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Gerhild KrebsNapoleonbrunnen BlieskastelKardinal-Wendel-Straße, BlieskastelBaugeschichteDer aus Sandstein gefertigte Brunnen wurde zu Ehren von Kaiser Napoleon I. anläßlich seiner Krönung am 2. Dezember 1804 von der Blieskasteler Kantonsverwaltung auf dem Marktplatz aufgestellt. Über einem dreigeteilten niedrigen Brunnenbecken erhebt sich ein Obelisk, der an der Spitze mit Festons geschmückt und im unteren Drittel von einer Schlange umrankt ist. Das Wasser kommt aus dem Maul der Schlange, deren Kopf aus dem Obelisk herausragt. Die goldfarben verstärkte, eingravierte Inschrift lautet: „A Napoléon Premier, Empereur des Français. Le Canton de Bliescastel le 28e Floréal An XII“. Die Inschrift bezieht sich nach dem französischen Revolutionskalender auf den 18. Mai 1804, an dem Napoleon in St. Cloud der Senatsbeschluß übergeben wurde, der ihn zum Kaiser der Franzosen erklärte. Die Aufstellung des Brunnens fiel in die Amtszeit von Bürgermeister Toussaint Lamarche (Spätsommer 1803 bis etwa 1807/1808). Der Napoleonbrunnen wurde 1922 restauriert. Dies geschah, wie im Konservatorbericht eigens vermerkt wurde, auf Anregung von Victor Rault (Lyon), dem damaligen Präsidenten der Regierungskommission des Völkerbundes (Konservatorbericht für das Saargebiet 1931, S. 96). 1939 wurde die mit Farbe verstärkte Inschrift mit der ursprünglichen Datumsangabe „28 Floréal An XII“ entfernt und 1946 neu eingeschlagen. Dabei entstand ein Schreibfehler in der Datumsangabe (25 statt 28 Floréal). Der zwischenzeitlich erneut restaurierte, denkmalgeschützte Brunnen heißt im Volksmund auch Schlangenbrunnen. Die Schlange auf dem Blieskasteler Brunnen ist als allegorischer Appell an Napoleon aufzufassen, den 1793/1794 annektierten Saarraum weise zu regieren. Der Napoleonbrunnen markiert damit einen wichtigen Einschnitt in der Geschichte Blieskastels. Stilistisch steht der Brunnen ebenfalls an der Schwelle einer neuen Zeit. Bisher hatte die regionale Baukunst eher noch spätbarocken Formen den Vorzug gegeben und sich damit zeitlich rückwärts gewandt, hier baute man mit bewußter politischer Absicht im neuen Empire-Stil. Der Obelisk und die Schlange greifen zwei ikonographische Motive der altägyptischen Religion und Kunst auf. Sie spielen auf Napoleons Ägyptenfeldzug an, der den Beginn der Archäologie als Wissenschaft markierte und sich stark auf die Kunst seiner Zeit auswirkte. Der Zustrom neuen Wissens über Ägypten führte in der europäischen Kultur zur Wiederentdeckung der altägyptischen Kunst und zur Ägypten-Mode, deren Ausläufer bis heute fortwirken, etwa in der Faszination für das Gold und die Gräber der Pharaonen. Die vielen Beutestücke, die Napoleon aus Ägypten mitgebracht hatte, wurden seither an vielen Orten kopiert, je nach den vorhandenen künstlerischen und finanziellen Möglichkeiten. Der schlichte, handwerklich solide ausgeführte Schlangenbrunnen demonstrierte eine weltoffene Vertrautheit mit aktuellen kulturellen Geschehnissen von großer Tragweite. Die Motive von Obelisk und Schlange in der kleinen Provinzstadt und früheren Residenz zu benutzen, bedeutete ikonographisch eine Abkehr von der christlich geprägten Herrschaftssymbolik des Alten Reiches. Angesichts von Blieskastels Tradition als Wallfahrts- und bisheriger Klosterstadt (bis zur Klosterauflösung 1802) war dies in mehrfacher Hinsicht ein bedeutungsvoller gesellschaftspolitischer Schritt. Er läßt sich mittelbar als Anerkennung von antichristlichen Inhalten revolutionärer Rhetorik deuten. Quellen und weiterführende LiteraturEid, Ludwig/Krämer, Wolfgang, Reichsgräfin Marianne von der Leyen geb. von Dalberg, Saarbrücken 1937. Legrum, Kurt, Festschrift 900 Jahre Blieskastel, Blieskastel 1998, S. 30–34 und 56–58; die Verfasserin dankt an dieser Stelle Herrn Stadtarchivar Kurt Legrum (Blieskastel), für die Hinweise zur Kranzniederlegung 1918 und den Veränderungen an der Inschrift. Legrum, Kurt, Spaziergang durch die gräflich-leyensche Residenz Blieskastel, St. Ingbert 1995 (Wege in die Region, Bd. 3), S. 24f. und 62f.; Anmerkung: Durch einen Fehler bei der Drucklegung wurde das Manuskript des Verfassers versehentlich verändert, so daß auf S. 25 fälschlich auf das Datum der Kaiserkrönung am 2. Dezember 1804 verwiesen wird. Linsmayer, Ludwig, Politische Kultur im Saargebiet 1920–1932, St. Ingbert 1992. Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8. 1996, S. 23.
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