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Rainer HudemannBahnhof von Metz1, Place du Général De Gaulle, Metz1908 wurde der alte Metzer Kopfbahnhof – heute als Markthalle ganz in der Nähe genutzt – durch einen gewaltigen neuen Bahnhof in neo-romanischem Stil ersetzt. Er erlaubte einen durchgehenden Bahnverkehr in Nord-Süd-Richtung, entsprechend der Militär-Bahnlinie von Koblenz über Trier und Thionville (Diedenhofen). Die deutschen strategischen und wirtschaftlichen Interessen im annektierten Reichsland führen so noch heute dazu, daß der Verkehr auf der Ost-West-Achse in Metz die Fahrtrichtung wechseln muß. Die gewaltigen Dimensionen des Bahnhofs mit seiner 300 m langen Front sind – wie seine Positionierung im Quartier de la Gare – auf die militärische Funktion zurückzuführen: er war wichtigster Truppenumschlagplatz für die Westfront. Andere Bahnhöfe der Region wie Trier, die gleichfalls im Hinblick auf die zu versorgende Bevölkerung der Stadt weit überdimensioniert sind, verdanken dies der gleichen Funktion nach der Jahrhundertwende. Wilhelm II. hat sich in die Planung des Metzer Bahnhofes, für die der Berliner Architekt Jürgen Kröger verantwortlich zeichnete, bis in Details eingeschaltet. Unter anderem legte er die Gesamt-Ausführung in neo-romanischem Stil fest, unter Absage an die Jugendstil-Elemente in Krögers ursprünglichem Entwurf für die Außengestaltung. Jugendstil-Elemente finden sich allerdings vielfach in der Dekoration. Im Mitteltrakt ließ der Kaiser sich einen eigenen Pavillon einrichten; in seinen Glasfenstern, die auf mittelalterliche Motive zurückgreifen, vermischen sich deutscher Herrschaftsanspruch und Jugendstil, beispielsweise in der Darstellung Karls des Großen. Die Gesamtanlage des Bahnhofes, der in graugelbem Vogesensandstein aus Niderwiller aufgeführt wurde, trägt Elemente verschiedenster Herkunft zusammen. Staufische Kaiserpfalzen, vor allem Goslar im Harz, dienten als Gesamtvorbild; die Dekoration greift auch karolingische Vorbilder auf, nicht zuletzt in Anspielung auf Bischof Arnulf von Metz als Stammvater der Karolinger. Die Grenzraumlage wird dadurch indirekt illustriert, daß im Osten, wo die deutsche Herrschaft über eine mehrheitlich ausländische Bevölkerung noch weit problematischere Züge aufwies als in Lothringen, mit dem Königlichen Schloß in Posen 1905–1910 ein ganz ähnlicher Bau entstand. Romanische Herrschaftsarchitektur findet sich mit vielen Elementen, die auch in Metz aufgegriffen wurden, ebenso im Rheinland: so in Koblenz am Königlich Preußischen Regierungsgebäude mit dem seinerseits stilistisch auf die Eifel-Abtei Maria-Laach zurückgreifenden Turm, oder an der gleichfalls turmbewehrten Hohenzollernbrücke in Köln. Wie der Hauptbahnhof und die Großbauten am Kaiserplatz in Straßburg, ist auch der Metzer Hauptbahnhof aber keine reine Replik mittelalterlicher Vorbilder. Im Gegenteil: Die Fülle von Dekorationen im Inneren und an den Außenfassaden vereinen historische Motive mit Symbolen des aktuellen Lothringen, vor allem seiner Industrie und Landwirtschaft, und sie greifen stilistisch auch Formen des Jugendstils auf. So zeigen die Säulenkapitelle am Erdgeschoßfenster des Turmes ein Automobil, ein Dampfschiff, eine Lokomotive und einen Zeppelin als Symbole des modernen Verkehrs. Der Wille zur Modernisierung dieses Landes und zur Gewinnung seiner Bevölkerung für das Deutsche Reich manifestierte sich hier in demonstrativer Form. Besonders charakteristisch spiegelt die Geschichte der Roland-Statue am Hauptportal die Überlagerung von politischen Symbolen in dieser Region wider. Allerdings sollte man sich vor einer Überinterpretation der Metzer Architektur im Sinne der deutschen Herrschaft auch hüten. Solche Formen waren vor dem Ersten Weltkrieg in Europa nicht allein Ausdruck deutschen Herrschaftswillens. Der Hauptbahnhof in Kopenhagen wurde im gleichen Gesamtstil wie Metz aufgeführt. Und das repräsentative Treppenhaus der Universität in Sofia ist dem Aufgang zu den Kaisergemächern im Metzer Hauptbahnhof sehr ähnlich. Vor allem in Sofia ist das Ausdruck einer weiteren Kulturtransfer-Schiene: Nach Gründung des Staates Bulgarien im Frieden von San Stefano 1878 hatte eine zunehmende Anzahl von Bulgaren, darunter mehrere den Städtebau und die Hauptstadt prägende Architekten, in Österreich oder Deutschland studiert und Bauformen der Wiener Sezession oder eben auch der deutschen Neo-Romanik in ihr Heimatland zurückgebracht. Metz ist also auch Teil eines Musters der Übertragung von Bauformen, die über politisch abgesicherte und geförderte Stadtplanung wie im annektierten Lothringen weit hinausreichen. Quellen und weiterführende LiteraturSchontz, André, Le chemin de fer et la gare de Metz, Metz 1990. Wilcken, Niels, Architektur im Grenzraum. Das öffentliche Bauwesen in Elsaß-Lothringen (1871–1918), Saarbrücken 2000, S. 121–136.
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