Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Roger Seimetz

Gemeindezentrum „Al Schmelz“

Stengefort (Steinfort)

Baugeschichte

Vorher: Hütte/Stahlwerk; Nachher: Gemeinde- und Kulturzentrum.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gründeten Mitglieder der bürgerlichen Industriefamilie Pescatore ein Stahlwerk mit zwei kleinen Hochöfen. 1856 gelangte es in die Hände der Gebrüder Collart, die im Süden des Landes Eisenerz abbauten. Sie modernisierten das Werk durch Ausbau, Eisenbahnnetzanschluß und das Einführen des Thomas-Gilchrist-Verfahrens (Qualitätsverbesserung des Stahls/Phosphorschmelzung).

Baugestalt

Der Gebäudekomplex setzt sich aus einem dreigeschossigen Haupt- und einem Nebengebäude zusammen. Die formal streng gegliederte Fassade wird durch verschieden große Glasfensterflächen rhythmisiert. Lisenen (senkrechte, flache, hervortretende Mauerpfeiler) teilen die Fassade in einzelne Zonen auf, die aus jeweils einem, bzw. mehreren Fenstertypen bestehen. Durch die ständige Wiederholung eines bestimmten Fenstertyps wird das Gebäude optisch in der Höhe reduziert.

Innenarchitektur: Um im Sinne der Neuwidmung funktionale Nutzflächen zu gewähren, wird das Erdgeschoß die Werkstätten und das Lager des technischen Dienstes der Gemeinde aufnehmen. Im Festsaal (Obergeschoß) bleibt die Trägerkonstruktion sichtbar, damit der Eindruck einer Werkhalle gewahrt bleibe. Im 200 Personen fassenden Mehrzweckraum (21,5 m x 9 m) können Theateraufführungen, Konzerte, Filmvorführungen, Vorträge und Versammlungen stattfinden; ein Ausstellungsraum ist im zweiten Geschoß eingerichtet (ständige Ausstellung der Geschichte der „Alten Schmelz“ und der darin arbeitenden Menschen), nebst Foyer mit Getränkeausschank.

Bauliche Veränderung

1930 schloß die Hütte (Schmelz) Tore und Öfen und verfiel. Ein Hauptteil der Gebäude sowie alle Hochöfen wurden zerstört. Von der einstigen Hütte sind heute nur noch drei Gebäudeblöcke übriggeblieben. Ziel: Eines der letzten und bedeutendsten Industriegebäude dieser Gegend Luxemburgs retten und es einer neuen Nutzung zuführen.

Nutzung und Umnutzung

1985: Die Gemeinde Steinfort entscheidet, einen Teil der Gebäude zu restaurieren und in ein Gemeinde- und Kulturzentrum umzuwandeln (Architekt: Paul Espen/Pierre M. Bohler & Marc Tanson). Die Umnutzung erzielt einen „Umbau“ mit experimentellem offenem Charakter; die offene, variable Raumform mit mobilen Bühnenpodesten und mobilen Zuschauertribünen gesteht schauspielerischen Raumexperimenten freien Ideen- und Szenenlauf zu. Das Raumvolumen allerdings, trägt – wie es meist der in Theateroptik visierenden Umnutzung entspricht – Nebenflächen für Dekorationen und Abstellflächen für Podesterie und Tribünen sowie Ankleidezimmern und Maskenbildnerei keine Rechnung.

Historischer Zusammenhang

Steinfort, an der belgischen Grenze, ist „Eingangspforte“ zum Tal der „Sieben Schlösser“, sieben mittelalterlichen Burgresidenzen. 1912 kaufte der deutsche Konzern Felten & Guillaume die Steinforter Hütte auf und 1919 wechselte sie in den Besitz der „Société des Mines de la Loire“ über.

Kulturelle Angebote aus Grenzbereichen; Theaterschauspieler (für Aufführungen) u.a. aus Deutschland; Theaterfestival luxemburgischer Theaterliteraturaufführungen; lokale Theater- und Musikvereinigungen mit großregionalen Ambitionen.

Quellen und weiterführende Literatur

Dokumentation des Service des Sites et Monuments Nationaux, Luxemburg.

Neufert, Peter, Bauentwurfslehre, Braunschweig/Wiesbaden 1992.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.