Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Verbundbergwerk Ensdorf

Ensemble Schachtanlage Duhamel, Ensdorf; Ensdorfer Schacht, Am Howatt, Eisenbahnschacht, Alleestraße 20, sowie Ney-Schacht, Hauptstraße am Ortsausgang Richtung Schwarzenholz, Schwalbach

Schon im frühen 18. Jahrhundert wurde auf dem Ensdorfer Bann nach Kohlen gegraben. Die preußische Bergbauverwaltung ließ den ersten Tiefbauschacht der damaligen Grube Schwalbach 1826 abteufen. 1842 kam ein 2350 m langer Transportstollen zur Saar hinzu. Dieser Stollen verbesserte die bis dahin ungünstige verkehrstechnische Lage der Grube. Das Mundloch des Stollens, in zeittypisch aufwendiger Gestaltung, wurde vor wenigen Jahren restauriert. Es ist das älteste Beispiel für die repräsentative Architektur der Stollenmundlöcher im 19. Jahrhundert und befindet sich in einer Parkanlage hinter dem Ensdorfer Rathaus. Der Eisenbahnschacht in Schwalbach wurde 1857–1861 abgeteuft. Die Tagesanlagen des Eisenbahnschachtes inklusive der Waschkaue wurden 1989 größtenteils abgerissen. Die erhaltenen denkmalgeschützten Gebäude, die sogenannte Schreinerei (ca. 1857–1861) und die Kompressorenhalle (ca. 1879), werden heute als Schule genutzt. Nahe den Gebäuden befinden sich ein Brunnen mit dem Bergmannssymbol (Schlägel und Eisen, gekreuzt) sowie das Stollenmundloch des Kettenstollens (Querverbindung zum Ensdorfer Stollen). Zwischen 1861 und 1913 wurden weitere Schächte abgeteuft. Im Zuge der intensiven Ausbaupolitik der preußischen Grubenverwaltung wurde die Schachtanlage in Ensdorf während des 19. Jahrhunderts mehrfach erweitert, gegen Ende des Ersten Weltkrieges entstanden auch neue Tagesanlagen. Die Waschkaue und das Zechenhaus wurden 1989 abgerissen. Die erhaltenen Gebäude prägen bis heute das Bild der Grube über Tage und stehen als Ensemble unter Denkmalschutz. Fördermaschinenhaus, Fördergerüst und Kompressorenhalle wurden 1917 bis 1918 errichtet. Die Gebäude sind stilistisch aus einem Guß: die Kompressorenhalle mit ihren Rundbogenfenstern, Lisenen und Friesen beherbergt heute eine Werkstatt. Das Fördermaschinenhaus trägt architektonisch der technischen Bedeutung der Fördermaschine als Herz der Grube Rechnung: Zu beiden Seiten des stark vorspringenden Mittelrisaliten sind zwei Seitenflügel mit Rundbogenfenstern angeordnet, allerdings wurde das ursprüngliche turmartige Dach zwischenzeitlich durch ein flacheres Pyramidendach ersetzt. Im Innern befinden sich technikgeschichtliche Raritäten, die immer noch in Funktion sind: zwei Dampffördermaschinen aus den Jahren 1918 und 1936, produziert von der Zweibrücker Maschinenfabrik Dingler. Das Fördergerüst von 1917 wurde 1936 verstärkt und dabei technisch nur geringfügig verändert. Seine Fachwerkkonstruktion ist typisch für die Fördergerüste des Saarbergbaues bis etwa 1930. Der letzte unter preußischer Verwaltung abgeteufte Schacht der Grube Ensdorf war der Saarschacht, der von der französischen Grubenverwaltung in Duhamelschacht umbenannt wurde, nach einem der Bergingenieure Napoleons, die den ersten Bergatlas des Saarreviers angefertigt hatten. Wie die preußische Bergwerksverwaltung führten auch die Mines Domaniales eine Ausbau- und Modernisierungspolitik im Saarbergbau durch. Dazu gehörte in Ensdorf die Errichtung eines neuen Zechenhauses (1924, heute unter Denkmalschutz), von dem heute nur noch die neoklassizistische Fassade mit Portikus im Originalzustand erhalten ist, und 1925 die Erklärung der Schachtanlage Duhamel zum selbständigen Bergwerk. Der Ostschacht, 1867 als Wetterschacht abgeteuft, wurde erst nach 1920 zum Förderschacht ausgebaut (ca. 1924) und in Ney-Schacht umbenannt, nach dem aus Saarlouis stammenden napoleonischen Marschall Michel Ney. Von den Tagesanlagen sind noch einige denkmalgeschützte Gebäude und Maschinen vorhanden: das neoklassizistische Fördermaschinenhaus mit elektrischer Fördermaschine von 1927 von Forges et Ateliers de Constructions Électriques de Jeumont-Nord; die tempelartige Kompressorenhalle mit mehreren Maschinen, u.a. Kolbenkompressor 1923 von Ehrhardt & Sehmer, AEG-Turbokompressoren von 1937; das Fördergerüst von ca. 1924 mit gerundetem Kranaufbau und jüngeren Verstärkungen (1939, 1958, 1972); der Wasserturm mit genietetem Hängebodenbehälter (um 1900), der ca. 1928 nach Schwalbach gebracht wurde. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges diente der Transportstollen zwischen Ensdorf und Schwalbach mindestens 2500 Menschen aus der Umgebung als Schutz vor Luftangriffen und den Rückzugsgefechten der deutschen Truppen, die im Dezember 1944 in die entscheidende Phase traten. In den Jahren zuvor hatte man, wie überall im Saarland, die großenteils schon vorhandenen, teils auch selbst gegrabenen Stollen und Felsenkeller nur bei Fliegeralarm aufgesucht. Als sich im Herbst 1944 das Ende des nationalsozialistischen Regimes abzeichnete, lebten die Menschen monatelang in diesen Zufluchten, bis zum Kriegsende im März, als das Saarland ganz von den Amerikanern besetzt war. In Ensdorf wäre es um ein Haar noch zu einer Katastrophe gekommen. Die deutschen Truppen auf dem Rückzug drohten den Stollen trotz der darin befindlichen Menschen zu sprengen. Die Hauptkampflinie verlief zu diesem Zeitpunkt bereits so weit im Saarland, daß die Amerikaner mit Hilfe des Stollens bis hinter die deutschen Linien hätten vordringen können. Die Stollenbewohner sandten eine englisch sprechende Frau aus Ensdorf als Botschafterin zu den Amerikanern. Diese konnten noch rechtzeitig bis zum Stollen vorstoßen, um die Menschen in Sicherheit zu bringen. Der Schriftsteller Stefan Heym setzte dieser Frau später in seinem Roman „Der bittere Lorbeer“ ein literarisches Denkmal. Nach dem Zweiten Weltkrieg legte die französische Grubenverwaltung 1957 im Zuge umfangreicher Rationalisierungsmaßnahmen die Gruben Duhamel und Griesborn zum Bergwerk Ensdorf zusammen, während zur gleichen Zeit im benachbarten lothringischen Kohlebecken umfangreiche Ausbaumaßnahmen im Rahmen der Modernisierung der französischen Schwerindustrie erfolgten, so etwa im Bergwerk de Wendel (Petite-Rosselle bzw. Kleinrosseln). Heute ist das Verbundbergwerk Ensdorf eines der zwei letzten noch offenen Bergwerke des einstigen Saarreviers; nach der Schließung der Grube Göttelborn (1. September 2000) stellt es an der Saar zusammen mit dem Verbundbergwerk Warndt den vorläufigen Endpunkt jahrzehntelanger Rationalisierungspolitik in der Montanindustrie dar.

Quellen und weiterführende Literatur

Oberhauser, Fred, Das Saarland, Kunst, Kultur und Geschichte im Dreiländereck zwischen Blies, Saar und Mosel, 2. Auflage, Köln 1999, S. 40 und 152.

Schmitt, Armin, Denkmäler saarländischer Industriekultur. Wegweiser zur Industriestraße Saar-Lor-Lux, 2. Auflage, Saarbrücken 1995, S. 42f. und 56.

Seck, Doris/Peters, Paul, Die Stunde Null. Das Kriegsende an der Saar, Saarbrücken 1986, S. 21f.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 45, 208f. und 311.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.