Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Bismarck in Saarbrücken

Ehemalige Bismarckschule, Bismarckstraße 16, sowie Bismarckstraße und Bismarckbrücke, St. Johann/Saarbrücken

Baugeschichte

Mehrere Bismarckeichen, Kaiser-Wilhelm-Eichen und Hohenzollerneichen (letztere am Deutschmühlenweiher) wurden ab 1887 an verschiedenen Stellen in Saarbrücken gepflanzt. In St. Johann entschloß sich der dortige Stadtrat 1895 anläßlich des 80. Geburtstages des ehemaligen Reichskanzlers, wie im ganzen Reich üblich, auch hier je ein Denkmal für Kaiser Wilhelm I. und Fürst Otto von Bismarck (1815–1897) errichten zu lassen. Die Stadt St. Johann stiftete dafür zunächst 5000 Mark, 1896 wurde die Summe für beide Denkmäler auf 10000 Mark aufgestockt und die Bevölkerung zum Spenden aufgerufen. Saarbrücken schloß sich der Initiative an. Das Bismarckdenkmal wurde als erstes fertiggestellt. Die hohen Kosten von 35000 Mark für das Bismarckdenkmal wurden mit Hilfe privater Spenden einflußreicher Bürger aufgebracht, darunter jeweils 10000 Mark von den Familien Stumm und Röchling. Am 23. März 1899 wurde die Statue auf dem Schloßplatz gegenüber dem Saarbrücker Rathaus aufgestellt. Die 3,20 m hohe Bronzestatue auf einem 3,50 m hohen Granitsockel mit der Inschrift „Bismarck“, gegossen nach einem Entwurf von Professor Adolf Donndorf (Stuttgart), zeigte Bismarck in der Interimsuniform der Kürassiere beim Verlesen der Kaiserproklamation in Versailles, wobei er die Verfassungsurkunde mit der rechten Hand und mit der linken den Säbel hielt. Das Denkmal transportierte eine doppelte ideologische Botschaft. Die Abbildung Bismarcks in Uniform mit dieser Handhaltung war einerseits eine steingewordene außenpolitische Erklärung, die 1871 erzielte neue politische Ordnung notfalls jederzeit wieder mit Waffengewalt erkämpfen bzw. verteidigen zu wollen. Zum Zweiten erinnerte diese Form des Denkmals indirekt an die Schlacht von Spichern (Spicheren), die mit dazu beigetragen hatte, die Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles zu ermöglichen, und trug so zur innerregionalen Selbstvergewisserung bei. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Statue anläßlich der barockisierenden Umgestaltung des Schloßplatzes 1938 entfernt und eingelagert. Sie ging während des Zweiten Weltkrieges verloren. Die nach Bismarck benannte Brücke, die bis heute das Regierungsviertel am linken Saarufer mit dem östlichen St. Johann auf dem rechten Saarufer verbindet, war bereits lange vor ihrem Bau 1913–1915 geplant worden, um die wachsende großstädtische Agglomeration besser zu verknüpfen. Die Brücke reichte zu ihrer Bauzeit beiderseits in Parkanlagen hinein, von denen heute nur noch ein Teil der Stadenanlage am nördlichen Ufer vorhanden ist. Die Steinbrücke wurde am 20. März 1945 von deutschen Truppen gesprengt. Nach dem Krieg wurde sie 1948 als Stahlbetonbrücke mit Steinmantel wieder aufgebaut, unter Beibehaltung der alten Form mit großem Hauptbogen und kleineren Seitenbögen. Im Jahr 2000 wurde die denkmalgeschützte Brücke renoviert. Die nach Bismarck benannte Parkanlage am südlichen Brückenkopf, die 1910–1920 entstand, wurde 1962/1963 dem Bau der Stadtautobahn geopfert. Neben der Brücke und dem Park entstand im wachsenden Ostviertel von St. Johann außerdem eine Straße (vom nördlichen Brückenkopf aus flußabwärts, parallel zum Ufer gelegen), die nach Bismarck benannt wurde. 1862 wurde hier die Bismarckschule erbaut. In deren Räumen war nach dem Zweiten Weltkrieg das gerade gegründete französische Lycée Maréchal Ney untergebracht, das später in Deutsch-Französisches Gymnasium umbenannt und in einem Neubau im Ostviertel untergebracht wurde. Der denkmalgeschützte Schulbau beherbergte bis 2007 die Alte Sammlung des Saarland-Museums. Auch andere Städte und Gemeinden an der Saar hatten Bismarckschulen etc., und verschiedene, wie Saarbrücken und Völklingen, haben die Benennung zentral gelegener Bismarckstraßen bis heute beibehalten. Bismarck wurde 1885 zum Ehrenbürger Saarbrückens ernannt, St. Johann tat das Gleiche anläßlich seines 80. Geburtstages 1895. Malstatt-Burbach schloß sich einer Ehrenbürger-Initiative anderer rheinischer Städte an (Ernennung 1902). Solche Ehrung erforderte nicht die Anwesenheit des Geehrten, bot aber Gelegenheit zu Huldigungsschreiben.

Quellen und weiterführende Literatur

Fuchs, Ulrike, Der Bildhauer Adolf Donndorf: Leben und Werk, Stuttgart 1986, S. 110–111; Anmerkung: nicht fehlerfrei.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 134, 286.

Stadtarchiv Saarbrücken, Bestand Bürgermeisterei Alt-Saarbrücken, Nummer 483.

Wittenbrock, Rolf, Die drei Saarstädte in der Zeit des beschleunigten Städtewachstums (1860–1908), in: ders. (Hg.), Geschichte der Stadt Saarbrücken, Saarbrücken 1999, Bd. 2, S. 11–130, dort S. 28–33.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.