Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
    Druckversion (PDF)    
 

Gerhild Krebs

Deutsch-Französischer Garten

Eingänge Deutschmühlental und Metzer Straße, Saarbrücken

Baugeschichte

Unmittelbar nach der Schlacht von Spichern (Spicheren), die unter hohen Verlusten am 6. August 1870 als erste große Schlacht des Krieges 1870/1871 um die militärische Kontrolle des Saartales, der Saarstädte Saarbrücken und St. Johann und des umliegenden Industriereviers geführt worden war, erfolgten die ersten von zunächst 450 Bestattungen gefallener Soldaten in der sogenannten Galgendell in Sichtweite des Schlachtfeldes. Der neue Friedhof wurde von der Stadt Saarbrücken angelegt und unter dem Namen Ehrental am 16. Oktober 1870 eingeweiht. Seit dem ersten Jahrestag der Schlacht auf den Spicherer Höhen beteiligten sich jedes Jahr mehrere Tausend Menschen an den Gedenkfeiern auf dem Schlachtfeld und im Ehrental. Unter anderem wurde im Ehrental an erhöhter Stelle eine große Germania-Figur aufgestellt. Ab 1936 zogen sich quer durch das Wiesengelände im Ehrental die Höckerlinien des Westwalls als Teil der Vorbereitung eines neuen Krieges.

Das Saarbrücker Ehrental und das ehemalige Westwallgelände in seiner Umgebung wurden zwischen 1957 und 1960 nach der Entscheidung über die Rückkehr des Saarlandes zur Bundesrepublik anläßlich der Bundesgartenschau architektonisch umgestaltet. Diese Bundesgartenschau firmierte als binationale Veranstaltung. Im Zeichen der Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich war hier als bleibendes Symbol einer dauerhaften Freundschaft zwischen beiden Staaten eine neue Park- und Freizeitanlage entstanden, die heute Deutsch-Französischer Garten genannt wird. Für die Gestaltung der Gartenschau schrieb das Garten- und Friedhofsamt der Stadt Saarbrücken im Januar 1958 einen Ideenwettbewerb aus. Zum Preisgericht zählten namhafte deutsche und französische Gartenfachleute. Den Vorsitz der deutschen Seite hatte Professor Alwin Seifert (München), den der französischen Seite Gartenarchitekt Pechère (Brüssel). Den ersten Preis erhielt eine Arbeitsgemeinschaft von Ingenieuren und Architekten aus Saarbrücken und Wiesbaden (Bernhard Grothe, Wolfgang Walter, Wolfgang Mörbel und Helmut Kreuzer) der zweite Preis ging an die Arbeitsgemeinschaft der Pariser Gartenarchitekten Jacques Sgard und Gilbert Samel. Die offizielle Eröffnung der Deutsch-Französischen Gartenschau fand am 23. April 1960 unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzler Konrad Adenauer und des französischen Ministerpräsidenten Michel Debré statt.

Regionalhistorischer Kontext

Der Deutsch-Französische Garten an der Straße nach Spichern (Spicheren) und Metz enthüllt auf kleinem Raum den engen Zusammenhang der regionalen Geschichte mit der nationalen Geschichte Deutschlands und Frankreichs seit 1870. Mittelbar brachten das Ehrental und Spicherer Schlachtfeld über Jahrzehnte hinweg schon durch ihre geographische Lage symbolisch zum Ausdruck, was bis nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen Deutschland und Frankreich stand: die Kriege und die unzähligen Gräber von Gefallenen und Kriegstoten beider Länder. Die Erinnerung an die Schlacht von Spichern hatte sich nach 1870 zum Kristallisationspunkt des neuen Nationalgefühls an der Saar entwickelt. Jährlich wurde am Tag der Schlacht aus regionaler Perspektive die für Deutschland so bedeutende nationale Einigung von 1871 neu inszeniert. Besonders der 25. und 40. Jahrestag (1895 bzw. 1910) wurden zu nationalen Festorgien hochstilisiert, mit überbordendem Fahnenschmuck, Ehrenpforten, Reden, Musik und Aufmärschen entlang dichtgedrängter Zuschauerspaliere in Saarbrücken und St. Johann. Die Befreiung der belagerten Heimat durch die deutschen Truppen und die lang ersehnte Wiederherstellung der 1806 verlorenen Reichseinheit als Ergebnisse des Deutsch-Französischen Krieges machten das Schlachtfeld und das Ehrental aber nicht nur zu regionalen Wallfahrtsstätten. Der Mythos Spichern brachte außerdem erstmals Ferntourismus in großem Stil in die Saarstädte. Viele Reiseführer, die ab den 1880er Jahren erschienen, handelten die Saarstädte nur nebenher ab: Am wichtigsten war für Touristen aus anderen Teilen des Deutschen Reiches, das Schlachtfeld mit dem nahen Gasthaus Woll und die Gedenkstätte im Ehrental zu sehen. Weitere Pilgerstätten waren daneben das Winterbergdenkmal, die Gemälde Anton von Werners (Berlin) im Sitzungssaal des Rathauses der Stadt Saarbrücken, die Spichern glorifizierten und als Dank des Kaisers und Preußens der Stadt Saarbrücken geschenkt worden waren, sowie der ausgemalte Festsaal des Rathauses der Stadt St. Johann, dessen Darstellungen ebenfalls die Reichsgründung mythisch überhöhten.

Der Mythos Spichern wurde mit Hilfe der Totenehrung lebendig gehalten. Prominente und weniger bekannte Tote, die während der Schlacht eine Rolle gespielt hatten, von denen manche aber erst mehrere Jahrzehnte später starben, wurden teilweise direkt im Ehrental nachbestattet, ihre Gräber mit kleinen oder größeren Denkmalen geschmückt. Teilweise wurden sie nach einer Bestattung an anderen Orten dorthin umgebettet. General Pestel wurde 1906 Ehrenbürger der Saarstädte, eine Straße wurde nach ihm benannt. Das Grab von Katharina Weisgerber (1818–1886) blieb das einzige Frauengrab. Die Saarbrücker Dienstmagd, nach der Familie ihrer Dienstherren überall nur Schultze Kathrin genannt, wurde damit posthum für ihre Pflege der Verwundeten auf dem Schlachtfeld geehrt, die sie – angesichts des Versagens des militärischen Sanitätsdienstes – in aufopfernder Weise unter Gefahr für das eigene Leben geleistet hatte. Auch andere Frauen Saarbrückens hatten dies getan; einige waren dafür wie Weisgerber vom preußischen Staat mit Verdienstmedaillen ausgezeichnet worden. Ungeachtet dieser ideellen Anerkennung starb Weisgerber vergessen, krank und so arm, wie sie als ledige Dienstmagd jahrzehntelang gelebt hatte. Erst nach ihrem Tod wurde für das „heldenmütige Mädchen“ wie es zeitgenössisch hieß, durch Spenden nach einem Aufruf in der Saarbrücker Zeitung ein „würdiges“ Grab im Ehrental finanziert.

Nach dem Versailler Friedensvertrag wurde das Ehrental erneut zum Ort der symbolischen Inszenierung nationaler Identität. Die Gräber der Toten wurden nun für halb trotzige, halb drohende Gedenkfeiern im Zeichen eines radikalisierten Nationalismus benutzt. Solchen Feiern dienten die Gräber des Ehrentals auch während der gesamten nationalsozialistischen Zeit.

Vom Kriegerfriedhof zum friedlichen Zeichen von Freundschaft und Verständigung

In einer Liste der Deutschen Kriegsgräberfürsorge heißt es im Jahre 1970 über die Denkmäler im Deutsch-Französischen Garten: „66 Angaben. Es [das Ehrental, Anmerkung von Gerhild Krebs] birgt 558 deutsche und französische Toten [sic] und ist mit das am besten instand gehaltene Gräberfeld von Kriegstoten auf deutschem Boden.“ Seit 1974 kamen durch Eingemeindung im Zuge einer bundesweiten Verwaltungsreform mehrere Städte und Gemeinden zur Landeshauptstadt hinzu, deren Orte der Erinnerung an die drei Kriege sich seither ebenfalls auf dem Stadtgebiet von Saarbrücken befinden. Bis heute trifft man quer durch Saarbrücken überall die Spuren des Kriegsgedenkens. Manche sind offensichtlich, andere kennen nicht einmal viele Einheimische: so das versteckt liegende Fliegerdenkmal im Wald bei Scheidt, das große Kriegerdenkmal auf dem alten Malstatter Friedhof, den von unbekannter Hand aus dem Fels gemeißelten Soldatenkopf im Wald an der Universität, oder die vielen Kriegerdenkmale und Gedenktafeln zwischen Bübingen und Dudweiler, Fechingen und Altenkessel. Im weiteren saarländischen Umfeld trifft man zwischen Homburg und Nennig, zwischen Hanweiler und Bierfeld auf Hunderte von Denkmalen, Einzelgräbern und Gräberfeldern. Einzelne Gräber beziehen sich auf die Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon, einige Gräberfelder und Denkmale auf den Deutsch-Französischen Krieg, die weitaus meisten gedenken der Toten des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Genauso verhält es sich in Lothringen – jede Stadt und jedes Dorf trägt dort die Narben dieser Kriege, allen voran Metz und Spicheren.

Die Denkmale von 1870 im Deutsch-Französischen Garten wurden 1960 bewußt in diesen Freizeitpark integriert als mahnendes Sinnbild für eine friedliche Erinnerung an die Vergangenheit. In diesem Verständnis finden hier bis heute offizielle Gedenkfeiern, Kranzniederlegungen im Rahmen der Gedenktage und ähnliche Veranstaltungen statt. Im Alltagsleben der meisten Menschen, die heutzutage den Park besuchen, spielt jedoch der historische Zusammenhang seiner Entstehung keine Rolle mehr.

Quellen und weiterführende Literatur

Keinhorst, Annette, Schultze Kathrin. Eine polemische Saarbrücker Spurensuche, in: dies./Messinger, Petra (Hg.), Die Saarbrückerinnen. Beiträge zur Stadtgeschichte, St. Ingbert 1998 (Schriftenreihe Geschichte, Politik und Gesellschaft der Stiftung Demokratie Saarland, Bd. 2), S. 349–354.

Loch, Bernd, Der Deutsch-Französische Garten in Saarbrücken. Geschichte und Führer, Saarbrücken 2000.

Wittenbrock, Rolf, Die drei Saarstädte in der Zeit des beschleunigten Städtewachstums (1860–1908), in: Ders. (Hg.), Geschichte der Stadt Saarbrücken, Bd. 2, Saarbrücken 1999, S. 11–130, dort S. 26–28.

Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK), Saarbrücken, Handordner „1870/71“, erstellt 1970, unpaginiert.

Der Dank der Verfasserin gilt an dieser Stelle Herrn Theobalt, Leiter des VDK Saarbrücken, der sie 1994/1995 bei ihren Recherchen zur Vorbereitung einer Ausstellung des historischen Museums tatkräftig unterstützte.

 

>> zurück zum Seitenanfang

   
   
   
Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.