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Rainer HudemannPlateau Bourbon, LuxemburgGebäudegestaltung auf dem Plateau BourbonAn der Gestaltung der Fassaden und großen Gebäude der zentralen Avenue de la Liberté auf dem Plateau Bourbon, dem im wesentlichen nach 1900 bebauten Gelände südlich der Luxemburger Altstadt bis zu dem 1907 eingeweihten Bahnhof, hat Antoinette Lorang unter vorwiegend kunsthistorischen Gesichtspunkten die Begegnung, bisweilen Verflechtung und Überlagerung unterschiedlicher Einflüsse herausgearbeitet. Sie spiegeln breitere politische Hintergründe wider, die in der Einleitung skizziert wurden. Geradezu symbolisch stehen sich die beiden gewaltigen, unterschiedliche architektonische Einflüsse repräsentierenden Bauten am südlichen, der Altstadt gegenüberliegenden Brückenkopf der Adolph-Brücke über das Petruss-Tal gegenüber: die Sparkasse und die Eisenbahnverwaltung. Etwas weiter die Avenue de la Liberté hinab nach Süden greift das in den 1920er Jahren errichtete, ebenso monumentale Verwaltungsgebäude der ARBED – an dessen Stelle zunächst das staatliche Museum vorgesehen gewesen war – vor allem auf das französische 17. und 18. Jahrhundert zurück, bei einer fast überschäumenden Dekorationsfreude, die moderne Bergbauwerkzeuge, antike Mythen und Allegorien und barocke Ornamentik gleichermaßen integriert. In den Fassaden und Dekorationen der Wohngebäude auf dem Plateau spiegelt sich die bewußt gegen die deutsche ökonomische Vorherrschaft gerichtete Orientierung des aufsteigenden luxemburgischen Bürgertums an französischer Kultur geradezu augenfällig wider. Die stärksten architektonischen Einflüsse kommen hier aus Frankreich, bisweilen durch Brüssel vermittelt. Elemente des Jugendstils – wie etwa am Dach des Hotel Graaf –, die sich auch in der weiterentwickelten Form des Art Déco in Frankreich nur sehr zögernd ihren Weg zu bahnen vermochten, bleiben auf dem Luxemburger Plateau Bourbon selten. Schlößchenartige Bauten wie das Nachbarhaus des Sparkassenbaus in der Avenue de la Pétrusse sind auf dem Plateau etwas zahlreicher, aber gleichfalls in der Minderheit. Ziel war die Bebauung mit großen, repräsentativen Miets- und Geschäftshäusern. Das ehemalige Hôtel de Paris an der Ecke des gleichnamigen Platzes wurde von dem Unternehmer P. Seiler in Auftrag gegeben und 1909–1912 durch die Architekten Joseph Nouveau & Muller errichtet. Die Fassadengestaltung folgt, etwa in den gitterbewehrten Balkonen, vor allem Beispielen aus dem Haussmannschen Paris, wo Nouveau an der École des Beaux Arts und bei Laloux studiert hatte. Nach mehreren Zwischenbesitzern kam der Bau 1978, als seine Fassade als erstes Haus des Plateau Bourbon unter Denkmalschutz gestellt wurde, in den Besitz der Banque Internationale de Luxembourg (BIL), welche ihn, unter Eingriffen vor allem in die Dachgestaltung, außen restaurierte und innen völlig umgestaltete. Das 1913/1914 durch den Architekten Jean Warken errichtete, von dem Luxemburger Lehrer Adam Molitor in Auftrag gegebene Hotel Molitor (28, Avenue de la Liberté) spiegelt die gleiche Anlehnung an französische Vorbilder wider. Die Eck-Kuppel (vgl. auch an den Häusern Kersch, Nummer 17, und Genevo und Mreches, Nummer 6, Avenue de la Liberté), typisch auch für viele Pariser Eckbauten der Haussmann-Zeit, besaß ursprünglich noch einen zweigeschossigen Aufsatz, die Renovierungen der Jahre 1965/1966 und 1974/1975 griffen in die Fassade jedoch nicht stärker ein. Im Ensemble mit den Nachbarhäusern repräsentiert auch das Hotel Molitor den Eklektizismus des Luxemburger Historismus, der in starkem Maße auch belgische, ihrerseits aus Paris beeinflußte Muster aufgriff. Das 1910 gleichfalls von Warken errichtete benachbarte Haus Wirtz, heute im Erdgeschoß verändert, ist weitaus reicher ausgestattet als das Hotel Molitor, bei dem der Bauherr einen Teil der geplanten Dekorationen schließlich eingespart hatte. Ein in einem Balkon endender doppelgeschossiger Erker, reiche Ornamente mit Kranzkonsolen, Blendbogen um die Fenster, Pilaster mit korinthisierenden Kapitellen, Masken über den Fenstern im zweiten Geschoß lehnen sich neben französischen Modellen auch an Vorbilder aus Brüssel an, Wirkung von Warkens Studien im belgischen Löwen. Demgegenüber weist die ehemalige Konditorei Weber (Haus Nummer 28), 1908 das erste Werk des an der Académie Royale des Beaux-Arts in Brüssel ausgebildeten Léon Bouvard, eine nüchternere Fassadengliederung mit geometrischen Ornamenten und roten Backstein-Blendarkaden auf, die lediglich im Dachgeschoß auch Laubwerk und Füllhörner einbezieht. Auch hier sind belgisch-flämische Vorbilder deutlich. Backstein nach belgischer Manier wurde an anderen Fassadenteilen auf dem Plateau verwendet, beispielsweise an Haus 12. Historistische Architektur sammelte ihre Elemente aus verschiedensten europäischen Traditionen. Unmittelbare Einflüsse in der Fassadengestaltung auf dem Plateau Bourbon verweisen, wie Antoinette Lorang im einzelnen gezeigt hat, jedoch vor allem auf französische und belgische Vorbilder. Straßenführung auf dem Plateau BourbonIst die Wohn- und Geschäftshausarchitektur jedenfalls in ihren Fassaden vor allem französisch und belgisch geprägt, bei im einzelnen sehr unterschiedlichen Formen, so zeigt die Straßenführung eine Überlagerung von deutschen und französischen städtebaulichen Einflüssen. Das hängt mit dem Vorsprung moderner Stadtplanung in Deutschland gegenüber dem übrigen Europa um die Jahrhundertwende zusammen. Ein rein quadratisch konzipiertes Rastersystem war zunächst auch für das Plateau Bourbon vorgesehen gewesen. Mit der – aus allerdings eher topographischen als konzeptionellen Gründen geknickten – Avenue de la Gare, welche den Bahnhof an den Altstadtkern anbindet, und der Avenue de la Liberté, welche den auf der Altstadtseite der Petruss liegenden Boulevard Royal südlich des Tales schnurgerade bis zum neuen Bahnhof fortführt, lag auch diese Planung zunächst fast ganz in Haussmannscher Tradition. Im Wohnviertel direkt gegenüber dem Bahnhof sind die rechteckigen Rasterpläne auch ausgeführt worden. Tatsächlich sieht das Viertel insgesamt heute aber großteils anders aus. Zahlreiche Straßen auf dem Luxemburger Plateau Bourbon sind geknickt oder gekrümmt: Rue Michel Welter, Rue d’Anvers, Rue Adolphe Fischer gehören zu ihnen ebenso wie Rue Sainte-Zithe, Rue Michel Rodange oder – allerdings hier zugleich geländebedingt – Rue des États-Unis. An ihrem Ende perspektivisch durch Querbauten gebrochen sind etwa Rue Bender, Rue du Plébiscite, Rue de la Grève oder Rue Dicks. Es geht hier, wie die frühen Rasterpläne belegen, insgesamt nicht um topographische Zwänge. Sondern unter dem direkten Einfluß des Kölner Städteplaners Joseph Stübben verschmolzen die in den großen Avenuen de la Liberté und de la Gare verkörperten französischen Städtebauprinzipien des 19. Jahrhunderts mit Konzepten des deutschen künstlerischen Städtebaues – anders als in den Dekorationen und Fassadengliederungen ist das allerdings nur erkennbar, wenn man die internationalen städtebaulichen Grundsatzdebatten der Zeit kennt. Quellen und weiterführende LiteraturLorang, Antoinette, Plateau Bourbon und Avenue de la Liberté. Späthistorische Architektur in Luxemburg, Luxemburg 1988.
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