Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Die deutsch-lothringische Unternehmerfamilie Adt

Wohnhaus, Schulstraße, Ensheim/Saarbrücken; Erbbegräbnisstätte, Friedhof Ensheim, Ensheim/Saarbrücken

Aufstieg und Fall dieser Unternehmerfamilie spiegeln die ökonomischen Chancen und Risiken von hiesigen Unternehmern unter den wechselnden Wirtschaftsbedingungen der Kriege und Nachkriegszeiten seit der französischen Revolution. Mit dem Jahr 1969 endete die 200jährige Unternehmensgeschichte der Adt-Betriebe in der Großregion Saar-Lor-Lux in Ensheim, wo sie einst begann. Ob ihr letztliches wirtschaftliches Scheitern tatsächlich symptomatisch für alle Grenzlandunternehmen ist, wie Hans Adt 1978 anläßlich der Veröffentlichung seiner Memoiren meinte, kann bezweifelt werden, betrachtet man die ökonomische Entwicklung regionaler Unternehmerfamilien wie Villeroy & Boch, Stumm oder Röchling, die auch nach 1918 erfolgreich waren. Die Geschäfte der Adts litten allerdings mehr als bei anderen regionalen Unternehmerfamilien unter den Enteignungen in Lothringen 1918 und der doppelten Abtrennung des Saarlandes 1920–1935 und 1945/1947–1957/1959. Wie bei der Eisenunternehmerfamilie Röchling war die Generation, die Mitte des 19. Jahrhunderts das Unternehmen leitete, auf grenzüberschreitendes Handeln und multikulturelles Denken ausgerichtet (Peter III. Adt), jedoch die folgende Generation (Gustav Jakob Adt) auf nationale Konfrontation. In beiden Fällen, bei Röchling wie bei den Adts, wirkte sich diese Haltung negativ auf das Unternehmen aus, wie sich ab 1918 zeigte.

Wohnhaus Familie Adt

Das kleine Eckhaus wird bis heute von einem Mitglied der weitverzweigten Familie Adt bewohnt. An das ehemalige Firmengelände und verschiedene, im Unternehmen tätige Familienmitglieder erinnern in Ensheim gleich mehrere Straßen: Fabrikstraße, Peter-Franz-Adt-Ring, Franzstraße, Eduardstraße.

Erbbegräbnisstätte Familie Adt

Die Erbbegräbnisstätte mißt ca. 7 x 2 m und ist von einer schmiedeeisernen Einfriedung umgeben. In- und außerhalb der Einfriedung befinden sich verschiedene Grabdenkmale, u.a. für Anna Leichtenstern geb. Adt, Familie Eduard Adt, Familie Franz Adt, Margaretha Adt geb. Walter, Peter (III.) Adt und Caroline Herold. Die besondere Stellung von Peter (III.) Adt als Familienoberhaupt und Firmengründer des Werkes Forbach wurde nach seinem Tod 1879 durch ein besonders aufwendiges Ädikulagrab mit Portraitmedaille zum Ausdruck gebracht.

Vier Kriege brachten Erfolg, zwei Kriege Zerfall

Der Adt-Familie gelang es, die französische Revolution, die Koalitionskriege, Napoleons Kriege, den Kaiserkult, die Befreiungskriege und das nach Frankreich hinein ausgedehnte Absatzgebiet für sich zu nutzen: Ein Enkel von Mathias, Peter (II.) Adt, machte ein Vermögen durch sogenannte trophées, aufwendig verzierte Dosen mit Revolutions- und Kriegsszenen sowie Konterfeis berühmter Zeitgenossen.

Das Ende Napoleons wäre fast das Ende der Tabaksdosen geworden. Die königlichen Einfuhrzölle in die bayerischen Stammlande behinderten seit 1826 den bisher lukrativen Absatz nach Franken, Bayern und Schwaben, besonders nach dem Hauptumschlagplatz Nürnberg. In Frankreich waren die Dosen nach Napoleons Sturz schlagartig aus der Mode gekommen, und beiderseits der Grenze herrschte bis zur Jahrhundertmitte eine allgemeine Rezession. Durch den Absatzrückgang auf dem französischen Markt und die Behinderungen auf dem bayerischen Markt sahen sich viele Ensheimer Dosenmacher gezwungen, in andere Teile Deutschlands oder andere Länder auszuwandern. Der Krieg 1870/1871 bildet die erste von zwei großen Zäsuren der Unternehmensgeschichte. Infolge der Kriegshandlungen kam es zunächst zeitweise zum Produktionsstillstand der Adt-Betriebe. Seit 1871 befanden sich die Werke Ensheim und Forbach auf dem gleichen Binnenmarkt, während es für den wichtigen Absatzmarkt Frankreich nun kein Adt-Werk gab. Daher optierte Peter (IV.)/Pierre Adt vor dem festgesetzten Stichtag (1. Oktober 1872) erneut für die französische Staatsangehörigkeit, zog in den französischen Teil Lothringens und eröffnete noch vor Jahresende 1872 ein neues Hauptwerk mit Zulieferbetrieb. Die französische Gruppe bekam einen eigenen Firmennamen, Adt Frères, die beiden deutschen Gruppen firmierten weiterhin unter dem Namen Gebrüder Adt. Von Pierre Adts Familie stammen die französischen Adts ab. Alle drei Gruppen blieben grenzüberschreitend durch Besitzanteile und Geschäftsbeziehungen der inzwischen weitverzweigten Familie Adt verknüpft. Auf der deutschen Seite der Grenze wurde der Firmensitz nach Forbach verlegt, das als wachsende Stadt mit Bahnanschluß im neuen Reichsland Elsaß-Lothringen die besten Entwicklungsmöglichkeiten bot. 1871/1872 bildete das Unternehmen also drei operative, innerlich verbundene Gruppen: eine Gruppe an der Saar mit den Produktionsstandorten Ensheim und Schwarzenacker, die elsaß-lothringische Gruppe mit den Standorten Forbach und Marienau sowie eine neue französische Gruppe mit den Standorten Pont-à-Mousson und Blénod. Die französischen Adts belieferten Frankreich, dessen Kolonialreich und Protektorate, die deutschen die andere Hälfte der Welt. Technische Neuerungen, lukrative Veränderungen in der Produktpalette und sonstige Verbesserungen wurden untereinander kommuniziert und an den anderen Standorten für jeweils andere Märkte adaptiert.

Die freiwillige Teilung des Unternehmens 1872 hatte sich als sehr lukrativ erwiesen. Während der Reichslandzeit gelang es den Hauptzweigen der Adt-Familie in Ensheim, Forbach und Pont-à-Mousson, Interessen und Marktanteile auszugleichen und die Firmenpolitik mit der jeweiligen Staatspolitik zu verbinden. Die wilhelminische Politik in Elsaß-Lothringen und der Erste Weltkrieg verstärkten die Unterstützung der Reichsinteressen durch die deutschen Adts, ohne daß sie deshalb das Firmeninteresse je ignoriert hätten. Die Unternehmensgruppe profitierte zuletzt enorm durch Rüstungsaufträge 1916–1918.

Die zweite kriegsbedingte, jedoch zwangsweise Teilung des Unternehmens 1918/1919 erwies sich als fatal. Von der Zerschlagung des grenzüberschreitenden Konzerns durch die französischen Liquidierungen erholte sich die deutsche Unternehmensgruppe nicht mehr, obwohl neue Betriebe gegründet und in der Adt AG zusammengefaßt wurden. Die stark anwachsende Konkurrenz in der Branche, darunter durch die französischen Adt-Betriebe, wirkte sich negativ aus. In der Familie gab es nach 1918 keine Persönlichkeiten wie Peter (III.), Peter (IV.) oder Gustav Jakob Adt.

Quellen und weiterführende Literatur

Adt, Hans, Aus meinem Leben und der Geschichte der Firma Gebr. Adt, Bad Orb 1978.

Besler, Max, Geschichte des Schlosses, der Herrschaft und der Stadt Forbach, o.O. 1913.

Kloevekorn, Fritz, Saarbrückens Vergangenheit im Bilde, Saarbrücken 1933, S. 308.

Visitez Forbach. L’histoire à travers batiments et sites, o.O. o.J., ungedrucktes Typoskript (hg. von der Ville de Forbach, Vorwort und Redaktion von Jean-Claude Flauss, Forbach, nach 1985). Die Verfasserin dankt Herrn Stadtarchivar Flauss an dieser Stelle für seine freundliche, unbürokratische Hilfe bei der grenzüberschreitenden Recherche, insbesondere durch eine ausführliche Stadtführung und die Überlassung eines von ihm 1995 herausgegebenen Typoskripts über Forbach.

Wilmin, Henri, Les Adt et leurs industries, Sonderdruck aus: Annales de l’Est 13 (1962) 3, in deutscher Fassung und unter deutschem Titel: Adt, Hans (Hg.), Polletti, Axel (Übers.), Henri Wilmin: Die Familie Adt in Forbach, Bad Orb 1979.

Wilmin, Henri, Les Adt Forbach, Sonderdruck aus: Les Cahiers Lorrains 3 (1978), in deutscher Fassung und unter deutschem Titel: Hans Adt (Hg.), Axel Polletti (Übers.), Henri Wilmin: Die Familie Adt in Forbach, Bad Orb 1979.

Anmerkung: Henri Wilmin 1962/1978 und Hans Adt 1978 geben mehrfach die Pfalz als Region an oder sprechen von der pfälzischen Gruppe der Adt-Betriebe. Dieser Sprachgebrauch entspricht dem Gebietsstand bis 1918. Schloß Gutenbrunn liegt zwischen Lautzkirchen und Bierbach nahe Blieskastel und zählte bis 1918 zur bayerischen Rheinpfalz, seit 1935 zum Saarland, ebenso Ensheim, das seit der Bundesgebietsreform 1974 Stadtteil von Saarbrücken ist. Die lothringischen Orte Frauenberg und Bliesschweyen liegen im Bliestal nahe Saargemünd (Sarreguemines). Sie waren weder bayerisch-rheinpfälzisch noch preußisch, sondern gehörten 1871–1918 zum Reichsland Elsaß-Lothringen.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.