Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Sigrid Barmbold

Kaiserliches Landgericht und Palais de Justice, Sarreguemines

Ehemaliges Kaiserliches Landgericht, 20, Rue Sainte-Croix; Palais de Justice, Place du Général Sibille; Sous-Préfecture, 4, Rue du Maréchal Foch, Sarreguemines

Sarreguemines war im Jahr 1800 Kreisstadt des vierten Arrondissements und Sitz des Gerichtes erster Ordnung, und somit auch eine Stadt von administrativer Bedeutung. Die zentralen Verwaltungseinrichtungen befanden sich im Zentrum der alten Stadt, wie z.B. das Bürgermeisteramt, die Sous-Préfecture und das Gericht. Die beiden letztgenannten Institutionen waren seit 1790 im ehemaligen Kapuzinerkonvent (Institution Sainte-Chrétienne, 20, Rue Sainte-Croix) untergebracht. Der Unternehmer Jean Necesson, der mit der Errichtung des Konvents beauftragt worden war, stellte 1730 ein Gebäude in einem einfachen barocken Stil mit Höfen und einem Garten fertig (Henri Hiegel, S. 79). Nachdem die Mönche 1790 vertrieben worden waren, suchte die Stadt nach verschiedenen öffentlichen Institutionen, um die Gebäude zu nutzen. Neben der Sous-Préfecture und dem Amtsgericht eröffneten 1808 die Schwestern der Kongregation „Sainte Chrétienne“ in diesem Gebäude zwei „classes élémentaires“ mit der Idee, ein Pensionat für Mädchen zu schaffen. Während der Choleraepidemie 1852 und der Kriege 1870–1871 und 1914–1918 wurden Teile des Komplexes als Lazarett genutzt.

Die Sous-Préfecture verließ 1868 das Gebäude und zog in ihr heutiges Domizil (4, Rue du Maréchal Foch), auch das Kaiserliche Landgericht fand eine neue Bleibe am Place du Général Sibille (1910). Daraufhin erwarb die Kongregation 1909 das Landgerichtsgebäude, „das Kaiserliche Landgericht“, wie auch immer noch in einer Inschrift über dem Tor zu lesen ist. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude von der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und der Hitlerjugend genutzt, die einen Teil des Pensionats in das „Haus der Jugend“ umwandelte (Joseph Klein, S. 299). Im großen Bombardement von 1943 wurde das Pensionat teilweise zerstört, aber nach dem Krieg von der Stadt im alten Stil wiederaufgebaut. 1980 nahm die Einrichtung den Namen „Institution Sainte-Chrétienne“ an und hat sich als Schule, Collège und Gymnasium einen Platz in der Schullandschaft der Stadt geschaffen.

Das Kaiserliche Landgericht, der spätere Palais de Justice, fand einen neuen Standort in der Nähe des Bahnhofes, auf dem Platz der Alten Kaserne. 1910 konnte nach langen Verhandlungen endlich eine Einigung zwischen dem Landesfiskus und dem Bezirk Lothringen erreicht werden. Die Landesverwaltung verpflichtete sich, den Neubau eines Landgerichtes auf eigene Kosten zu errichten (AMS, M1/16 Vertrag 1910). Für die Erbauung dieses monumentalen Bauwerkes mußte eine neue Platzgestaltung geschaffen werden. Das Ministerium wollte gerne ein einheitliches Platzbild im Sinne des Stadtbildes von Nancy erreichen, aber diese Bevormundung in Sachen Fassadengestaltung fand bei den Bürgern von Sarreguemines wenig Anklang. Der Gemeinderat beschloß daraufhin, die Bauerlaubnis zu erteilen, wenn die Gebäude entsprechend der besonderen Bedeutung des Landgerichtsplatzes errichtet würden. Die Gestaltung des Landgerichtsgebäudes lag in den Händen des Ministeriums für Landwirtschaft und öffentliche Arbeiten. Aus finanziellen Gründen tendierte die Regierung zu einer Architekturform ohne kostspielige Ornamente. Sie bevorzugte eine würdige Schlichtheit, ähnlich den beiden Ministerialgebäuden am Kaiserplatz in Straßburg. Die Stadtväter und Bürger wünschten sich einen wirkungsvolleren und schöneren Bau, ähnlich dem des Oberlandesgerichtes von Colmar. Schließlich erkannte die Regierung das Bedürfnis der Bürger nach einer eindrucksvollen Portalgestaltung mit einem Mittelrisalit an, weil dadurch dem Bauwerk ein würdigeres und monumentaleres Aussehen verliehen und der Eingang zur Stadt aufgewertet würde. Auch heute noch beeindrucken der Palais de Justice und die umgebende Platzarchitektur den Besucher (Sigrid Barmbold, S. 139).

Quellen und weiterführende Literatur

Archives Municipales de Sarreguemines (AMS), M1/16

Barmbold, Sigrid, Saargemünd. Stadtplanerische Probleme einer Kleinstadt in Elsaß-Lothringen, in: Hudemann, Rainer/Wittenbrock, Rolf (Hg.), Stadtentwicklung im deutsch-französisch-luxemburgischen Grenzraum, Saarbrücken 1991, S. 134–140.

Hiegel, Henri, La paroisse Saint-Nicolas de Sarreguemines, Sarreguemines 1969.

Klein, Joseph, Au centre de la cité au cœur de l’histoire. Le Pensionnat de Sarrguemines, Sarreguemines 1994.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.