt am rechten Flußufer. Der repräsentative Bau der Bergwerksdirektion mit dem ursprünglich steinsichtig verarbeiteten Quadermauerwerk und einer eisernen Haupttreppe im Inneren erinnert von außen an florentinische Renaissancebauten und ist – typisch für Gropius und Schmieden – einem nicht realisierten Entwurf (1817) des preußischen Hofarchitekten Carl Friedrich Schinkel für das Berliner Rathaus und dem Vorbild des Wiener Börsen- und Bankhauses nachempfunden. Nicht nur stilistisch steht das Gebäude damit in der Tradition weltlicher Machtausübung: Das Eckhaus mit seinen zwei spitzwinklig angelegten, ungleich langen Flügeln wurde an der Ecke Trierer- und Reichsstraße als optischer Endpunkt der damaligen Eisenbahnstraße (heutige Bahnhofstraße) angelegt. Die Sichtachse der Bahnhofstraße verband schon damals funktional und optisch das aufstrebende St. Johann mit dem neuen Verkehrszentrum Bahnhof (1852). Damit manifestierte sich bereits in der Wahl des Standortes der Bergwerksdirektion ein umfassender Machtanspruch über die gesamte Region. Der Sitz der Bergwerksdirektion (bis 1861 als Königlich Preußisches Bergamt bezeichnet) hat Gebäudeflügel, die perspektivisch nach rückwärts nicht wesentlich kleiner, sondern wegen der Mittel- und Eckpavillons etwa gleich groß erscheinen. So signalisiert das Gebäude indirekt, wie die preußische Bergwerksdirektion die Geschicke der Menschen im Saarrevier bestimmte. Ihr unterstanden alle Berginspektionen an den Grubenstandorten. Der Bergdirektor, ab 1880 als Bergwerksvorsitzender bezeichnet, und die Berginspektoren der einzelnen Inspektionen, ab 1880 Bergwerksdirektoren genannt, gehörten dem Direktorium der Bergwerksdirektion an. Die Bergwerksdirektion ihrerseits unterstand zwar formaljuristisch dem Oberbergamt in Bonn, entschied aber in der Praxis oft eigenständig. Als allegorische Repräsentanten der saarländischen Industrie und „Säulen des Saarbergbaus“ erscheinen die sechs überlebensgroßen Statuen aus der Werkstatt der Gebrüder Menges (Kaiserslautern), die an der Front des Eingangspavillons sowie am Mittelrisalit des nordwestlichen Flügels angebracht sind. Während am Eingangspavillon je ein Berg- und Hüttenmann die damals wichtigsten Industriezweige an der Saar repräsentieren und durch ihre Position am Eingang die Bedeutung der Arbeiter zu unterstreichen scheinen, stehen am Mittelrisalit des nordwestlichen Flügels die Figuren von Bergwerksdirektor und Obersteiger im Mittelpunkt. Seitlich daneben stehen ein Kohlenhauer (in vorindustrieller Arbeitskleidung, mit Schachthut und Keilhaue) und ein Gesteinshauer (ebenfalls in vorindustrieller Arbeitskleidung und mit Werkzeugen: Fäustel und Gesteinsbohrer). Die Position dieser Statuen – nebeneinander, in gleicher Höhe und Größe – suggeriert vordergründig Einheit, Eintracht und die ideelle Gleichrangigkeit der Arbeiter mit ihren Vorgesetzten. Jedoch spiegelt die Mittelposition von Direktor und Obersteiger, deren zeremonielle Festtagsuniform und das völlige Fehlen von Werkzeugen zugleich die tatsächliche Hierarchie im Bergbau, die sich auch andernorts, etwa in den Wohnhäusern dieser Personengruppen nahe den Gruben, offensichtlich manifestierte. Der Arbeitsalltag in Schacht und Stollen wurde bei der Fassadengestaltung ausgeklammert. Den beiden Arbeiterstatuen am Eingangspavillon und am Nordwestflügel gab man die Arbeitskleidung der vorindustriellen Zeit, die längst zur Festkleidung der Berg- bzw. Hüttenknappen geworden war. Sie wurden damit als dienende Figuren in die bewußt vorindustriell gestaltete Machtgebärde des Gebäudes eingereiht. Damit wurde die Realität des Bergwerksalltags in der Hochindustrialisierung gewissermaßen symbolhaft abstrahiert. Dies kommt zum Ausdruck durch die Namen der einzelnen Gruben sowie die Wappen des Reiches, Preußens und der beiden Saarstädte St. Johann und Saarbrücken, die auf steinernen Schilden im Halbrelief über die gesamte Front verteilt angebracht sind. Vollständig realistisch gehalten sind dagegen die Portraitmedaillons von vier hohen Bergbeamten in den Fensterzwickeln des Nordwestflügels: Bergrat Heinrich Böcking (seit 1838), zugleich Oberbürgermeister von Saarbrücken seit 1814, Heinrich von Dechen (während der Bauzeit Leiter des Bergamtes Bonn), Otto Ludwig Krug von Nidda (während der Bauzeit Ministerialdirektor der preußischen Bergverwaltung in Berlin) und Leopold Sello (1817–1857 Präsident der preußischen Grubenverwaltung an der Saar). Diese vier Köpfe, gestaltet vom Bonner Bildhauer Küppers, sind zwar unterhalb der vier allegorischen Statuen angebracht, aber es sind Portraits konkreter zeitgenössischer Personen, was ihnen größeres Gewicht verlieh als jenen. Im Gegensatz zu den Statuen ist die Gestaltung der Medaillons, die in der Tradition von adligen Herrschermedaillons stehen, formal völlig identisch. Die Gesichter sind einander zugewandt – hier wird prinzipielle Gleichrangigkeit und historische Kontinuität demonstriert, allerdings mit leichter Abstufung zwischen den beiden preußischen Berliner und Bonner Beamten (innere Portraits) und den regionalen Beamten (äußere Portraits). Durch die personalisierte und individualisierte Art der Abbildung wurden sie definiert als herausragende Einzelpersönlichkeiten und wichtige Funktionsträger des preußischen Staates. Zugleich wurden sie durch die Darstellung in Form von Medaillons den früheren adligen Landesherren angeglichen, Symbol ihrer Stellung an der Spitze der sozialen Hierarchie ihrer Zeit und Stilisierung zu Vorbildern von historischer Bedeutung. Als infolge des Versailler Vertrages das Nutzungsrecht und Eigentum an den staatlichen Gruben für 15 Jahre an Frankreich fiel, richtete 1919 die französische Bergverwaltung, Mines Domaniales de la Sarre, im Gebäude der Bergwerksdirektion ihren Sitz ein. 1935 ging das Gebäude an den nationalsozialistischen Staat über. Nun wurde von hier das neu gebildete reichseigene Unternehmen der Saarbergwerke AG verwaltet. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude durch Bombenangriffe beschädigt. Nach dem Krieg nutzte die staatliche französische Régie des Mines de la Sarre das Gebäude. Beim Wiederaufbau verzichtete man auf die Rekonstruktion der zweiten, aufwendig gestalteten Portalzone des Mittelpavillons; dieser Gebäudeteil wurde jetzt einfacher gehalten. Mit der Rückgliederung des Saarlandes an die Bundesrepublik nahm der landeseigene Konzern Saarberg AG seinen Sitz in dem Gebäude, das aufgrund seines baulichen Zustandes Anfang der 1970er Jahre abgerissen werden sollte. Dieser Plan konnte nur mit großer Mühe verhindert werden, das Gebäude wurde 1974–1976 restauriert und unter Denkmalschutz gestellt.

Verwaltungsgebäude der Knappschaft

Dem nordwestlichen Flügel des Bergwerksdirektionsgebäudes, dessen Innenräume früher ähnlich prächtig waren wie seine Fassade, entstand 1901–1902 ein passendes Gegenüber: das Verwaltungsgebäude der Saarbrücker Knappschaft (Trierer Straße 8).

Die Saarknappschaft, die Berufsgenossenschaft der regionalen Bergleute, entstand allmählich aus den sogenannten Bruderbüchsen des 18. Jahrhunderts, deren Schaffung Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücken 1769 durch Dekret angeordnet hatte. Aus ihnen entwickelten sich lokale knappschaftliche Vereine in Saarbrücken, St. Ingbert und Frankenholz, die ihre Fürsorgeleistungen allmählich ausbauten – entsprechend dem steigenden Bedarf des expandierenden Bergbaus. Unter französischer Bergwerksverwaltung konstituierte sich 1797 ein erster Zusammenschluß der Bergleute, die auf ehemals nassau-saarbrückischen Gruben arbeiteten, mit der Bezeichnung „Knappschaftskasse“. Daraus entstand in preußischer Zeit der Saarbrücker Knappschaftsverein. Der Saarbrücker Knappschaftsverein baute schon ab 1850 Krankenhäuser, darunter die Quierschieder Klinik, errichtet 1907–1910 im historistischen Stil. Die Saarbrücker Knappschaft brauchte ein neues Verwaltungsgebäude, weil ab 1884 die Sozialgesetzgebung auf eine reichseinheitliche Grundlage gestellt und erheblich erweitert worden war und sich die Zahl der Bergleute in ihrem Einzugsbereich stark erhöht hatte. 1925 schlossen sich die Knappschaftsvereine zur Saarknappschaft zusammen. Die Pläne für das Knappschaftsgebäude kamen vom Berliner Architektenbüro Kayser und Großmann, die Bauausführung hatte die Saarbrücker Firma Schultheiß. Kann man die Bergwerksdirektion im übertragenen Sinne als Fürstensitz des regionalen Bergbaues ansehen, so wirkte der wesentlich kleinere, schlichte Zweckbau des Knappschaftsgebäudes im Vergleich dazu wie ein bürgerliches Wohnhaus. Der ursprünglich dreigeschossige Bau mit Giebeln wurde im Laufe der Jahrzehnte mehrmals umgebaut, aufgestockt und erweitert. Heute ist die regionale Abteilung der Bundesknappschaft in dem baulich stark veränderten Gebäude untergebracht, an dem nur Einzelteile der ursprünglichen romanisierenden Fassadengliederung erkennbar sind.

Bergingenieurschule und Geologisches Museum Saarbrücken

Auch die regionale Königlich Preußische Bergschule (Trierer Straße 4) siedelte sich nach dreijähriger Bauzeit 1904–1906 neben dem Knappschaftsgebäude und gegenüber der Bergwerksdirektion an. Die Bergschule war vorher zusammen mit der Bergwerksdirektion im Erbprinzenpalais am Schloß untergebracht gewesen, benötigte aber nach der Jahrhundertwende wegen der Expansion im Bergbau ein neues Gebäude. Es wurde gestaltet nach Plänen des Baurates Giseke und imitierte in Form und Gestalt verschiedene bauliche Elemente der schräg gegenüberliegenden Bergwerksdirektion. Damit war die Bergschule schon baulich als nachrangige Instanz in der Verwaltung des saarländischen Bergbaus gekennzeichnet. Nachdem unter Napoleon I. 1807 in Geislautern Frankreichs erste Schule für Bergingenieure eingerichtet worden war, verlegte die preußische Bergverwaltung sie 1816 nach Saarbrücken, kurz nachdem die Region an Preußen fiel (1815). Der Zugang zur Bergschule war an Bildungsvoraussetzungen geknüpft, die kaum ein einfacher Bergmann erfüllte, und an die Genehmigung durch die Dienststelle; folglich blieb die Schule bis 1918 eine Instanz, in der sich das Bergbeamtentum reproduzierte. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Bergschule beschädigt und später mehrmals erweitert, so daß das Gebäude heute den ursprünglichen Zustand nicht mehr richtig erkennen läßt. 1964 wurde die Bergschule in eine Bergingenieurschule umgewandelt, die zwischenzeitlich durch Übergang in die Fachhochschule aufgelöst wurde. Seit 1982 befindet sich hier auch das Geologische Museum. Es verfügt über eine bedeutende geologische Sammlung, die eindrucksvoll und didaktisch ansprechend präsentiert wird. Die Erdgeschichte und die Entstehung der Kohle sowie Geologie, Mineralogie und Petrographie des Saarlandes werden dargestellt.

Regionalhistorischer Kontext

Die drei Gebäude bilden seit 1906 ein Ensemble, das bis heute die historische Bedeutung des Bergbaus an der Saar unterstreicht, auch wenn mittlerweile – zum Teil kriegsbedingte – Umbauten und Nutzungsänderungen stattgefunden haben. Die Beibehaltung des alten Verwaltungszentrums unter neuen Vorzeichen im Jahr 1919 signalisierte das Ende der politischen und ökonomischen Herrschaft Preußens an der Saar und zugleich den Machtanspruch des französischen Staates über die Einwohner des Saargebietes. Durch diese symbolisch-architektonische Machtgebärde, die von der Saarbevölkerung auch sofort als solche verstanden wurde, war die Internationale Regierungskommission des Völkerbundes, die laut Versailler Vertrag das Saargebiet bis 1935 verwaltete, von Anfang an politisch entwertet – die ökonomische Macht war in der französisch kontrollierten Bergwerksdirektion angesiedelt. 1935 übernahmen wieder deutsche Beamte die Verwaltung und orientierten von hier aus bald den regionalen Bergbau im Hinblick auf den Bedarf einer Kriegswirtschaft: Zahlreiche Baumaßnahmen an Gruben des Saarlandes gehen auf die Jahre 1935–1939 zurück. 1945 sicherte sich Frankreich ein zweites Mal die Kontrolle über die Saargruben, die Regierung des autonomen Saarstaates unter Johannes Hoffmann gewann erst seit 1950 begrenzte Mitspracherechte. Nach der Eingliederung in die Bundesrepublik geriet der Saarbergbau angesichts der Verlagerung der Energiegewinnung auf Öl seit Mitte der fünfziger Jahre und später auf Strom aus Atomkraftwerken, unter dem Druck der Rezessionen seit den 1960er Jahren und wegen immer größerer Wettbewerbsnachteile beim Bergbau und Kohletransport allmählich in eine Dauerkrise, die allerdings erst langsam erkennbar wurde. Das Saarland wurde wie das nordrheinwestfälische Ruhrgebiet seit den späten 1980er Jahren dazu gezwungen, seinen Bergbau immer weiter zurückfahren. Die zwei letzten Grubenstandorte an der Saar sind nur bis 2005 gesichert, und auch dies nur bei kontinuierlichem Abbau von Belegschaft. Heute gehören die übriggebliebenen Bergbauanteile des Unternehmens zu der 1997 gegründeten Deutschen Steinkohle AG (DSK) mit Sitz in Herne (Ruhrgebiet). Ihre Regionalvertretung residiert in einem Hochhaus in der nahen Hafenstraße. Saarberg existiert zwar weiterhin als Unternehmen und hat seinen Sitz weiterhin im historischen Gebäude der Bergwerksdirektion, arbeitet aber nur noch in einstigen Randbereichen seines ursprünglichen Tätigkeitsfeldes.

Quellen und weiterführende Literatur

Bergschule zu Saarbrücken (Hg.), 150 Jahre Bergschule zu Saarbrücken, Saarbrücken 1966.

Schmitt, Armin, Denkmäler saarländischer Industriekultur. Wegweiser zur Industriestraße Saar-Lor-Lux, 2. Auflage, Saarbrücken 1995, S. 76–81.

Slotta, Rainer, Bergbauarchitektur, in: Mallmann, Klaus-Michael/Paul, Gerhard/Scholt, Ralph/Klimmt, Reinhard (Hg.), Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815–1955, 2. Auflage, Bonn 1988, S. 31.

Stadtverband Saarbrücken (Hg.), Werkswohnungen des Preußischen Bergfiskus und der Mines Domaniales Françaises. Eine Dokumentation zum Werkswohnungsbau der preußischen und französischen Grubenverwaltung zwischen 1815 und 1935 im Stadtverband Saarbrücken, Saarbrücken 1985, S. 1.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.