Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

„Saarabien“ in der Ära Carl Ferdinand von Stumm-Halberg

Einer der radikalsten Verfolger von sozialistischen Bestrebungen in der Großregion war der Hütten- und Erzgrubenbesitzer Carl Ferdinand Stumm (1836–1901, Neunkirchen bzw. Brebach-Halberg/Saarbrücken). Sein wirtschaftliches Imperium erstreckte sich bis weit nach Lothringen hinein. Zeitgenossen bezeichneten Stumm auch als „König von Saarabien“.

Die soziale Kontrolle, die Stumm jahrzehntelang durch seine Angestellten, Meister und einen Spitzeldienst ausüben ließ, reichte bis in die private Lebensplanung: Wer heiraten wollte, hatte den Hüttenherrn um Erlaubnis zu fragen. Jeder Arbeiter mußte akzeptieren, daß ein Teil seines Lohnes zum Ansparen eines Guthabens auf der Werkssparkasse einbehalten wurde. Die stark entwickelte betriebliche Sozialpolitik umfaßte des weiteren werkseigene Versicherungs- und Wohlfahrtseinrichtungen, aber auch hierbei mußten sich die Arbeiter stets gehorsam verhalten, um eine Entlassung zu vermeiden – in diesem Falle wären alle Guthaben, Rentenansprüche und Vergünstigungen verloren gewesen. Stumm überwachte außerdem den moralischen Lebenswandel der Arbeiterschaft in deren außerdienstlicher Zeit, wie z.B. Kirchenbesuch und Alkoholkonsum. Las ein Arbeiter seiner Hütten oder Erzgruben eine sozialistische Zeitung oder Flugschrift, ob innerhalb oder außerhalb des Betriebs, während oder außerhalb der Arbeitszeit, wurde er sofort entlassen und konnte entsprechend dem „Sozialistengesetz der Saarindustrie“ auch sonst nirgends in der Gegend neue Arbeit finden. Die politische Kontrolle umfaßte ebenso die Stimmabgabe und erfolgte unter anderem durch Meister der Betriebe, welche bei den Reichstagswahlen den Wahlvorständen angehörten.

Als ab etwa 1890 im restlichen Deutschen Reich die Probleme einer restriktiven Politik gegenüber den Gewerkschaften und den Sozialdemokraten längst erkannt waren und immer stärker kritisiert wurden, verhinderte Stumms Macht im Saarraum und in Lothringen noch bis zu seinem Tod im Jahre 1901 einen Aufschwung der gewerkschaftlichen wie auch politischen Arbeiterorganisationen, der auf Reichsebene voll in Gang gekommen war.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.