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Gerhild KrebsKönigliches Landgericht SaarbrückenSchloßplatz 16, Alt-Saarbrücken/SaarbrückenBaugeschichteDie einstige Lingerie und Kutschenremise der Fürsten zu Nassau-Saarbrücken an der Talstraße war ab 1793 zunächst Sitz des Tribunals, also der untersten juristischen Regionalinstanz (Appellationsgericht) im revolutionären Frankreich, und seit 1800 Sitz des Friedensgerichtes für den französischen Kanton, dessen namengebender Hauptort Saarbrücken seit 1793 war. Friedensgerichte waren die niedrigste Stufe der kantonalen Rechtsprechung. Das Landgericht wurde 1835 im alten Gebäude des Friedensgerichtes angesiedelt und am 2. November 1835 feierlich und mit viel äußerem Pomp eröffnet, während das Friedensgericht vorläufig ins Rathaus und später nach St. Johann verlegt wurde. 1851 wurden die zum Schloßplatz hin ausgerichteten eingeschossigen Seitenflügel des Gebäudes an der Talstraße aufgestockt und die Zink- durch Schieferdächer ersetzt. Das Landgericht zog 1886 vom Schloßplatz in einen Neubau in der Luisenstraße (heutige Ursulinenstraße). Regionalhistorischer KontextIn der Alltagsarbeit der Gerichte an der Saar spielte der 1804 in Frankreich eingeführte Code Civil (ab 1807 als Code Napoléon bekannt) eine zentrale Rolle. Die Friedensgerichte wurden 1816 von Preußen übernommen, sie waren die Vorläufer der späteren Amtsgerichte. Sachliche und örtliche Zuständigkeit der Friedensgerichte veränderten sich etwas: Die Friedensrichter erhielten auch polizeirichterliche Befugnisse, und der Zuständigkeitsbereich des Saarbrücker Gerichts wurde bis 1860 auf den ganzen Kreis Saarbrücken ausgedehnt. Durch königlich preußische Kabinettsorder wurden 1818 die Landgerichte geschaffen und Saarbrücken verlor zeitweise als Gerichtsort an Bedeutung, weil Landgerichte zunächst nur am Sitz des jeweiligen Regierungsbezirkes angesiedelt wurden, d.h. in diesem Fall in Trier. Das Saarbrücker Friedensgericht wurde in dieser Situation besonders wichtig. Ihm stand der liberale Richter Georg Friedrich Lang vor, der sich 1826 in einer Petition an den ersten preußischen Provinziallandtag für die vollständige Übernahme der französisch-rheinischen Gerichtsbarkeit einsetzte. Er war der zunehmend nationalistischer werdenden Oberschicht Saarbrückens ein Dorn im Auge. Besonders Bürgermeister Heinrich Böcking strebte ein dem Friedensgericht übergeordnetes Gericht an, um Langs Einfluß zu mindern. Böcking wollte einerseits die „Moralität der unteren Volksklassen“ durch juristische Mittel erzwingen, so sollte etwa Kohlendiebstahl verfolgt werden – unter den Armen weit verbreitet, andererseits sollte Richter Lang als Beschützer der „Uebelgesinnten“ entmachtet und so die Ausbreitung liberaler Ideen eingedämmt werden. Als Böcking 1835 bei der preußischen Krone die Ansiedlung eines Landgerichtes in Saarbrücken erreichte, ließ sich der mittlerweile zum Justizrat beförderte Lang als Notar in St. Johann nieder. Böckings Ziel erfüllte sich nur teilweise: Auch die Rechtsprechung des neuen Landgerichtes war zu einem gewissen Grad von liberalem Gedankengut geprägt. Die diensttuenden Richter und Anwälte waren Spezialisten des französisch-rheinischen Rechtes und kamen meist nicht aus den preußischen Kernregionen. Insgesamt bewirkte die Anwesenheit von rund vierzig spezialisierten Juristen mit ihren Familien eine Politisierung des Saarbrücker öffentlichen Lebens. Unter anderem vergrößerte sich der frühliberale Zirkel um Lang und den Kaufmann Louis Rollé – die Neuankömmlinge standen während der Revolution 1848 teilweise auf seiten der Demokraten. Die Übernahme der fortschrittlichen französischen Zivilgesetzgebung am Anfang des 19. Jahrhunderts in den neuen Saar- und Moseldepartements wirkte sich auf die Rechtsprechung und die Rechtsstellung der Saarregion innerhalb Preußens bis ins 20. Jahrhundert hinein aus. Quellen und weiterführende LiteraturBurg, Peter, Saarbrücken im revolutionären Wandel (1789–1815), in: Wittenbrock, Rolf (Hg.), Geschichte der Stadt Saarbrücken, Bd. 1, Saarbrücken 1999, S. 455–518, dort S. 502. Ders., Saarbrücken im Aufstieg zum Zentrum einer preußischen Industrieregion (1815–1860), in: ebda., S. 519–616, dort S. 530–535. Die Französische Revolution und die Saar. Katalog zur Ausstellung des Landesarchivs Saarbrücken im Auftrag der Regierung des Saarlandes zum zweihundertjährigen Gedenken an den Ausbruch der Französischen Revolution, St. Ingbert 1989. Dipper, Christof (Hg.), Napoleonische Herrschaft in Deutschland und Italien – Verwaltung und Justiz, Berlin 1995. Fehrenbach, Elisabeth, Der Kampf um die Einführung des Code Napoléon in den Rheinbundstaaten, Wiesbaden 1973.
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