Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Widerstand von Frauen in Forbach und Metz

Restaurant/Hotel Haus Kreutzberg, Kreutzberg, Forbach (1933–1943)

Das Hotel/Restaurant Haus Kreutzberg am östlichen Stadtrand von Forbach, von jeher ein beliebtes Ausflugsziel der Forbacher Bevölkerung, wurde von Familie Walter-Haman betrieben. Hier wohnten zeitweise der kommunistische Lyriker und Journalist Erich Weinert und seine Frau. Das Ehepaar Weinert war aus dem Reich geflüchtet, am 1. Oktober 1933 an die Saar und dann nach Forbach gekommen, um die saarländische KPD angesichts der bevorstehenden Abstimmung über das Schicksal der Saar (13. Januar 1935) im Abstimmungskampf zu unterstützen – gegen die massive, vom NS-Staat gesteuerte Propaganda der Deutschen Front, die für die Rückgliederung an Deutschland eintrat. Zur Sicherheit gegen Attentate von Nationalsozialisten wohnte das Ehepaar Weinert auf dem Kreutzberg zwar ganz nahe bei Saarbrücken, aber doch auf französischem Boden; eine Distanz, die notfalls zu Fuß zurückgelegt werden konnte. Weinert, als Dichter und charismatischer Redner der Arbeiterbewegung seit den 1920er Jahren bekannt, hielt innerhalb von 16 Monaten über 200 Leseabende an der Saar, in denen er für den Erhalt des Status Quo warb, also für die Fortführung der dort seit 1920 bestehenden internationalen Verwaltung des Völkerbundes. Weinert sprach auch auf den beiden zentralen Kundgebungen der Einheitsfront am 26. August 1934 in Sulzbach und am 6. Januar 1935 im Stadion Kieselhumes in Saarbrücken. Die Einheitsfront von Kommunisten und Sozialdemokraten war Anfang Juli 1934 auf Drängen der jeweiligen Parteibasis zustande gekommen. Während das antifaschistische Wirken Erich Weinerts und anderer Männer der politischen Linken meist gut erforscht ist, auch wenn es vielfach ein Wirken im Hintergrund war, kann man das Gleiche bezüglich der Frauen dieser Zeit nicht sagen. Frau Weinert, ebenfalls aktive Kommunistin, freundete sich während ihrer Forbacher Zeit mit ihrer Vermieterin Marie Haman geb. Walter an. Am 13. Januar 1935 stimmte die saarländische Bevölkerung mehrheitlich für die Rückgliederung an das Deutsche Reich. Die Weinerts beschlossen, Frankreich umgehend zu verlassen und in die Sowjetunion (UdSSR) zu gehen. Frau Weinert, inzwischen als Ansagerin bei Radio Moskau, wechselte bis Kriegsbeginn 1939 etliche persönliche Briefe mit der Freundin in Forbach. Marie Haman hob die Briefe auf, die natürlich auch Kommentare zur politischen Situation enthielten. Marie Haman war während der deutschen Besatzungszeit (1940–1944) zusammen mit ihrem Vater Pierre Walter Mitglied in einer Forbacher Widerstandsgruppe. Die Gruppe organisierte 1941/1942 die Flucht von französischen Kriegsgefangenen aus dem Forbacher Zweiglager Stalag XII F, das in den Gebäuden der Chasseurkaserne an der damaligen Adolf-Hitler-Straße untergebracht war. Diese Gebäude an der heutigen Rue Nationale waren 1892–1918 Teil der deutschen Garnison Forbach gewesen, wurden Ende des Zweiten Weltkrieges bei Angriffen beschädigt und später abgerissen. Die Forbacher Résistance-Gruppe wurde nach Denunziationen 1942 und 1943 von der Gestapo infiltriert. Vier Mitglieder wurden Ende 1942 verhaftet, ein Mitglied in Œting erschossen. Marie und ihr Vater wurden 1943 verhaftet und in das Grand Séminaire in Metz gebracht, das zum Gefängnis umfunktioniert worden war. Bei ihren Hausdurchsuchungen fielen der Gestapo die Weinert-Briefe in die Hände. Die bisherigen Anklagepunkte (Résistance-Mitgliedschaft und Fluchthilfe) wurden um den der Spionage erweitert. Pierre Walter wurde ins KZ Struthof und von dort ins KZ Flossenbürg gebracht, wo er im Mai 1945 befreit wurde. Marie Haman wurde mit Hilfe von Frau Dr. med. Burger, Ärztin und Ehefrau des führenden lothringischen Résistancekämpfers „Mario“ alias Dr. med. Burger, die eine falsche Diagnose stellte, in das Metzer Hospital Bon Secours gebracht. Maries Cousine Frau Kaas und die gebürtige Forbacherin Frau Durrenberger, die zu dieser Zeit in Metz wohnte, halfen ihr, von dort zu entkommen. Nach einer längeren Flucht erreichte Marie Haman Paris, wo sie den Krieg überlebte.

Quellen und weiterführende Literatur

Bies, Luitwin, Klassenkampf an der Saar 1919–1935. Die KPD im Saargebiet im Ringen um die soziale und nationale Befreiung des Volkes, Frankfurt a.M. 1978.

Flauss, Jean-Claude, La chronique du siège. Chronicle of the siege, Saaralbe 1995, S. 7–8.

Schock, Ralph, „Schlagt Hitler an der Saar!“, Formen kultureller Gegenöffentlichkeit im Abstimmungskampf 1933–1935, in: Zehn statt Tausend Jahre. Die Zeit des Nationalsozialismus an der Saar (1935–1945). Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloß, Saarbrücken 1988, S. 27–34, insbesondere 28–29.

Zenner, Maria, Parteien und Politik im Saargebiet unter dem Völkerbundsregime 1920–1935, Saarbrücken 1966.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.