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Gerhild Krebs
Historischer Hugenotten-Wanderweg
(Sentier des Huguenots)
Hugenottengemeinden Courcelles-Chaussy, Creutzwald, Villers-la-Croix
und Ludweiler/Völklingen; Château d’Urville, Avenue d’Urville,
Courcelles-Chaussy; Place du Temple, Courcelles-Chaussy; Château
de Landonvillers, Courcelles-Chaussy; Hugenottenkirche, Völklinger
Straße 90, Ludweiler/Völklingen; Warndt-Gedenkstein, Freyming-Merlebach
Regionalhistorischer Kontext: Religion und regionale Wirtschaft im 16.–20.
Jahrhundert
Die Fluchtbewegung der frankophonen Hugenotten brachte seit dem 16. Jahrhundert
soziale, sprachliche und wirtschaftliche Veränderungen in den lothringisch-saarländischen
Grenzraum, die bis heute nachwirken. Die hugenottischen Ansiedlungen im
Warndt lösten dabei die nachhaltigste Wirkung aus; intensive grenzüberschreitende
soziale Beziehungen existieren seit dem 17. Jahrhundert bis heute in diesem
Abschnitt der Grenze. Die Hugenotten brachten die Glasindustrie an die
Saar, die ihrerseits weitere regionale Wirtschaftsimpulse auslöste.
Zusammen mit den frühen Eisenhütten an der Saar wurde die Glasindustrie
zur Schrittmacherin des systematischen Abbaus von Saarkohle im 18. und
19. Jahrhundert. Die Glasindustrie blieb bis ins 20. Jahrhundert einer
der wichtigsten regionalen Wirtschaftszweige. Die Standortwahl der ersten
hugenottischen Glasmacherfamilien für eine neue Ansiedlung in Creutzwald
ging über eine rein wirtschaftliche Entscheidung, wie sie im Wandergewerbe
der Glasmacher üblich war, weit hinaus. Die freien Handwerker mit
ausgeprägtem Standesbewußtsein, deren reichste Vertreter nicht
umsonst „gentilhommes verriers“ (Glasedelleute) genannt wurden
und zum niederen Adel zählten, wanderten aus einem Territorium ab,
sobald das Holz knapp war und die Glashütten geschlossen werden mußten,
oder die Landesherren ihnen nicht genug Privilegien boten. Sie zogen stets
einen Stamm von Facharbeitern mit sich. Zu dieser Wanderexistenz gehörte
es, eine oder mehrere Glashütten am Rande eines Territoriums und
bald darauf hinter der Grenze im nächsten Territorium zu gründen,
so wie es beispielsweise die Glasmacherfamilie
Raspiller tat. Das Buntsandstein-Waldgebiet des Warndt, das am Ostrand
des Herzogtums Lothringen begann, bot den reformierten Familien neben
einer günstigen Rohstoffsituation für ihr Gewerbe noch einen
weiteren wichtigen Vorteil: Von diesem Punkt aus konnte man bei einer
eventuellen Verschärfung der lothringischen Konfessionspolitik mühelos
in das benachbarte Territorium der protestantischen Grafen von Nassau-Saarbrücken
ausweichen. Für den Grafen Ludwig boten die neuen Bürger in
Ludweiler ebenfalls Vorteile. Ihr Gewerbe paßte in die (schon unter
Graf Philipp III. begonnene) staatlich geförderte Wirtschaftsentwicklung
des Warndt. Auch nach der Ansiedlung der Eisenschmelze von Geislautern
(1585) sicherte Graf Ludwig 1605 den dortigen calvinistischen Arbeitern
religiöse Freizügigkeit zu. Die Untertanenzahl zu erhöhen
und wirtschaftlich produktive Menschen ins Land zu holen entsprach der
zeitgenössischen merkantilistischen Wirtschaftspolitik. Mit der Ansiedlung
von Glasmachern wurde die wirtschaftliche Bandbreite der eisenverarbeitenden
Betriebe im Warndt um Flach- und Hohlglasproduktion erweitert. Ludweiler
behielt für anderthalb Jahrhunderte die Rolle eines religiösen
Zentrums für alle im Warndt beiderseits der Grenze lebenden frankophonen
Reformierten.
„Résistez!“ Spuren einer Religionsflucht des 16.
und 17. Jahrhunderts
Seit Mitte des 16. Jahrhunderts hatten Familien aus allen Schichten der
lothringischen Gesellschaft das Herzogtum verlassen, einige wanderten
in Richtung Nassau-Saarbrücken und siedelten sich hier in sogenannten
„welschen Dörfern“ des Krummen Elsaß an. Der Weg
der Hugenotten von Frankreich nach dem heutigen Saarland läßt
sich im Rossel- und Bisttal, d.h. im Warndt diesseits und jenseits der
heutigen Grenze, besonders eindrucksvoll verfolgen. In diesem Landstrich
ließen sich seit 1601 viele Menschen französischer Sprache
und reformierter Konfession nieder, die ihres calvinistischen Glaubens
wegen ihre Heimatorte in Frankreich und dem Herzogtum Lothringen verlassen
mußten. Mit einer Verschärfung der Situation war jederzeit
zu rechnen, da die lothringischen Herzöge eine noch rigidere Religionspolitik
verfolgten als die französischen Könige – das Toleranzedikt
von Nantes galt weder in Lothringen noch im damals mit ihm vereinigten
Herzogtum Bar. Dagegen übten die Grafen von Nassau-Saarbrücken
eine relativ liberale Religionspolitik aus. Nach dem Separatfrieden Lothringens
mit Frankreich (1659) wurden die lothringischen Hugenotten zunehmend unter
Druck gesetzt, ihre Lage verschärfte sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts
stetig. Das Revokationsedikt von Fontainebleau (Oktober 1685) hob das
Toleranzedikt von Nantes (1598) auf, untersagte ihnen endgültig die
öffentliche Religionsausübung, befahl die Zerstörung ihrer
Kirchen und die Auswanderung ihrer Pfarrer, verbot zugleich den übrigen
Gemeindemitgliedern unter Androhung schwerer Strafen die Auswanderung.
Der Besitz von schon Geflüchteten wurde konfisziert, es sei denn,
sie kehrten innerhalb von vier Wochen zurück. Die Hugenotten, deren
Motto „Résistez!“ (Widersteht!) ihre soziale Gruppe
innerhalb der feindlich gesonnenen Umwelt stets zusammengehalten hatte,
entschlossen sich zur Massenflucht. Als die Hugenotten aus Metz und Umgebung
in der Nacht vom 21./22. Oktober 1685 aufbrachen, um über Deutschland
nach Holland zu fliehen (Luxemburg und Belgien gehörten zu den Spanischen
Niederlanden), siedelten sich einige aus Courcelles kommende Familien
in Ludweiler an. Die Hugenottenverfolgung betraf inzwischen jedoch auch
die Grafschaft Saarbrücken, die während der Reunionskriege von
Frankreich okkupiert worden war (1680). Ab 1686 wurde in der Saarprovinz
diese repressive Konfessionspolitik aber nicht mit der gleichen Brutalität
umgesetzt wie im restlichen Frankreich und in Lothringen. 1687 erließ
der französische Intendant der Saarprovinz ein Edikt, das den Hugenotten
Religionsfreiheit für die nächsten zehn Jahre zusicherte. 1697
fiel Nassau-Saarbrücken im Frieden von Rijswijk wieder an das deutsche
Kaiserreich. Für die französischen Hugenotten entspannte sich
die Lage ab den 1730er Jahren; dem entsprach das Toleranzedikt von Versailles
(1787). Erst die französische Revolution verschaffte den Hugenotten
völlige Bewegungsfreiheit.
Baugeschichte: Historischer ökumenischer Wanderweg
Der Wanderweg folgt dem 50 km langen Fußweg, welchen die Einwohner
von Courcelles in der Zeit zwischen 1685 und 1787 jedes Jahr im September
heimlich zurücklegten, um wenigstens einmal im Jahr in Ludweiler
einen öffentlichen Gottesdienst mit Abendmahl besuchen zu können
sowie Trauungen und Taufen durchführen zu lassen. Der ausgeschilderte
Weg, teilweise identisch mit der einstigen Römerstraße zwischen
Metz und Saarbrücken, beginnt an der Kaiserkirche von Courcelles-Chaussy
und endet an der evangelischen Kirche in Ludweiler. Er führt über
Vadoncourt, Bannay (Bizingen), Brouck (Bruch), Narbéfontaine (Memersbronn),
Boucheporn (Buschborn), Kleindal, Moulin de l’Ambach (Ambacher Mühle),
zum Warndtweiher und nach Ludweiler. Der Conseil Protestant de la Région
Messine hat diese Wanderung erstmals 1986 unter der Bezeichnung „Marche
Marie Dubois – Wanderung Marie Dubois“ durchgeführt und
seither als ständige ökumenische Einrichtung beibehalten.
Courcelles-Chaussy
Chaussy war seit dem 13. Jahrhundert eine eigene Pfarrei im Metzer Bistum.
Nach der Übergabe von Metz an Frankreich (1552) wurde es zum Zentrum
der Hugenotten in Lothringen und zur kulturellen Hochburg. 1560 ließ
sich der hugenottische Baron de Clervant als Grundherr in Chaussy nieder,
der später in den Hugenottenkriegen fiel. Der erste Treffpunkt der
Hugenotten in Chaussy war das Herrenhaus „Le château“
(Rue Maréchal Leclerc); heute ist ein Altenheim darin untergebracht.
Der Weiler Pont-à-Chaussy, das Schloßgut Urville und der
Hof Mesnils wurden im Jahr 1812 mit der an der Französischen Nied
gelegenen Gemeinde Courcelles vereinigt. Im frühen 19. Jahrhundert
wurde ein hugenottischer Tempel errichtet, der am Ortsrand nahe dem heutigen
Altenheim stand. Er wurde 1895 durch die von Kaiser Wilhelm II. finanzierte
Kaiserkirche ersetzt. Zusätzlich ließ das Kaiserpaar in dem
damals Kurzel oder auch Kaiserkurzel genannten Ort ein „Wilhelm-Viktoria-Stift“
als Altersheim errichten. Das alte Schloß in Kurzel wurde auf Veranlassung
des Kaiserpaares umgebaut und erweitert, um unter der Bezeichnung „Auguste-Viktoria-Stift“
als Erziehungsanstalt für evangelische Mädchen zu dienen. Ein
protestantisches Pfarrhaus gegenüber der Kirche wurde mit Zuschüssen
des Kaisers, des Reiches und des im nahen Landonvillers ansässigen
deutschen Großindustriellen Dr. John von Haniel finanziert. Der
Bau aus dem Jahr 1905 wurde 1992 renoviert.
Schloß Urville bei Courcelles-Chaussy
Das von einem großen Park umgebene Schloß Urville, 15 km
von Metz entfernt, gehörte ursprünglich den Herren von Urville,
später zu Rollingen und danach zu Kriechingen (Créhange).
Der dreigeschossige Bau aus dem 16. Jahrhundert mit Walmdach und vier
vorspringenden Ecktürmen war Anfang des 19. Jahrhunderts durch eine
neoklassizistische Vorderfront und an der Gartenfront durch einen dreiseitigen
Vorbau ergänzt worden. 1890 bot der damalige Besitzer es zusammen
mit den Pachthöfen Mesnils und Pont-à-Chaussy zum Verkauf
an, um nach Frankreich auszuwandern und sich dort dauerhaft niederzulassen;
die Gebäude gingen am 15. Juli 1890 in kaiserlichen Besitz über.
Das Schloß wurde von Wilhelm II. baulich verändert: Die Ecktürme
wurden um jeweils ein halbes Geschoß erhöht, um dem Bau mehr
Wirkung zu verleihen, und an der Front brachte man das kaiserliche Wappen
an. Die Innenräume wurden neu geschnitten und vorwiegend mit Möbeln
aus lothringischer Produktion eingerichtet. In Abwesenheit der kaiserlichen
Familie konnte das Schloß besichtigt werden. Für den Hofstaat
und die Dienerschaft wurden zusätzliche Gebäude erstellt: Das
Schweizerhaus als Wohnhaus der Prinzen und der Kabinettschefs, das Familienhaus
für die Dienerschaft. Im Familienhaus waren auch eine Post- und Telegraphenstation
untergebracht. 1918 wurde das Schloß enteignet. Aus dem im Kaiserreich
angelegten landwirtschaftlichen Musterbetrieb ging eine regionale Landwirtschaftsschule
(Lycée agricole d’État) hervor, die in ganz Lothringen
bekannt und im Schloß untergebracht ist.
Laurent Commaille
Le temple de Courcelles-Chaussy
Le temple de Courcelles-Chaussy est un monument dont l’importance
dépasse celle d’un simple édifice cultuel de village.
Il matérialise en effet le lien existant entre l’histoire
du protestantisme mosellan, l’histoire religieuse de l’Allemagne
et des Hohenzollern et l’intégration du Reichsland dans le
nouvel Empire. Sa localisation n’est pas le fruit du hasard ;
Courcelles-Chaussy est une enclave protestante du Pays messin. Après
la Révocation de l’Édit de Nantes, c’est souvent
là que se regroupèrent clandestinement les réformés
messins qui voulaient gagner les terres protestantes de l’Empire,
en passant par Ludweiler. En s’implantant à Courcelles-Chaussy,
en 1890, par l’achat de la terre et du château d’Urville
(achetés au prix fort), Guillaume II marque ainsi son attachement
à la Terre d’Empire mais aussi à l’histoire
des huguenots messins dont près de 4000 furent accueillis à
Berlin à la fin du XVIIe siècle, favorisant le décollage
de la ville et renforçant la dynastie calviniste dans un environnement
majoritairement luthérien. Courcelles-Chaussy possédait
déjà un temple, achevé en 1839, de facture classique,
très dépouillé. Le nouveau temple, dont la construction
est décidée (et financée) par l’Empereur en
1894, est implanté près du lieu-dit « Trou des
Huguenots ». Il est officiellement inauguré à
la date symbolique du 17 octobre 1895. Construit par l’architecte
Tornow, qui a édifié le nouveau portail de la cathédrale
de Metz (avec statue de Guillaume II sous les traits du prophète
Daniel), il est de style néogothique. Son plan centré et
ses galeries en font, comme celui de Rombas, un des temples contemporains
les plus proches de l’esprit du culte réformé. L’Empereur
pouvait accéder directement à sa place réservée,
dans une alvéole aux carreaux de faïence décorés
d’aigles (fabriqués par Villeroy
et Boch à Mettlach) par sa propre entrée, près
du chœur. Le décor, très simple, met en valeur le travail
du bois de la chaire, des galeries et des bancs.
Gerhild Krebs
Schloß Landonvillers
Unmittelbar bei Courcelles-Chaussy liegt das ehemalige Schloß und
Gutshof von Landonvillers, ein Châtelet aus dem späten 18.
Jahrhundert. Der westfälische Großindustrielle Dr. John von
Haniel aus Moers/Niederrhein erwarb 1891 das Anwesen und baute das Schloß
1903 durch Anfügen eines Flügels im Stil der Neorenaissance
um. Zwischen 1904 und 1906 ließ Haniel von Bodo Ebhardt, dem Architekten
der Hohkönigsburg und Burgenforscher, einen weiteren Anbau für
300000 Mark in Form eines quadratischen neoromanischen Wohnturms errichten,
der „nach Art der Bergfriede deutscher Burgen“ gestaltet und
stilistisch „den künstlerischen Idealen der deutschen Architektur
des Mittelalters und der Renaissance“ (Ebhardt zitiert nach Wilcken,
S. 331) entsprach. Der 35 m hohe Bergfried aus rötlichem westfälischem
und Eifel-Sandstein (aus Büren bzw. Kyllburg) mit zwei Kellergeschossen,
vier Hauptgeschossen, einer zinnengekrönten Aussichtsplattform und
steinernen Dachpyramide beherrscht seine Umgebung und bietet ungehinderte
Aussicht, u.a. bis nach Urville. Die massive Bauart des Turmes nach Art
authentischer Burgen schuf rund drei Meter tiefe Fensternischen, wie sie
in mittelalterlichen Wohntürmen existiert hatten; die Bibliothek
war einer mittelalterlichen Tradition gemäß im obersten Stockwerk
eingerichtet. Das Schloß war mit einem weitläufigen Park umgeben,
zu dem der Gutsbetrieb gehörte. Der Besitz wurde 1918 enteignet.
Creutzwald und Villers-la-Croix
Im Jahre 1601 kaufte der reformierte Glashüttenbesitzer Louis de
Condé am westlichen Rand des Warndt ein Waldstück und errichtete
hier mehrere Glashütten, aus denen sich ab 1618 die Siedlungskerne
der heutigen Dörfer Creutzwald und Villers-la-Croix entwickelten.
Im heutigen Creutzwalder Ortsteil Wilhelmsbronn wurde eine reformierte
Kirche errichtet. Sie wurde 1685 von französischen Truppen niedergebrannt,
obwohl das Revokationsedikt im Herzogtum Lothringen formell nicht galt.
Von Creutzwald aus verhandelte die Sippe de Condé mit der Kanzlei
der Grafen von Nassau-Saarbrücken um günstige Ansiedlungsbedingungen
auf deren Gebiet, die zwischen Frühjahr und Mitte 1604 gewährt
wurden. Daraufhin zogen insgesamt zwölf Familien, unter ihnen zwei
Familien de Condé, in das Gebiet des späteren Ludweiler. Der
einflußreiche Hüttenbesitzer Karl von Wendel
gab Creutzwald durch die Errichtung einer Eisenhütte im 19. Jahrhundert
ein anderes Gesicht. Die industrielle Prägung des Ortes wurde durch
eine Kohlengrube noch verstärkt. Hier waren auch viele saarländische
Bergleute tätig.
Ludweiler
Ludweiler wurde von zwölf reformierten Familien aus Creutzwald um
Daniel und Osias de Condé gegründet (zwischen 3. April und
8. Juni 1604). Es ist die älteste hugenottische Neugründung
auf linkshreinischem deutschem Gebiet und einzige Gründung einer
französisch-reformierten Pfarrgemeinde im Saarland. Die Ansiedler
in Lud(wigs)weiler waren rechtlich besser gestellt als die meisten alteingesessenen
Einwohner der Grafschaft Saarbrücken. Die Zuwanderer blieben zunächst
in der Glashütte von Creutzwald tätig. Sie durften laut Niederlassungsprivileg
des Grafen Ludwig von Nassau-Saarbrücken ihre Religion frei ausüben
und eine Kirche mit Pfarrhaus errichten. Ein reformierter französischsprachiger
Pfarrer wurde ihnen zugestanden, der vom Landesherren angestellt wurde.
1605 wurde Barthelmy du Cloux aus Metz als Pfarrer in dem neuen Dorf tätig.
1616 errichtete der Glashüttenbesitzer Jean Jacques de Thiétry
(aus der Gegend von Darney, Südlothringen) die erste Glashütte
in Ludweiler, zugleich die erste in der Grafschaft Nassau-Saarbrücken.
Der Glasverkauf wurde durch die Brüder Johann und Peter Asslinger
(Asselain) von St. Avold im südlichen Warndt aus über Holland
organisiert.
Die Entwicklung des 350–400 Einwohner starken Dorfes wurde 1635
durch den 30jährigen Krieg gewaltsam unterbrochen, als im Grenzraum
französische und schwedische Verbände gegen kaiserliche und
lothringische kämpften. Die Ludweiler flohen wie ihre Landesherren
zeitweise nach Metz; viele kehrten nie zurück. Nach 1660 lebten in
Ludweiler vorwiegend frankophone reformierte Neubürger aus Metz und
seinem Umland sowie schweizerische Reformierte aus dem Berner Oberland.
Die neuen Bürger waren nicht mehr nur Glasmacher, sondern übten
eine breite Palette von Berufen aus. Das Edikt von Fontainebleau (1685)
galt formell an der Saar zwar nicht, weil das Edikt von Nantes (1598)
hier auch nicht gegolten hatte, dennoch wurde die reformierte Kirche in
Ludweiler wie die im nahen Wilhelmsbronn von französischen Truppen
niedergebrannt und der Ludweiler Pfarrer zur Auswanderung gezwungen (November
1685). Einen eigenen Pfarrer erhielt Ludweiler erst wieder ab 1720 mit
Jean Pierre Guiffardière, dem Schwiegersohn eines deutschen reformierten
Pfarrers aus der Pfalz; ihm folgten später deutschsprachige Pfarrer.
Nach den 1730er Jahren kamen aus Frankreich oder dem Herzogtum Lothringen
keine Glaubensflüchtlinge mehr nach Ludweiler. Aufgrund der französischen
Sprache und der reformierten Konfessionszugehörigkeit blieb Ludweiler
religiös fast homogen, nur wenige Lutheraner und Katholiken lebten
im Dorf. Ludweiler war das religiöse Zentrum für das gesamte
Ostlothringen und Saarlouis, von wo reformierte schweizerische Söldner
der französischen Garnison zum Gottesdienst kamen. Darüber hinaus
war es bis zur Gründung der reformierten Saarbrücker Pfarrgemeinde
(1747) und der Fertigstellung der dortigen Friedenskirche
(1751) auch religiöses Zentrum für Saarbrücken und St.
Johann. Die zunächst französischsprachigen Gottesdienste wurden
in Ludweiler bereits Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend um Gottesdienste
in Deutsch ergänzt, da sich die Ludweiler Bevölkerung sprachlich
zu assimilieren begann und die Reformierten aus Saarbrücken, Geislautern,
Naßweiler wie auch die schweizerischen Soldaten aus Saarlouis kein
Französisch verstanden. Während der 1794 beginnenden Amtszeit
von Pfarrer Zimmermann (gestorben 1840) wurde Deutsch allmählich
einzige Predigtsprache. Die französische Sprache der einstigen Zuwanderer,
zuletzt ein rudimentäres Patois (ungrammatisches bzw. dialektal gefärbtes
Französisch), war Mitte des 19. Jahrhunderts bereits weitgehend verschwunden,
da Ludweiler seit 1815 zu Preußen gehörte und die Unterrichtssprache
seither Deutsch war. Ende des 19. Jahrhunderts arbeiteten die meisten
Männer aus Ludweiler in den Kohlengruben von Geislautern und Kleinrosseln
(Petite-Rosselle). Die reformierten Traditionen hatten sich in einem Assimilierungsprozeß
an die lutherischen Traditionen und deren Bekenntnis ebenfalls aufgelöst,
einzig das Abendmahl mit ungesäuertem Brot und Rotwein hat sich in
Ludweiler bis heute gehalten. Durch den historisch interessierten Pfarrer
Friedrich Mohns (Amtszeit 1936–1974), selbst hugenottischer Herkunft,
wurde das Geschichtsbewußtsein der heutigen Pfarrgemeinde Ludweiler
wiederbelebt. Im Jahr 2000 wurde am Ortsrand von Freyming-Merlebach, wenige
Meter von der saarländischen Grenze, in Anwesenheit von saarländischen
und lothringischen Politikern ein Gedenkstein zur Erinnerung an die grenzüberschreitende
1000jährige Geschichte des Warndt enthüllt.
Hugenottenkirche Ludweiler
Die im Jahre 1786 neu errichtete Kirche nach Plänen von Balthasar
Wilhelm Stengel war der vierte reformierte Kirchenbau an derselben Stelle
in Ludweiler. Die schlichte, heute denkmalgeschützte Saalkirche mit
drei Fensterachsen auf den Längsseiten und zwei auf den Schmalseiten
wurde giebelständig mit Glockentürmchen zur Straße erbaut.
1876/1877 wurde ein großer Glockenturm vor den Giebel gesetzt und
damit der ursprünglich schlichte, streng calvinistische Ausdruck
der Kirche gemildert.
Quellen und weiterführende Literatur
Choux, Jacques, Dictionnaire des châteaux de France – Lorraine,
Paris 1979.
Herrmann, Hans-Walter, Die Hugenottengemeinde Ludweiler, Bad Karlshafen
1998 (Geschichtsblätter der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft e.V.,
Bd. 30).
Ders., Lothringen, Geschichte eines Grenzlandes, Saarbrücken 1983.
Mallmann, Klaus-Michael, „Maria hilf, vernichte unsere Feinde“.
Die Marienerscheinung von Marpingen 1876, in: Mallmann, Klaus-Michael/Paul,
Gerhard u.a. (Hg.), Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins
Saarrevier 1815–1955, 2. Auflage, Bonn 1988, S. 48–50.
Weinen, Alexander (Red.), Heimatkundlicher Verein Warndt e.V. (Hg.),
Der Hugenottenweg/Sentier des Huguenots 1598–1685, Warndt 1994.
Wilcken, Niels, Architektur und Stadtplanung im Grenzraum – Das
öffentliche Bauwesen in Elsaß-Lothringen im Kaiserreich (1871–1918),
Bd. 2, Kiel 1998, S. 326–328. Die Verfasserin dankt an dieser Stelle
Herrn Dr. Wilcken für seine Unterstützung.
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