Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Altes Rathaus Saarbrücken

Schloßplatz, Alt-Saarbrücken/Saarbrücken

Planung und Errichtung des Anbaues (1874–1880)

Das Rathaus der Stadt Saarbrücken hatte ab 1498 an dieser Stelle am Schloßplatz gestanden und war infolge von Zerstörungen und Umbauten 1749–1750 nach Entwürfen des Hofbaumeisters Friedrich Joachim Stengel in barocker Form neu errichtet worden.

1874 erhielt die Stadt Saarbrücken die Nachricht aus Berlin, das Königreich Preußen plane, der Stadt mehrere zu schaffende Gemälde des Historienmalers Anton von Werner (damals Direktor der Berliner Akademie der Künste) zu schenken, wenn nur ein geeigneter, d.h. repräsentativer Raum dafür gefunden würde. Thema der Gemälde sollte die Schlacht von Spichern (Spicheren) sein. Der Stadtrat von Saarbrücken beschloß daraufhin, in der angrenzenden heutigen Schloßstraße einen Anbau zu errichten und den künftigen Saal für Sitzungen zu nutzen. Dieses Angebot wurde von Berlin akzeptiert, da es genau den dortigen Vorstellungen entsprach. Die Innenausstattung des Saales behielt sich die preußische Regierung vor. Anton von Werner wurde am 17. Oktober 1875 in Berlin beauftragt und reiste 1876 nach Saarbrücken, um sich einen Eindruck vom Schlachtfeld sowie den Örtlichkeiten in Saarbrücken und St. Johann zu verschaffen. Der Saarbrücker Stadtbaumeister Carl Benzel begann zur gleichen Zeit mit der Planung und Errichtung des Rohbaus, der mit Parkettboden ausgelegt wurde. Nach den Berliner Wünschen kam eine Täfelung in deutscher Eiche und eine reich geschmückte Stuckdecke hinzu. In dieses vorbereitete bauliche Ensemble wurden die Gemälde plaziert, die Werner auf Kosten der Regierung geschaffen hatte.

Anton von Werners Gemälde für Saarbrücken

Drei große Wandgemälde zeigten Szenen im Umfeld der Schlacht: „Ankunft seiner Majestät König Wilhelm I. in Saarbrücken“, „Sturm auf den Spicherer“, „Viktoria“. Auf vier kleineren Gemälden waren die zwei preußischen Prinzen als Träger des dynastischen Erbes der Hohenzollern (zu beiden Seiten des Ankunfts-Bildes) sowie Generalfeldmarschall von Moltke und Kanzler Otto von Bismarck als zentrale Funktionsträger der Reichsgründung (zu beiden Seiten des Sturm-Bildes) dargestellt. In den Türfüllungen befanden sich die Portraits von sechs Saarbrücker Bürgerinnen und Bürgern, die sich 1870 besonders verdient gemacht hatten. Der Sitzungssaal wurde am 8. August 1880 eingeweiht, im Rahmen der üblichen Gedenkfeiern zur Erinnerung an die Schlacht, die aus Anlaß des 10jährigen Jahrestages besonders prunkvoll ausfielen. Der Saal wurde in wilhelminischer Zeit von zahllosen Touristen besucht, die das Spicherer Schlachtfeld besichtigten und dabei auch in die Saarstädte kamen. Das Saarbrücker Rathaus verlor seine administrative Funktion 1909 durch die Bildung der Großstadt Saarbrücken. Ein Brand infolge eines schweren Fliegerangriffes am 5. Oktober 1944 zerstörte den Sitzungssaal. Die Bilder wurden jedoch gerettet und befinden sich heute mehrheitlich in Privatbesitz. Der barocke Rathausbau wurde nach dem Krieg wiederaufgebaut; er beherbergt heute die Verwaltung der Volkshochschule Saarbrücken und das Abenteuermuseum des Weltenbummlers Heinz Rox-Schulz. Die Errichtung des Rathausanbaues in Saarbrücken war ausschließlich motiviert durch die Schlacht von Spichern, und die von Berlin kontrollierte Ausgestaltung des Sitzungssaales geriet programmgemäß zur monumentalen Selbstdarstellung Preußens. Damit wurde das Rathaus zum Gegenstück der 1877–1880 auf dem rechten Saarufer errichteten, in der Dekoration ebenso allegorisch ausgestalteten Bergwerksdirektion. War beim Winterbergdenkmal (1872–1874) die regionale Initiative vergleichsweise stark, so wurde der Rathaussaal aber fast ganz aus Berlin bestimmt. Berlin wünschte, daß Werners Gemälde einerseits die „historische Treue“ des Schlachtverlaufes wahrten, andererseits aber eine „monumentale Verherrlichung“ des Feldzuges leisteten.

Entwürfe vor und Ergebnisse nach der Berliner Kontrolle

Anton von Werner bemühte sich, auf die lokale und regionale Geschichtserfahrung einzugehen. Beispielsweise zeigte seine Skizze zum Bild „Ankunft seiner Majestät König Wilhelm I. in Saarbrücken“ die Dienstmagd Katharina Weisgerber („Schultze Kathrin“) mit Einkaufskorb im Vordergrund, dazu mehrere stadtbekannte Handwerksmeister. Die preußische Landeskunstkommission war mit den ersten Entwürfen Werners unzufrieden: sie seien dem Ernst der Sache nicht angemessen, nicht vaterländisch genug und würden der historischen Bedeutung von Spichern nicht gerecht. Weisgerber, deren Hilfe für die verletzten Soldaten zum regionalen Kern des Mythos von Spichern zählte, erschien nicht monumental und staatstragend genug, ebenso wie die Vertreter des Handwerks. Im fertigen Bild mußte Werner die Figur der Schultze Katrin in einer Personengruppe im Hintergrund verstecken, die damit vom König als Mittelpunkt des Bildes ikonographisch deutlich abgesetzt wurde. Auch Werners Darstellung des Sturms auf den Roten Berg, den er für schlachtentscheidend hielt, mußte er durch eine zusätzliche Figur, den tödlich getroffenen Soldaten (in der Mitte des Vordergrundes) dramatisieren, um noch pathetischer die erwünschte Siegesgewißheit und Opferbereitschaft der Soldaten zum Ausdruck zu bringen.

Quellen und weiterführende Literatur

Bartmann, Dominik, Anton von Werner. Geschichte in Bildern, Berlin/München 1993.

Böhm, Uwe-Peter, Zwischen Képi und Pickelhaube. Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 und der Mythos von Spichern, in: Zweckverband Historisches Museum Saar (Hg.), GrenzenLos. Lebenswelten in der deutsch-französischen Region an Saar und Mosel seit 1840, Saarbrücken 1998.

Wittenbrock, Rolf, Die drei Saarstädte in der Zeit des beschleunigten Städtewachstums (1860–1908), in: Ders. (Hg.), Geschichte der Stadt Saarbrücken, Bd. 2, Saarbrücken 1999, S. 11–130, dort S. 28–33.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.