Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung
   
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Gerhild Krebs

Maximiliansäule Blieskastel

Tiergartenstraße, Blieskastel

Baugeschichte

Im Jahre 1823 ließ die Stadt Blieskastel in der heutigen Saargemünder Straße an der Kurve bei der damaligen Ziegelei eine leicht konvexe, 6,20 m hohe und sechs Tonnen schwere, schlichte Sandsteinsäule nach dorischem Vorbild mit quadratischem Kapitell errichten. Ihre Aufstellung ging auf die Initiative des Gutsbesitzers und langjährigen Blieskasteler Bürgermeisters Peter Hoffmann zurück und war eine Huldigung an den bayerischen König Maximilian Joseph I. als regierenden Landesvater. Die Inschrift lautet: „Maximiliano Josepho/Patri Patriae/Cives Bliescastellani/MDCCCXXIII“. Damit bedankten sich die Blieskasteler für die einige Jahre zuvor erlassene bayerische Verfassung und eine neue Straße durch ihr Gebiet. Am 2. August 1966 wurde die denkmalgeschützte Säule aus Verkehrsgründen an ihren jetzigen Standort in einer Kurve der unteren Tiergartenstraße verlegt. 1818 hatte König Maximilian eine Verfassung für das neue Königreich erlassen, zu dem seit 1816 auch das östliche Saarland zählte. In der Verfassung war dem neu hinzugekommenen Gebiet als Sonderrecht gegenüber den bayerischen Stammlanden zugesichert worden, daß die bis 1815 geltenden sogenannten Französischen Institutionen beibehalten würden. Dies bedeutete vor allem die weitere Geltung des Code Civil. Während Maximilians Regierungszeit wurde außerdem in Blieskastel die Ausfallstraße in Richtung Biesingen gebaut, „neue Chaussee“ genannt, die heutige Saargemünder Straße. Sie war eine der wenigen Kunststraßen ihrer Zeit und brachte eine enorme infrastrukturelle Verbesserung für die Stadt und das Umland, denn auf der neuen Straße konnte man schneller und mit weniger Erschütterungen fahren. Sie führte von Homburg kommend durch den heutigen Blieskasteler Stadtteil Webenheim, auf einem flutsicheren Damm quer durch die breite und oft überschwemmte Bliesaue und überschritt die Blies auf einer ebenfalls flutsicheren Brücke. Alle Baukosten hatte die bayerische Staatskasse getragen. Anläßlich der Einweihung dieser Straße stellte man die Maximiliansäule auf. Die Brücke wurde gegen Ende des Zweiten Weltkrieges von deutschen Truppen gesprengt. US-Truppen errichteten im März 1945 eine erste Notbrücke, der nach einiger Zeit eine zweite folgte. Im März 1949 war man mit dem dauerhaften Wiederaufbau der Brücke und dem Ausbau der Straße beschäftigt. Als Staatsstraße 1. Ordnung wurde die Saargemünder Straße 1948/1949 vom autonomen Saarstaat bis Habkirchen ausgebaut. Die heutige Bundesstraße 423 erreicht die Grenze wenige Meter weiter in Frauenberg bei Saargemünd (Sarreguemines).

Regionalhistorischer Kontext

Nur knapp 20 Jahre nachdem die Blieskasteler mit der Errichtung des Napoleonbrunnens dem Kaiser Napoleon I. ein huldigendes Denkmal gesetzt hatten, umwarben sie 1823 den bayerischen König Maximilian Joseph I. (1756–1825), der (als Kurfürst Maximilian Joseph IV.) mit Napoleons Hilfe den Königstitel erworben hatte. Die Bewohner des kleinen Landstädtchens Blieskastel hatten zu keinem Zeitpunkt des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts eine rechtswirksame Möglichkeit, auf die politische Zugehörigkeit ihres Ortes und seiner Umgebung einzuwirken. 1814 hatten die Blieskasteler nach Napoleons Abdankung eine Treueerklärung und Huldigung an Philipp von der Leyen, den Nachfolger der 1793 geflohenen Reichsgräfin Marianne, geschickt. Darin gaben sie der Hoffnung Ausdruck, bald wieder wie früher unter leyischer Herrschaft zu stehen. Sie wußten nicht, daß Philipp bereits 1813 von den deutschen Staaten zum „Feind der deutschen Sache“ erklärt worden war, wie es zeitgenössisch hieß. Bayern und Österreich, die den Kanton Blieskastel seit Juni 1814 gemeinsam kommissarisch verwaltet hatten, einigten sich darauf, daß das Gebiet mit Wirkung vom 1. Mai 1816 an Bayern fallen und der Kreisdirektion Zweibrücken unterstellt werden sollte. Die Blieskasteler fanden sich notgedrungen so schnell wie möglich mit der neuen Realität ab. Sie schickten eine Abordnung aus dem Kanton zum angeordneten Jubelfest am 25. Juni 1816 anläßlich von Maximilians Besuch im pfälzischen Zweibrücken. Das „Ehrengarde-National-Bataillon“ gelobte dort im Namen des Kantons Treue und Gehorsam. Am 16. Februar 1825 richtete die Verwaltung von Blieskastel einen Brief an König Maximilian, in dem seine nachträgliche Zustimmung zur Aufstellung der Maximiliansäule erbeten wurde. Der Brief war unter anderem unterzeichnet von Mitgliedern des Stadtrates, die zu leyischer Zeit der Reichsgräfin Marianne und zu französischer Zeit der Revolution bzw. Napoleon gehuldigt hatten. Die Blieskasteler Säule beruft sich mit ihrer Nachahmung antiker Vorbilder auf die Vorliebe des bayerischen Herrschers für die Antike und das klassische Griechentum, die auch von seinen Nachfolgern geteilt wurde. Ziel der damaligen bayerischen Reformpolitik, die noch vor der Revolution unter dem bayrischen Kanzler Maximilian Graf von Montgelas begonnen hatte, war die Umwandlung Bayerns in einen modernen Verwaltungsstaat nach dem zeitgenössischen Vorbild Frankreichs. Bayern hatte im frühen 19. Jahrhundert besonders intensive Beziehungen zu den Griechen, deren Bemühungen um die Gründung eines griechischen Nationalstaates es nach 1823 unterstützte. Griechenlands erster König nach der Nationalstaatsbildung 1831, Otto I., war ein Wittelsbacher. Die Vorliebe für griechische Kultur, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Anspruch Bayerns auf eine geistige Führungsrolle innerhalb der deutschen Staaten verknüpft war, ließ zahlreiche Repräsentationsbauten entstehen, vor allem in der Residenz München, aber auch an vielen anderen Orten Bayerns. Bayern strebte zugleich die ökonomische Vorherrschaft in Deutschland an und hatte bis in die späten 1840er Jahre eine Vorreiterrolle im Bereich technischer Innovationen wie etwa dem Ausbau des Eisenbahnnetzes. Ob ihnen der Horizont dieser bayerischen Politik bekannt und bewußt war oder nicht: Die architekturpolitische Selbsteinordnung der Blieskasteler im Jahr 1823 spricht dafür, daß die neuen Untertanen im westlichsten Zipfel des bayerischen Rheinkreises wenigstens künftige Entwicklungsmöglichkeiten nicht versäumen wollten, nachdem sie 1816 hatten erkennen müssen, daß ihre kurzzeitige Glanzrolle als Residenzstadt der Reichsgrafen von der Leyen schon seit 1793 unwiderruflich beendet worden war.

Quelle und weiterführende Literatur

Legrum, Kurt (Bearb.), Die Grafen von der Leyen und das Amt Blieskastel, Katalog der Ausstellung der Stadt Blieskastel in der „Orangerie“, 28.9.–1.12.1991, mit einem Vorwort von Hans-Walter Herrmann, Blieskastel 1991, S. 226 (Ausstellungsstück Nummer 198).

Legrum, Kurt, Festschrift 900 Jahre Blieskastel, Blieskastel 1998; die Verfasserin dankt an dieser Stelle Herrn Stadtarchivar Kurt Legrum (Blieskastel), für Hinweise auf die Quellen.

Legrum, Kurt, Spaziergang durch die gräflich-leyensche Residenz Blieskastel, St. Ingbert 1995 (Wege in die Region, Bd. 3), S. 63; Anmerkung: Durch einen Fehler bei der Drucklegung wurde das Manuskript des Verfassers versehentlich verändert, so daß auf S. 25 fälschlich auf das Datum der Kaiserkrönung am 2. Dezember 1804 verwiesen wird.

Staatliches Konservatoramt des Saarlandes (Hg.), Denkmalliste des Saarlandes, Saarbrücken 1996, erstellt vom Referat 2: Inventarisation und Bauforschung (Dr. Georg Skalecki), Stand: 1.8.1996, S. 35.

Stadtarchiv Blieskastel, Bescheinigung der Umsetzung der Maximiliansäule, 2. August 1966, bescheinigt durch Bürgermeister Gehring und den Ersten Beigordneten Marx.

Stadtarchiv Blieskastel, Ausschnitt Saarbrücker Zeitung vom 23. Februar 1961.

Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Bestand MInn 59883, Brief der Gemeindeverwaltung von Blieskastel vom 16.2.1825 an König Maximilian Joseph von Bayern wegen Errichtung eines Denkmales, mit kolorierter Zeichnung; an dieser Stelle gilt der Dank der Verfasserin Herrn Stadtarchivar Legrum (Blieskastel) für seine Hinweise auf diese Quellen.

 

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Memotransfront - Stätten grenzüberschreitender Erinnerung Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.uni-saarland.de.