Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Annette Maas

Europäische Akademie Otzenhausen

Europahausstraße, Nonnweiler

Baugeschichte

1952 wurde in Otzenhausen, unmittelbar an der damaligen Grenze des wirtschaftlich an Frankreich angeschlossenen Saarlandes zur Bundesrepublik Deutschland, der Grundstein für ein Europa-Haus der ersten Stunde gelegt. Das von der Europa-Union Saarland errichtete Europa-Haus Otzenhausen wurde am 22. Mai 1954 feierlich als Begegnungsstätte für die Jugend Europas eingeweiht. Gebaut wurde das Stammhaus der heutigen Europäischen Akademie Otzenhausen von dem Architekturbüro des Saarbrücker Stadtbaudirektors Peter Paul Seeberger, der damals für Schulbauten im Saarland Standards setzte. In Verbindung mit dem Europa-Haus entstand gleichzeitig das kleinere Dependance-Haus, an dem heute noch die Tradition des regionalen Bauens gut zu erkennen ist. 1963 erfolgte unter der Planung des Architekten Carl Holzhauser mit der Errichtung eines zweiten Gebäudes der Ausbau zur Stätte politischer Bildung und deutsch-französischer Zusammenarbeit. 1975 wurde die Tagungskapazität um das dritte Gebäude, entworfen von dem Architekten Hanns Schönecker, ergänzt. Einen vorläufigen Abschluß fanden die Bautätigkeiten am 16. Januar 1993 mit der Einweihung des Europaeums, ein von dem Architekturbüro Schönecker realisiertes Zwölfeck, das die Symbolik der europäischen Flagge aufnimmt. Herzstück bildet das Forum, das mit modernster Seminar- und Tagungstechnik ausgestattet ist und 200 Gästen Platz bietet.

Der Aufbruch des geeinten Europas in das neue Jahrtausend und die damit verbundenen zukunftsweisenden Aufgaben einer modernen Bildungsstätte im Herzen Europas werden zur Zeit begleitet von weiteren Ausbau- und Modernisierungsarbeiten unter der Leitung des Architekten Klaus Clanget.

Die Europäische Akademie Otzenhausen fügt sich mit ihren traditionellen Baukörpern der Nachkriegszeit und der modernen lichten Architektur des Europaeums harmonisch in die Landschaft des Hochwaldes ein. In der parkähnlichen Grünanlage werden die Akademie selbst und ansprechende Skulpturen, u.a. „Die Welle des Lebens“ (1996), eine Marmorskulptur des slowakischen Bildhauers Jaroslav Vacek, durch entsprechende Beleuchtung besonders akzentuiert.

Regionalhistorischer Kontext

Gründe für den Aufbau der heutigen europäischen Informations-, Bildungs- und internationalen Begegnungsstätte für außerschulische Bereiche an der Saar lagen in der wechselvollen Geschichte der Grenzregion sowie im breiten Rückhalt, den die 1949 gegründete Europa-Union im Saarland e.V. vor allem bei jungen Menschen fand. Nach 1945 schien die Saarfrage zur Belastungsprobe zwischen Frankreich und Deutschland und damit auch für die jungen europäischen Einigungsbemühungen zu werden. Das Europa-Haus Otzenhausen sah eine seiner Aufgaben darin, den Vorschlag des französischen Außenministers Robert Schuman zur „Europäisierung der Saar“ zu unterstützen und somit eine europäische Lösung der Saarfrage zu begünstigen. Doch bereits mit den Auseinandersetzungen um die Volksabstimmung vom 23. Oktober 1955 und nach der Ablehnung des Saarstatuts durch die Mehrheit der saarländischen Bevölkerung begannen für die damaligen Europa-Befürworter schwere Zeiten. Das Europa-Haus Otzenhausen war in seiner Existenz bedroht. Nach Streichung aller staatlichen Mittel konnte nur durch das persönliche und finanzielle Engagement der Mitglieder der Europa-Union, durch Spenden aus ganz Europa und durch Vermietung an das Jugendherbergswerk eine drohende Schließung verhindert werden.

Erst mit der Beruhigung der politischen Lage an der Saar konnten ab 1957 neue Konzepte für das Europa-Haus Otzenhausen diskutiert werden. Im Bewußtsein der besonderen geographischen Lage im Dreiländereck und der historischen Verantwortung für eine positive Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen gründete sich am 6. Oktober 1959 der Träger-Verein „Europa-Haus Otzenhausen e.V. – Institut für politische Bildung und deutsch-französische Zusammenarbeit“. 1968 reichte die inhaltliche und konzeptionelle Arbeit im Bereich der außerschulischen europäischen Jugend- und Erwachsenenbildung weit über den Rahmen einer reinen Begegnungsstätte hinaus, so daß unter erstmaliger Verwendung des Begriffs „Europäische Akademie“ das Europa-Haus umbenannt wurde in „Europäische Akademie Otzenhausen e.V. – Institut für Grundfragen der europäischen Einigung, politischen Bildung und deutsch-französischen Zusammenarbeit“ (EAO).

Als Konsequenz der intensiven Beschäftigung mit der Struktur- und Regionalpolitik als wichtige Voraussetzung für die europäische Integration wurde am 15. Oktober 1971 auf Initiative der Europa-Union Saar und der Mitgliederversammlung der EAO das „Institut für regionalpolitische Zusammenarbeit in innergemeinschaftlichen Grenzräumen“ (IRI), heute „Innergemeinschaftliches Regional-Institut ASBL Großregion SaarLorLuxRheinlandPfalz“ ins Leben gerufen. Damit wurde eine Tradition der EAO weitergeführt, die bereits 1958 zur Bildung des „Europäischen Forums Rhein-Mosel“ geführt hatte. Ziel des IRI ist es, eine grenzüberschreitende, gemeinsame europäische Regionalpolitik zu fördern und die Entwicklung der europäischen Großregion Saar-Lor-Lux-Trier-Westpfalz nachhaltig zu unterstützen. Nicht zuletzt dank dieses Engagements der EAO ist heute der Begriff „Saar-Lor-Lux“ zur lebensnahen europäischen Realität geworden.

Die internationale Arbeit der EAO fand ihre Würdigung darin, daß sie seit 1972 Träger des Generalsekretariats der Internationalen Föderation der Europa-Häuser (FIME) ist und alljährlich alle Mitgliedseinrichtungen (derzeit 124 in 29 Ländern) dieser europäischen Dachorganisation zur gemeinsamen programmatischen Arbeit in Otzenhausen versammelt.

Im Zuge der Intensivierung der Grundlagenarbeit und der Ausweitung des eigenständigen Bildungsangebotes wurden zwei Tochterinstitute der EAO gegründet, zum einen 1968 das „Institut für Rhetorik und Methodik“ (IRM), zum anderen 1991 das „Sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut“ (SFI).

Heute bietet die EAO mit ihrem zeitgemäßen und modernen Angebot – auch für die berufliche Bildung – und mit ihrer eigenen Forschungstätigkeit vielfältige Möglichkeiten, sich aktuell und umfassend über die europäische, deutsche und internationale Politik zu informieren und einen aktiven Beitrag zu einem lebendigen Europa der Bürger zu leisten.

Quellen und weiterführende Literatur

Timmermann, Heiner/Metz, Hans Dieter (Hg.), Europa – Ziel und Aufgabe. Festschrift für Arno Krause zum 70. Geburtstag (Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen, Bd. 90), Berlin 2000.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.