Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Eisenbahnlinie Dillingen–Bouzonville–Metz

Bahnhof Bouzonville, Avenue de la Gare, Bouzonville; ehemaliger Bahnhof von Niedaltdorf und Gerstlingen, Rue de la Gare, Guerstling

Baugeschichte

Der erste Vorschlag zum Bau einer Strecke Dillingen–Busendorf (Bouzonville) zwischen dem Saartal und dem östlichen Lothringen wurde 1878 in der elsaß-lothringischen Kommission für den Bau von Lokaleisenbahnen gemacht, die auf Anregung des Reichskanzlers aus Vertretern des Landesausschusses und der Eisenbahnverwaltung gebildet worden war. Konkret wurden die Planungen jedoch erst Jahre später. Die von der Reichseisenbahn beantragten Zuschüsse zum Bau in Höhe von rund 8,99 Mio. Mark wurden am 12. März 1897 vom Reichstag genehmigt. Der Bau wurde noch im gleichen Jahr begonnen und die Strecke am 1. Juli 1901 eröffnet. Nach der Strecke Bous–Teterchen war die Trasse durch das Niedtal die zweite Eisenbahnlinie zwischen Saartal und Ostlothringen. Die beiden Gemeinden Busendorf und Dillingen hatten sich um diesen Trassenverlauf besonders bemüht. Busendorf wollte einen besseren Anschluß an das Saartal und Dillingen hatte für einen Zuschuß von 25000 Mark den Zuschlag als Ausgangspunkt der Strecke im Saartal bekommen – eine Anbindung über Merzig war zuvor ebenfalls im Gespräch gewesen. Zwischen Dillingen und Busendorf war die Bahnlinie zweigleisig, von dort bis Metz eingleisig. Ein Abzweiggleis nach Metz diente ausschließlich militärischen Zwecken. Diese Nutzung wurde ab Kriegsbeginn 1914 verstärkt, als Truppentransporte von Trier nach Metz ausschließlich über das Niedtal gingen. Die Strecke hatte außerdem von Anfang an hohe wirtschaftliche Bedeutung, denn die Dillinger Hütte erhielt auf diesem Weg ihre Minette-Erzlieferungen aus Lothringen. Während die militärische Nutzung der Bahnstrecke 1918 ihr Ende fand, gingen die lothringischen Erzlieferungen nach 1935 noch weiter, wobei bis Kriegsbeginn 1939 der französischen Regierung das Sonderrecht eingeräumt wurde, die Erzzüge nach Dillingen von französischem Personal begleiten zu lassen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Eisenbahnbrücke der Strecke über die Saar zerstört, so daß der Betrieb der Strecke bis zur Grenze am Bahnhof Niedaltdorf zunächst nicht wieder aufgenommen wurde; ein durchgehender Betrieb nach Metz war ohnehin nicht mehr möglich. Bis heute verkehren Güterzüge zur Dillinger Hütte grenzüberschreitend auf dieser Strecke, während der Personentransport auf französischer Seite in Bouzonville und auf deutscher Seite in Niedaltdorf endet. Nur einmal im Jahr während des Ostermarktes von Bouzonville, der Zehntausende von Besuchern aus der ganzen Großregion anzieht, verkehren am Karfreitag drei durchgehende Sonderzüge mit Personentransport zwischen Dillingen und Bouzonville. Der Bahnhof von Bouzonville wurde um 1900 errichtet und befindet sich bis heute äußerlich weitgehend im Originalzustand. Auf den Bahnsteigen finden sich im Boden noch immer die in deutscher Sprache beschrifteten metallenen Deckel der Kabelstränge, die während der Annexion 1940–1944 von der Reichsbahn neu verlegt wurden. Der Bahnhof zwischen Niedaltdorf und Gerstlingen (Guerstling) wurde ebenfalls um 1900 errichtet, um beiden Dörfern als Haltepunkt zu dienen. 1918, 1935 und 1945 wurde er zum Grenzbahnhof. Seit rund 30 Jahren dient das Gebäude als privates Wohnhaus.

Regionalhistorischer Kontext

Wie in mehreren Fällen verzögerter Verwirklichung von Bahnprojekten im Raum Saar-Lor-Lux fehlte es für das Projekt Dillingen–Busendorf–Metz an der Finanzierung. Auch gab es konkurrierende Planungen: Eine Kanalisierung des Niedtales zur Schaffung einer Schiffahrtsstraße zwischen Metz und Dillingen war jahrzehntelang erörtert worden, bevor man sich doch für die Bahnlinie entschied. Der Reichstag befaßte sich am 26. Februar 1897 erstmals mit dem Projekt. Die Eisenbahnverwaltung wies auf den wirtschaftlichen Nutzen hin, den beispielsweise die Dillinger Hütte davon haben würde. Die Hütte besaß in Redingen (Redange) ein weiteres Eisenwerk und erhielt ständig Erzlieferungen aus Lothringen. Die Reichseisenbahn forderte daher, die Dillinger Hütte solle sich entsprechend der zu erwartenden jährlichen Frachtersparnis von rund 40000 Mark mit einem höheren Betrag an den Baukosten beteiligen. Am Ende wurde die Strecke doch fast ausschließlich von der öffentlichen Hand finanziert: Neben den 8,99 Mio. Mark des Reiches steuerte Elsaß-Lothringen 337500 Mark bei, der Kreis Saarlouis 224000 Mark, sonstige Interessenten 11500 Mark. Die Dillinger Hütte konnte ihre Investition (100000 Mark) nach zweieinhalb Jahren amortisieren und hat bis heute den fast ausschließlichen Nutzen von der Trasse. Ein Teil der Bevölkerung aus Bouzonville und Umgebung pendelt heute mit dem Pkw zur Arbeit ins Saarland. Der Wunsch nach einer Wiederaufnahme des grenzüberschreitenden Personenverkehrs mit dem Saartal wird in Bouzonville hin und wieder geäußert und dabei auf entsprechende Bemühungen z.B. von deutscher Seite verwiesen. Gleichzeitig heißt es jedoch skeptisch, die Chancen stünden schlecht, da die SNCF daran kein Interesse habe. Die einfache Wiederaufnahme der Bahnlinie würde sicher nicht hinreichen, wenn nicht beiderseits der Grenze zusätzlich Bus- oder Sammeltaxi-Anbindungen für die vielen kleinen Dörfer geschaffen werden, da sonst weiterhin alle Pendler mit dem Pkw fahren. Ein grenzüberschreitendes Nahverkehrskonzept könnte außerdem dazu beitragen, auf lange Sicht die Abwanderung von Menschen aus dem französischen Grenzgebiet abzubremsen und damit die weitere strukturelle Schwächung dieses Teils von Ostlothringen zu verhindern. Eine grenzüberschreitende Gestaltung würde möglicherweise auch die Situation der Dörfer auf der saarländischen Seite des Saargaues verbessern und beiderseits der Grenze die derzeit hochgradige regionale Abhängigkeit vom Auto verringern.

Quellen und weiterführende Literatur

Hoppstädter, Kurt, Die Entstehung der saarländischen Eisenbahnen, Saarbrücken 1961 (Veröffentlichungen des Instituts für Landeskunde, Bd. 2), S. 141–142.

Schwall, Stefan, „Die Ländereien werden durch die Eisenbahn verstümmelt und verlieren an Wert“ – Kleine Dillinger Bahnhofs-Chronik, in: Geschichte und Landschaft, Beilage zur Saarbrücker Zeitung, 17./18. August 1996.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.