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Gerhild KrebsKraftwerke an der mittleren Saar und in NordostlothringenEhemaliges Umspannwerk Hühnerfeld, Saarbrücker Straße, Sulzbach; Kesselhaus und Turbinenhalle des Kohlekraftwerks Fenne I und Modellkraftwerk Völklingen, Saarbrücker Straße, Fenne/Völklingen; Kraftwerk Römerbrücke, Bismarckstraße 143, Saarbrücken; ehemaliges Wasserkraftwerk, Oktavienstraße 26, MettlachDie Nutzbarmachung der Saar zur Energiegewinnung begann seit dem 12. Jahrhundert mit dem Bau von Mühlen und Hammerwerken, blieb aber aus technischen Gründen fast nur auf den Oberlauf bzw. die Nebenflüsse beschränkt und nahm dort seit der Mitte des 19. Jahrhunderts immer weiter ab wegen der Konkurrenz industriell gefertigter Produkte. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die standortgebundenen Mühlen durch Turbinen ersetzt und so war elektrische Energie verfügbar, die mittels Leitungen transportiert werden konnte. Viele Anliegergemeinden am Fluß bauten um 1900 kleine Kraftwerke, z.B. versorgten in Kleinblittersdorf und Saarhölzbach kommunale Kleinkraftwerke die elektrischen Straßenbeleuchtungen. Die lokale Elektrifizierung wurde aber bald von den industriellen Großabnehmern und dem wachsenden Gesamtbedarf durchkreuzt. Die Energieproduktion wurde zentralisiert. Parallel dazu schränkte man die Möglichkeiten der Gemeinden zum Kleinkraftwerksbau immer mehr ein. Der Energiebedarf der Industrie und der wachsenden Siedlungen führte zunächst zum Bau mehrerer großer kohlebetriebener Dampfkraftwerke am Fluß: Luisenthal (1909), Wehrden (1914, erneuert 1961, abgerissen 2002), Fenne (1926), Großbliederstroff (Anfang 1950er Jahre), Ensdorf (Baubeginn 1961), Römerbrücke (1967). Die preußische Bergwerksverwaltung benötigte für den Ausbau der Gruben enorme Mengen elektrischer Energie und baute daher als erstes Unternehmen ein Großkraftwerk in Luisenthal, dessen Gebäude noch heute stehen. Der Energiebedarf der Saargruben stieg durch Modernisierungen der Mines Domaniales in den zwanziger Jahren weiter stark an. Ein Beispiel dafür, das abseits des Flusses steht, ist das ehemalige Umspannwerk Hühnerfeld (Saarbrücker Straße, Sulzbach). Zur Deckung des steigenden Bedarfs an elektrischer Energie für die Gruben ließ die französische Bergwerksverwaltung ca. 1925 diese Umspannstation als Stahlskelettbau in neoklassizistischen Formen errichten. Das ehemalige Kraftwerk Fenne I ist der älteste Teil einer mehrfach erweiterten Kraftwerksanlage. Der Bau von Fenne I (1922–1926) erfolgte unter Jean Dubois, dem damaligen Leiter des „Service des Études et Constructions“ der französischen Bergwerksverwaltung. Diese Abteilung war für sämtliche Projekte und Ausführungen von Betriebs- und Wohnungsbauten der Mines Domaniales im Saargebiet zuständig. Die Architektur des Kraftwerkes war geprägt von dem neuen Baustoff Eisenbeton, der sich seit 1900 durchgesetzt hatte und von französischen Architekten besonders gerne verwandt wurde. Entsprechend der funktionalen Ästhetik dieser Jahre war der Bau sehr schlicht und funktional gehalten. Neben dem Beckerturm in St. Ingbert von Hans Herkommer und dem Förderturm in Camphausen stellt das alte Kraftwerk das wichtigste Beispiel funktionalistischer Eisenbetonkonstruktionen im Saarland dar. Fenne I wurde 1959 stillgelegt. Die 107 m hohen Kamine und der Wasserturm wurden abgerissen, die technischen Anlagen ausgebaut. Die noch vorhandene Turbinenhalle von Fenne I, ein steil proportionierter Eisenfachwerkbau, wird heute von dem Sauerstoff erzeugenden Unternehmen Oxygen gewerblich genutzt. Die Halle fällt durch ihre Schauseite auf, die zur Saar hin orientiert und von der Autobahn A 620 gut sichtbar ist: großflächige Korbbogenfenster, rahmende Pilaster und ein gestufter Flachgiebel. An der Südwand der Turbinenhalle ist seitenschiffartig das Schalthaus angebaut, in dem noch Teile der ursprünglichen Schaltanlage vorhanden sind; nach Norden schließt sich das Kesselhaus an, das als besonderes Schmuckelement das Putzbild des Bergbau-Emblems mit Grubenlampe zeigt – dort wird heute die Energie für den Betrieb der Sauerstoffabrik produziert. Beide Gebäude, Turbinenhaus und Kesselhaus, zählen zu den wichtigsten Gebäuden der Industriearchitektur an der Saar zwischen 1920 und 1935. Gleich nebenan befindet sich seit 1982 das Modellkraftwerk Völklingen. Es überragt die älteren Gebäude und repräsentiert mit seiner technologischen Ausstattung (Wirbelschichtfeuerung und Rauchgasentschwefelung) den heutigen Prototyp umweltfreundlicher Kraftwerkstechnik im Bereich der Steinkohle. Auch das Kraftwerk Römerbrücke in Saarbrücken, errichtet 1986–1988 unter Einbeziehung eines älteren Kohlekraftwerks, ist heute eines der modernsten und umweltfreundlichsten seiner Art. In den Jahren 1923–1927 errichteten die Kreise Saarlouis und Merzig an geologisch günstiger Stelle bei Mettlach das einzige Wasserkraftwerk an der Saar, wo sich der Fluß durch ein enges, felsiges Tal winden muß. Es waren die Faktoren der Wasserdurchflußmenge durch die Turbinen bzw. der Zugang zum Kühlwasser, die für die Standortwahl den Ausschlag gaben. Für das Kraftwerk wurde auch ein Stauwehr ohne Schleuse errichtet, was die Flußschiffahrt talabwärts zeitweise zum Erliegen brachte. Das Kraftwerk sollte die Energieversorgung der beiden Kreise Saarlouis und Merzig optimieren und von der Kohleversorgung durch die Saargruben unabhängiger machen. Dahinter stand zugleich das nationalpolitische Streben nach Unabhängigkeit von der französischen Bergverwaltung der Mines Domaniales. Das turbinengetriebene Kraftwerk versorgte unter anderem Villeroy & Boch mit Strom. Während des Zweiten Weltkrieges gab es Pläne, es zum Pumpspeicherkraftwerk auszubauen, die aber wegen der hohen Investitionen und des weiteren Kriegsverlaufs nicht zur Ausführung kamen. Das Wasserkraftwerk Mettlach wurde 1981 im Zuge der Saarkanalisierung abgerissen und durch eine neue Staustufe mit Kraftwerk und zwei Schleusen ersetzt. Das Kraftwerk Grosbliederstroff bei Sarreguemines stand wegen seiner extremen Umweltverschmutzung jahrzehntelang im Kreuzfeuer der Kritik der flußnahen Gemeinden, deutscher und französischer Umweltgruppen sowie vieler Anlieger in Groß- und Kleinblittersdorf und Umgebung. 1987 erreichte diese Kritik eine neue Qualität: Im Januar 1987 bot die französische Firma ESYS dem Kraftwerksbetreiber Houillères du Bassin de Lorraine (HBL) an, das Kraftwerk zur Müllverbrennungsanlage umzurüsten. Am 21. Januar gründete sich die Lothringer Bürgerinitiative „Comité“ und am 5. März auch ein informeller grenzüberschreitender Zusammenschluß: „Deutsch-Französische Aktionsgemeinschaft gegen eine Müllverbrennungsanlage in Grosbliederstroff“ (DFAG), die sich später als Verein konstituierte. Am 28. März wurde das Kraftwerk stillgelegt. Es folgten bis zum Juli 1988 zahlreiche Aktionen, Unterschriftensammlungen, Proteste und Demonstrationen. Am 10. Oktober 1988 zog die ESYS den Bauantrag zurück, im Januar 1990 wurde das Kraftwerksgebäude abgerissen. Seit der Stillegung dieses Kraftwerks wurde am Mittellauf der Saar wieder streckenweise kurzzeitige Vereisung beobachtet. Die Stillegung von Grosbliederstroff erfolgte jedoch weniger wegen der Proteste oder wegen Unrentabilität als vielmehr deshalb, weil der französische Staat bis heute auf Atomstrom setzt. Das Atomkraftwerk Cattenom nördlich von Thionville ist seit 1986 am Netz. Zahlreiche Störfälle und Abschaltungen gehören zum Betriebsalltag. Während es in den frühen 1980er Jahren gegen das AKW eine starke Protestbewegung – vor allem aus Deutschland – gab, werden heute die Störfälle in der Öffentlichkeit kaum noch wahrgenommen. Andererseits haben in den letzten Jahren die Castor-Transporte von Atommüll aus anderen Bundesländern, die teilweise durch das Saarland nach Frankreich und zurück gehen, wieder zu einer grenzüberschreitenden Protestwelle geführt.
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