|
||||
Druckversion (PDF) | ||||
|
Rainer MöhlerLager TheleyNur noch eine einzeln stehende Steinbaracke, die vom örtlichen Obst- und Gartenbauverein als Brennerei genutzt wird, ist vom Theleyer Lager (1939–1949) übriggeblieben. Kein Hinweisschild deutet auf dessen bewegte Geschichte und die damit verbundenen zahlreichen, sehr unterschiedlichen Menschenschicksale hin. Statt dessen ist das Gelände des ehemaligen Lagers heute Teil des Theleyer Gewerbegebietes am westlichen Ortsausgang Richtung Primstal. Das Lager Theley im „Dritten Reich“Das Lager Theley war Teil des riesigen nationalsozialistischen Lagersystems und diente nach 1945 – wie auch andere ehemalige nationalsozialistische Lager – einige Jahre als alliiertes Internierungslager. Gebaut wurde es zu Kriegsbeginn 1939/1940 als Versorgungseinrichtung der Wehrmacht während des Westfeldzugs; in ihm waren eine Großschlächterei und ein Lebensmittellager untergebracht. Nach Beendigung der Kampfhandlungen wurden kurzzeitig französische Kriegsgefangene in ihm festgehalten. Seine wichtigste Bestimmung erhielt das Lager ab 1942/1943 als Sammelstelle für arbeitsunfähig gewordene bzw. schwangere Ostarbeiter, die aus Kostengründen mit Massentransporten in ihre Heimatländer rückgeführt wurden. Die offizielle Bezeichnung lautete: „Sammellager des Landesarbeitsamtes Westmark für ausländische Arbeitskräfte in Theley“. Das Lager war rechteckig auf dem Gelände einer alten Sandgrube erbaut worden und auf eine Kapazität von 300 Insassen ausgelegt. Küche und Verwaltungsgebäude waren vom Häftlingsbereich abgetrennt; während die Männer im ehemaligen Schlachthaus schliefen, gab es eine mit einem eigenen Zaun versehene Frauenbaracke und außerhalb des drei Meter hohen Sicherheitszaunes eine „Familienbaracke“, in der nicht-fluchtverdächtige Personen untergebracht waren. Wachtürme und eine eigene Wachmannschaft sollten Fluchtversuche verhindern. Der besondere Charakter des Lagers als bloße Durchgangsstation für den Weitertransport nach Osten führte dazu, daß zunächst kaum Kontakte mit der Bevölkerung bestanden. Dies änderte sich seit Mitte des Jahres 1943 aus zweierlei Gründen: Zum einen erfolgte ein allgemeiner Rückführungsstopp für die Ostarbeiter, zum anderen führte der Kriegsverlauf zum verstärkten Arbeitseinsatz der inhaftierten Zwangsarbeiter in Theley und Umgebung. Die Inhaftierten wurden vor allem bei Aufräumungsarbeiten nach Bombenangriffen eingesetzt, halfen aber auch in der Landwirtschaft oder arbeiteten als Putzkräfte in den Wehrmachtsstellen vor Ort. Der Rückführungsstopp für die Ostarbeiter war auf Grund des weiter gestiegenen Arbeitskräftebedarfs veranlaßt worden, der die Kriterien für die Feststellung einer „Arbeitsunfähigkeit“ erneut erhöhte; die katastrophal-unmenschlichen Zustände in den Massentransporten hatten außerdem zu wachsender Unruhe in den Heimatländern geführt. Das Lager Theley behielt zwar in erster Linie den Charakter eines Sammellagers, fungierte aber bis zum Kriegsende immer stärker auch als Selektionslager zur Überprüfung der als „arbeitsunfähig“ von den Betrieben abgegebenen Zwangsarbeiter. Bei einem negativen Bescheid erfolgte die Überführung in eine Heil- und Pflegeanstalt, um dort im Rahmen der T 4-Aktion ermordet zu werden. Ab Herbst 1944 führten Westwall-Schanzarbeiten und Evakuierungstrupps von Zwangsarbeiter in Richtung Osten zu einer ständigen Überbelegung des Lagers. Angesichts der für den Zeitraum ab November 1943 überlieferten hohen Sterbeziffern können die Lebensverhältnisse im Lager nur als katastrophal bezeichnet werden, was Ernährung, Hygiene und medizinische Versorgung anging. Viele der ohnehin schon geschwächten, arbeitsunfähigen Inhaftierten überlebten den Rücktransport in den Osten nicht. Diese Menschen tauchen ebensowenig in den Todeslisten auf wie die nach dem Stopp der Rücktransporte in den „Euthanasie“-Tod geschickten kranken Zwangsarbeiter. Gegen Kriegsende stieg die Sterbeziffer nochmals an: Allein vom Dezember 1944 bis zur Auflösung des Lagers im März 1945 starben 57 der 102 registrierten Toten. Die ersten 75 toten Ostarbeiter wurden zwischen Oktober 1943 und Januar 1945 auf dem Judenfriedhof bei Tholey begraben; die sich häufenden Fliegerangriffe führten dazu, daß die weiteren Toten zunächst auf dem Lagergelände verscharrt und erst nach Kriegsende von den Internierten auf dem Gemeindefriedhof in Theley beerdigt wurden. Der letzte Zwangsarbeiter starb noch nach der Befreiung am 5. Mai 1945 im Lager. Die amerikanische Militärregierung veranlaßte kurz darauf die Überführung der letzten Insassen in das Displaced Persons-Aufnahmelager in Lebach. Das Lager Theley nach 1945Wenige Monate später, im Oktober 1945, erteilte der französische Militärgouverneur des Saarlandes, Gilbert Grandval, Regierungspräsident Neureuter den Auftrag zur Errichtung eines Internierungslagers in Theley. In der Zwischenzeit hatte sich die örtliche Bevölkerung im Lager „bedient“ und jegliches bewegliches Mobiliar, einschließlich des Zauns und der Fensterläden, entwendet. So kam es im November 1945 zu einer umfassenden Wiedererrichtung des Lagers, das jetzt zur Aufnahme von 600 Internierten diente. Das Lager Theley war damit, neben dem Lager Binsenthal bei Heinitz/Neunkirchen und dem Befreiungsfeld in Saarbrücken, das dritte große, ab Mitte 1947 dann das einzige französische Internierungslager im Saarland. Französischer Lagerkommandant war der frühere KZ-Häftling Josef Fritsch, dem eine faire Führung des Lagers bescheinigt wird. Auch die Besuche von Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes erbrachten keine Beanstandungen: Die Disziplin wurde als militärisch-streng, aber gerecht, das Lager sogar als „un des plus jolis camps que nous ayons visités“ bezeichnet. Während in den ersten Besatzungsmonaten auch viele unschuldige, oftmals fälschlich denunzierte Personen interniert gewesen waren, sorgten Untersuchungskommissionen der Militärregierung zur Jahreswende 1945/1946 für eine Sichtung des Personenbestandes. Ab diesem Zeitpunkt wurden in den Lagern – nach alliierten Vereinbarungen – nur noch zwei Kategorien von Internierten festgehalten: neben den der Besatzungsmacht „gefährlich“ erscheinenden Personen (Werwolf!) bildeten die durch Rang und Amt politisch stark belasteten Nationalsozialisten die eigentliche Hauptgruppe. Für sie stellte das Lager eine Art „Wartesaal“ dar, in dem sie auf ihr politisches Säuberungsverfahren warten mußten, daß erst nach Beendigung der Entnazifizierung der „Mitläufer“ stattfinden konnte. Im Oktober 1947 war es soweit: Der saarländische Staatskommissar für die politische Säuberung Manderscheid erhielt von der Militärregierung die Untersuchungsakten der Internierten; viermal wöchentlich tagte die Spruchkammer im Lager. Ein halbes Jahr später, am 20. Mai 1948, ging das Lager Theley in die Hände der saarländischen Regierung über; das Saarbataillon stellte die Bewachungsmannschaft. Die Zahl der Lagerinsassen hatte sich inzwischen von 776 am Tag der Volkszählung vom 26. Januar 1946 auf 221 Ende 1947 reduziert. Die durchweg milden Spruchkammerurteile führten dazu, daß im September 1948 nur noch elf, im April 1949 schließlich nur noch zwei Personen im Lager interniert waren. Die offizielle Auflösung des Lagers erfolgte zum 31. Mai 1949. Pläne zur Weiterverwendung als Flüchtlingslager stießen auf den Widerstand des Gemeinderates; statt dessen wurden bereits 1950 die Lagerbaracken verkauft und das Gelände an die Gemeinde zurückgegeben. Erinnerungen an das LagerDie Gräber der Ostarbeiter auf dem Judenfriedhof sind durch eine Inschrift gekennzeichnet: „Hier ruhen 75 russische Tote, Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“; eine Hinweistafel der Deutschen Kriegsgräberfürsorge ermöglicht das Auffinden. Die weiteren 27 Gräber auf dem Gemeindefriedhof in Theley sind dagegen nur schwer zu finden und nennen allein die Namen der Toten, verschweigen jedoch Zeit und Umstände des Todes. Die Lagergeschichte selbst ist immer noch weitgehend unerforscht; lediglich im „Heimatgeschichtlichen Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung“ des VVN finden sich einige Informationen. Die Behandlung des Themas in den beiden Ausgaben des Theleyer Heimatbuches kann dagegen als Indiz für den sich wandelnden „Umgang mit der Zeitgeschichte“ dienen: Während in der Ausgabe von 1966 Schulrat Johann Engel über die Zeit nach (!) 1945 schrieb: „Die Heimat war ein großes Gefangenenlager geworden. Wo einst freie Kelten ihren Toten die Ruhestätte schufen,... da füllte man Arbeitsdienstbaracken mit deutschen Männern aller Berufe in einem Konzentrationslager. Stacheldraht und Krähennester zeigten den Vorübergehenden, daß hier der Haß noch in Blüte stand...“, geht Bürgermeister a.D. Toni Schäfer in der Neuausgabe 1992 ausführlich auf das Ostarbeiterlager ein und versucht auch der Situation nach 1945 historisch gerecht zu werden. Warum die frühere Gemeindeverwaltung („aus welchen Gründen auch immer“) eine Beerdigung der christlichen Zwangsarbeiter auf dem Gemeindefriedhof verwehrte, „konnte“ er sich allerdings immer noch nicht erklären. Quellen und weiterführende LiteraturMöhler, Rainer, Entnazifizierung in Rheinland-Pfalz und im Saarland unter französischer Besatzung von 1945 bis 1952, Mainz 1992, S. 370–382. Schäfer, Toni, Theley. Heimat am Schaumberg. Fortschreibung des von Johannes Engel 1966 bearbeiteten Heimatbuches „Theley einst und jetzt“, St. Wendel 1992, S. 258–265. Volk, Hermann, Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933–1945, Bd. 4: Saarland, Köln 1990, S. 174–176. Auskünfte Gemeinde Tholey, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, vom 10.5.2001.
|
|||
|