Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Glasmachersiedlung Fenne

Hausenstraße, Leostraße und Kleinestraße, Völklingen

Für die Arbeiter der Glashütte Fenne ließen die Glashüttenbesitzer Hirsh & Hammel zwischen 1904 und 1908 eine Siedlung direkt neben dem Hüttengelände errichten (Hausen-, Leo- und Kleinestraße). Die Leostraße erinnert an den gemeinsamen Vornamen der Firmenchefs. Der Bauunternehmer Richard Schmidt aus Luisenthal (damals noch Obervölklingen genannt), der auch an Bau und Umbau des Völklinger Rathauses beteiligt war, führte die Bauten aus. Während die Glashüttengebäude bis auf eines abgerissen sind und das einstige Betriebsgelände fast nur noch an seiner Weiterführung als Gelände mehrerer anderer Betriebe erkennbar ist, besteht die denkmalgeschützte Fenner Arbeitersiedlung von 1904–1908 noch als Ensemble. Der ursprüngliche Charakter der Siedlung lebte vom architektonischen Konzept der Gartenstadt, das damals, von England kommend, europaweit und besonders in Deutschland diskutiert wurde. Obwohl die Siedlung damit von einer aktuellen internationalen Architekturtheorie inspiriert war, zeigte sie eine Reduktion auf die Integration von Wohnen und Freizeit, während das englische Konzept auch die bauliche Integration der Arbeit vorgesehen hatte. Dies war in Fenne nicht möglich, weil die Hütte längst bestand. Von der ursprünglichen Siedlung existieren nur noch rund zwei Drittel der Originalhäuser, da in den fünfziger und sechziger Jahren verschiedene abgerissen wurden. Heute sind z.B. in der Hausenstraße 48–64 und in der Leostraße 2a–d noch Häuser im äußeren Originalzustand vorhanden. Der häufigste Haustyp, in mehreren Varianten vorhanden, ist ein eingeschossiger, traufständiger Putzbau mit roten und ockerfarbenen Klinkern und ausgebautem Dach. Bei einigen trauf- oder giebelständigen Hausvarianten gliedert ein niedriger Sandsteinsockel das Gebäude in horizontaler Richtung, bei anderen Hausvarianten sind ockerfarbene Schmuckklinker als Gliederungselemente farblich gegen die rote Klinkerfassade abgesetzt. Wie viele industrielle Siedlungen des 19. und 20. Jahrhunderts stehen auch die Fenner Glasmacherhäuser nach Stil und Gestaltung im Gegensatz zu den vorherigen regionalen Bautraditionen der bäuerlichen Siedlungen. Dennoch bieten sie durch die Variation einiger weniger Haustypen, die kleine bauliche Gruppen bilden, das abwechslungsreiche Bild einer von Gärten umgebenen, geschlossenen Siedlung und suggerieren eine gewachsene Struktur. Zur Zeit ihrer Entstehung signalisierten sie bei allen dekorativen Unterschieden die soziale Zuordnung ihrer Bewohner als Industriearbeiter eines bestimmten Betriebes, postulierten unter ihnen prinzipielle Einheit und Gleichrangigkeit. Heute sind die Häuser längst nicht mehr von früheren Glasmachern, sondern teilweise von anderen Arbeiterfamilien in- und ausländischer Herkunft bewohnt, die bei unterschiedlichen saarländischen Arbeitgebern beschäftigt sind. Der einheitliche Charakter der Siedlung wird sich auf lange Sicht gesehen verlieren, da einzelne Häuser baulich leicht bis stark verändert, teilweise auch abgerissen und durch mehrstöckige Neubauten ersetzt wurden.

Quellen und weiterführende Literatur

Engelbreit, Raymond, Schœneck – La Verrerie Raspiller 1780–1882, Stiring-Wendel 1982.

Hoppstädter, Heinz/Adam, Anni, Carlsbrunn. Eine Glasmachersiedlung im 18. Jahrhundert, Karlsbrunn o.J. [1993], ungedrucktes Manuskript, S. 1–11, 46–54; Hoppstädter, S. 54, gibt 1812 als Datum der Hüttenverlegung nach Fenne an. Der spätere Briefkopf der Glashütte nennt 1813. Die Verfasserin dankt an dieser Stelle nochmals ihrem Paten Herrn Hoppstädter und seiner Ehefrau Inge Hoppstädter (Karlsbrunn), die ihr 1993 das Manuskript überließen.

Neutzling, Walter, Die Glasmacherfamilie Raspiller, Dillingen 1988/1989 (Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienkunde, Sonderband 21).

Schmitt, Armin, Denkmäler saarländischer Industriekultur. Wegweiser zur Industriestraße Saar-Lor-Lux, 2. Auflage, Saarbrücken 1995, S. 62–65; S. 62 nennt Schmitt 1811 als Datum der Hüttenverlegung.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 243, 319f.

Völklingen und seine Stadtteile, Völklingen o.J., S. 120 (HistMusSaar Bibl.-Inv. Nr. 1030).

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.